Profuma
Hilfreiche Rezension
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Das Handelsschiff des Capitaine Alexandre
Es ist eine längst vergangene Zeit und als die Seefahrt noch kleine und grosse Wunder bewirkte.
Stolz liegt es in einem französischen Hafen vor Anker. Zwei Jahre und drei Monate war es auf See, nun ist es in die Heimat zurückgekehrt.
Die „Zafeer“ ist ein riesiges Schiff, ein Dreimaster erbaut aus mächtigen und massiven Holzplanken und würde es zu sprechen vermögen, von Reisen berichten könnte, die die damalige Vorstellungskraft noch zu sprengen vermochte.
Die reinweissen, grossflächigen Segel ruhen eingeholt an den Masten, währenddessen sich die Männer mit den Errungenschaften der vielen Reisen über den Holzsteg von Bord machen und zu den bereits wartenden Kutschen. Eilig werden die Güter aufgeladen und die zu zart wirkenden Räder knarzen unter den Lasten. Jede befüllte Karosse setzt sich von mit edlem Zaumzeug geschmückten Pferden gezogen und vorsichtig angeleitet von ihrem Kutscher in Gang. Das Kopfsteinpflaster und die Schlaglöcher der Strassen, die aus der Stadt hinaus und zum Schloss führen, fordern jedem Gefährt sein Äusserstes ab. Schaukelnd und knirschend bewegen sie sich alle auf ihr Ziel zu, wo sie bereits ungeduldig erwartet werden.
Capitaine Alexandre wird am Empfang zu seinen Ehren, dem König und seiner Gemahlin die mitgebrachten Schätze zu Füssen legen und die Übergabe mit zahlreichen Anekdoten schmücken, die das Königspaar wie auch die geladenen Gäste in ihren Bann ziehen. Die Jungen hängen dann jeweils gebannt an seinen Lippen und wünschen sich, eines Tages ein stolzer Seefahrer wie er zu sein. Ihre Väter träumen indes von Sprösslingen, die gutes Geld im Dienste der Majestäten verdienen und Ruhm und Ehre für die Familie bringen. Und die Damen lassen sich vom Charme des redegewandten Kapitäns in ihren Bann ziehen und durch seine lebhaften und mit absichtlich erschreckenden Elementen ausgeschmückten Erzählungen durch sämtliche Gefühlslagen treiben. Diese werden sie schliesslich, verursacht durch ihre engen Korsagen, an die Grenzen ihrer Kräfte bringen. Energisch Luft fächelnd versuchen sie schliesslich, ihre Temperatur und ihren aufgebrachten Puls wieder etwas unter Kontrolle zu bringen und den bebenden Busen wieder zu mehr Contenance.
So malt sich das Capitaine Alexandre jedenfalls amüsiert lächelnd aus, während er sich nach dem Bad von Bediensteten in seiner Unterkunft herrichten lässt, denn die Empfänge gleichen sich immer wieder und sind dennoch oder gerade deswegen legendär.
Die Soirée ist bereits in vollem Gange, als auch Capitaine Alexandre zu den Gästen stösst.
In wenigen Augenblicken biegt er als Hauptgast, nachdem er durch die endlosen Gänge und spalierstehenden Anwesenden gegangen ist, durch den massigen und goldverzierten Torbogen in den Thronsaal.
Noch sind die Schätze hinter einem schweren, dunkelroten Samtvorhang verhüllt. Erst geht Capitaine Alexandre über den schier unendlich langen ausgelegten Teppich daran vorbei und zum Podest mit den Thronen. Dort begrüsst er das Königspaar und überbringt die Grüsse und besten Wünsche ferner Herrscherhäuser. Dann ist es soweit. Auf sein Zeichen ertönen Fanfaren.
Zwei Bedienstete ziehen an mächtigen von der Decke hängenden Kordeln, die schliesslich leicht zeitversetzt dazu die Vorhänge in Gang setzen. Schwerfällig gleiten sie nach und nach zur Seite und geben das bislang Verborgene preis. Gleissendes Licht sticht aus den Truhen und Gefässen, Funkeln und farbige Prismen von den Edelsteinen beleuchten und färben ihre nähere Umgebung und eine Vielzahl an exquisiten Düften befreien sich aus ihren Behältnissen und legen sich nach und nach immer mehr in die Schlossluft.
So etwa stelle ich mir die Geschehnisse vor, wenn ich Zafeer Oud Vanille erschnuppere.
Es werden nicht alle der feinen Dinge aus der Pyramide schon in aller Welt, geschweige denn bei Hofe bekannt gewesen sein. Wohl wissend um diesen Umstand möchte ich aber die begonnene Geschichte am Hof dennoch mit der Duftbeschreibung verknüpfen, die Zafeer Oud Vanille für mich ausmacht.
Zurück also zu Capitaine Alexandre, der mittlerweile an die unzähligen Truhen, Kisten, Schatullen und Tongefässe herangetreten ist. Der König ist ihm gefolgt und mustert neugierig die Gaben, während auch ihn die exotischen Düfte zunehmends einnehmen.
Alexandre reicht ihm edle Lederhäute, weich und griffig legen sie sich in die prüfenden Hände des Monarchen. Ein warmer und ledertypischer Geruch steigt von ihnen empor. Doch wird er bereits vermischt mit einer nicht minder warmen und recht kräftigen Karamellnote. Es ist nicht die Spezialität eines fernen Landes, sondern stammt aus der Bretagne und wurde als Nachtisch gereicht, als sich die ganze Mannschaft am Vorabend auf Kosten des Capitaine mal wieder so richtig verköstigen durfte. Die Speise beeindruckte alle gleichermassen, so dass sie beschlossen, dem König zu berichten und ihm davon mitzubringen. Sofort ist er angetan, lässt die Speise in Mund und Seele zergehen. Und wie sich die Düfte der verschiedenen Gaben harmonisch vereinen! Als gehörten sie alle zusammen. So etwas hat hier noch keiner erlebt. Die Kokosnüsse werden aufgebrochen und degustiert. Auch ihr spezieller Duft ergibt sich in die Luft zu den anderen Aromen. Die zahlreichen Blüten in Amphoren gefüllt oder in Öl eingelegt verströmen ihre süsslich verführenden Dämpfe, die Holzkisten und beschlagenen Truhen ihrerseits, sowie die geschlagenen Edelhölzer von exotischen Märkten versehen die Luft mit einer weichwürzigen Aura. Besonders berauschend für den König scheint der Inhalt eines kleinen Kruges zu sein. Er enthält Vanilleschoten aus Madagaskar und bettet, was sich schon in der Luft vermengt hat, in einen einzigen dichten Wohlgeruch. Bald ist der ganze Thronsaal von den Duftschwaden eingenommen und versetzt die Gesellschaft in wohliges Erstaunen. Die mitgebrachten Edelsteine und Goldstücke treten für einen Moment in den Hintergrund, denn diese duftenden Errungenschaften sind heute für einmal der wahre Schatz.
Was für ein Glück, dass Capitaine Alexandre im Frühling mit seinen olfaktorischen Preziosen am Hof zugange war. Oder war es Herbst? Winter? Im Sommer kanns nicht gewesen sein, denn da wären alle Anwesenden wohl aus ihren zarten Schühchen gekippt. Aber zu den anderen Jahreszeiten, ist das Duftgemisch einfach nur ein gourmandiger Nasenschmaus, der zumindest mich zu solchen Zeitreisen und Geschichten verleiten lässt.
Ich bin jedenfalls gespannt, was Capitaine Alexandre von künftigen Reisen noch so alles für uns mitbringt.