Agua de Colonia Concentrada - Eau d'Orange 2020

FvSpee
04.04.2021 - 11:54 Uhr
23
Top Rezension
7
Preis
9
Flakon
4
Sillage
2
Haltbarkeit
6
Duft

Neukölln 25 - Schade um die Idee

1912 begründete der spanische Kölnischwasser-Spezialist Alvarez Gomez seinen Ruhm mit dem exzellenten klassischen zitrischen Cologne mit dem gelben Etikett, angelehnt an die Farina-Tradition, aber mir eigener, markanter Signatur, nämlich einer Verstärkung der fruchtiggelben Zitrone bei gleichzeitiger Verdreifachung der grün-kräuterigen Noten (zum Rosmarin treten Thymian und eine fette Dosis Eukalyptus). Das "Gelbe" ist eines meiner Lieblingscolognes, es ist absolut unverwechselbar, und jedes Mal, wenn ich es trage, freue ich mich, dass es noch hergestellt wird.

Zufällig oder nicht genau 100 Jahre später kam der Alvarez Gomez mit dem braunen Etikett auf den Markt, 'Barberia', wahrscheinlich ein sprachliches und mit Sicherheit ein olfaktorisches Spiel mit Barbershop- und Rhabarber-Noten. Erneut ein wunderbar frisches, ganz spezielles, unverwechselbares und durchaus gelungenes Cologne (mit dem Rhabarber tue ich mich - wie auch in Speisen - etwas schwer, daher holpert es bei mir immer im Auftakt, aber insgesamt doch zu schön, als dass ich mich von meinem Flakon hätte trennen wollen).

Möglicherweise wäre es besser gewesen, die Spanier hätten wieder 100 Jahre gewartet, anstatt schon 2020 gleich mehrere neue Cologne-Varianten auf den Markt zu werfen. Diese hier ist aus der neuen Modellpalette die erste, die ich teste, und ich bin wirklich enttäuscht.

Und zwar nicht deshalb, weil der Duft kein richtiger klassischer Orangenduft ist, obwohl die Bezeichnung 'Eau d'Orange' und das knallapfelsinige Etikett eben dies versprechen. Im Gegenteil, ich finde es eine witzige Idee, ein Eau d'Orange (bzw. Eau de Portugal) ohne Orangenessenz, nur mit Orangenblüte, Bergamotte und Zitrone zu bauen. Und auch die anderen angegebenen Zutaten finde ich spannend und originell: Mandel (dürfte in Colognes eher selten sein, passt aber zu Orange eigentlich sehr gut) und eine solide Basis aus Hölzern, mit viel Zypresse, das klingt gut, spannend und wiederum besonders, fast so wie Eukalyptus im gelben und Rhabarber im braunen Alvarez.

Leider aber erscheint mir die Umsetzung durch den - namentlich nicht in Erscheinung tretenden - Parfumeur versaubeutelt. Mir begegnet hier ein Duft, der so uninteressant und langweilig ist, dass ich ihn nur wegen des Vergleichs mit den beiden guten alten Alvarezen, wegen meiner Cologne-Reihe, und vielleicht noch zur Warnung des Lesers rezensiere.

Irgendwelche originellen, eigenständigen oder auch nur überhaupt klar konturiert hervortretenden Noten sind mitnichten auszumachen, außer vielleicht einer ganz netten minzigen Note im Auftakt. Ansonsten haben wir hier nichts als ein schattenartiges, diffus zerlaufendes oranging-holziges Geschehen, das überdies, anders als die Düfte von 1912 und 2012, ohne Saft und Kraft ist, nicht ausstrahlt und schon nach wenigen Minuten spurlos im andalusischen Sande verläuft. Der ärgerlicherweise auch hier eingesetzte Moschus führt nicht einmal zu einer (seit langem "modernen"; aber für mich trotzdem einfach nicht zu Colognes passenden) Verfluffung oder Weichzeichnung einer ansonsten kristallinen Frische, sondern nur dazu, ein ohnehin müdes Geschehen noch stumpfer und dumpfer zu machen. Da würde ich, wenn es denn schon ein orangig-holziges Cologne sein muss, sogar noch Boston von Harry Lehmann vorziehen, mit dem ich zwar ebenfalls nicht kann, das aber wenigstens noch Kante hat.

Es bleiben zwei Hoffnungen: Dass der Duft bei hochsommerlichen Temperaturen, für die er eher geschaffen sein dürfte, doch noch etwas besser überzeugen wird, und dass der ebenfalls brandneue "grüne" Alvarez, dessen Etikett ich besonders schön finde, weniger dahingestümpert ist als dieser hier.
20 Antworten