Al Mas 2010

Alan
15.08.2014 - 20:50 Uhr
6
Sehr hilfreiche Rezension
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
8
Duft

Oud, Oudh, Aoud - genug davon!

Für meine Leser in der fernen Zukunft oder aber für den unwahrscheinlichen Fall, dass der geneigte duftbewanderte Leser die letzten Jahre unter einem Stein gelebt hat: Adlerholz, auch Oud genannt, liegt gerade sehr im Trend. Alleine in der Kategorie "neu und beobachtenswert", in der Parfumo achtzehn ausgewählte Neuerscheinungen präsentiert, finden wir aktuell "Taif Aoud" von Roja Parfums, "Oud Bouquet" von Lancome, "Hand in Hand - Rose & Oudh" von Ramon Monegal, "Amber Oud" von Floris und "N° 9 Oud" von Trish McEvoy. Sogar Lip Smacker soll bald die Geschmacksrichtung "Oud Cherry" herausbringen. In Ordnung, in Ordnung, das war nun erfunden, aber der Oudhype ist mittlerweile derart umfassend, dass Oud als Lippenbalsamaroma nicht mehr vollkommen absurd klingt. In anderen Worten, Oud ist einfach allgegenwärtig.

Das wäre großartig, wenn ich ein Oud-Fan wäre. Wenn, sprach der Lakonier, und das ist genau das Problem: Ich mag Oud nicht. Zumindest mag ich Düfte mit starker Oudnote nicht, in natürlicher Form hatte ich Adlerholz noch niemals unter der Nase. In Parfums begegnet mir die Duftnote als holzig und stark medizinisch, mit einer leicht animalischen Note. Dementsprechend enttäuscht war ich zunächst, dass sich "Al Mas" als sehr oud-lastig erwies - und umso überraschter, als ich nach einer Weile feststellte, dass mir der Duft gefiel.

"Al Mas" ist ein Attar und dementsprechend ölbasiert, und startet mit der gefürchteten holzig-medizinische Noten, doch das Adlerholz ist hier nicht so stechend, wie ich es sonst kenne, und es wird durch eine milchige Süße gemildert. Cremige Vanille, Safran und Rosinen glaube ich zu erschnuppern, während wir mit dem Auftakt den medizinischen Eindruck hinter uns lassen und die Oudnote sich von einer warm-holzigen Seite zeigt. Eine sehr milchige Sandelholznote gesellt sich hinzu, die versprochene Rose lässt sich höchstens als ein Hauch erahnen und ist dann gleich wieder fort. Zurück bleibt die Idee eines Desserts, süßer Safranreis mit Rosinen, in mit Sandelholz und Vanilleschoten aromatisierter Milch getränkt und mit Oudstückchen gesprenkelt, ein Geruchseindruck zwischen holzig und essbar.

Mit seiner Mischung aus Holz und Dessert ist "Al Mas" ein entfernter Verwandter von "Dries Van Noten par Frédéric Malle", der zwischen Sandelholz und Waffeln schwankt, dabei aber trockener bleibt und sich der Idee eines Desserts nicht so weit annähert, wie sein Vetter es tut. Dennoch kippt "Al Mas" nie ins Klebrige, sondern bleibt durch die Holznoten geerdet. Diese sind es auch, die am längsten auf der Haut verbleiben, eine warme Holzigkeit, die schließlich eine winzige Spur der animalischen Note aufweist, die ich normalerweise mit Oud verbinde. Der gefürchtete harsche Eindruck bleibt aus und Adlerholz bildet hier stattdessen ein wohltuendes Gegengewicht zu den süßen Aspekten des Duftes.

So erfreulich diese Entdeckung auch ist, ich bleibe dennoch dabei: Gebt uns endlich etwas anderes als Oud, oder Lip Smacker kommt tatsächlich noch auf dumme Ideen. Nach der lange andauernden Oud-Welle braucht es einfach Abwechslung. Wie wäre es mit Benzoin? Oder Osmanthus, das klingt auch hübsch exotisch. Labdanum vielleicht? Irgendetwas!
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