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Beach Hut Man 2017

Nordique
08.07.2020 - 05:22 Uhr
35
Top Rezension
9
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft

Kommt gut Ding will Zeit Rat haben, oder: Warum Vorsicht der Elefant auf der Mutter im Porzellanladen ist

Redewendungen und Sprichwörter zählten noch nie zu meinen generell als überschaubar einzuschätzenden Stärken.
In der achten Klasse wurde mein – subjektiv mit viel Fleiß und Hingabe erarbeiteter – Deutschaufsatz zum bekannten Proverb „Es ist nicht alles Gold was glänzt“ mit einer glatten 4 quittiert, da ich zwar die seitenlange, wunderbar selbstausgedachte Odyssee eines am Ende enttäuschten Goldgräbers detailreich darlegte (er folgte tagelang und mühevoll einem Schimmern in der Dunkelheit, welches sich als reflektierendes Brillenglas herausstellte – potzblitz!), den eigentlich übertragend zu erfassenden Sinn dieses Sprichwortes damit jedoch leider nur allzu wörtlich genommen hatte.

Ähnlich erging es mir – und jetzt wird letztendlich mal vernünftig übertragen, liebe Frau Arnold! – mit Amouages Communitydurchschnitts-Strandhüttenklopper.
Nach der sich quälend lange hinziehenden, und dennoch neuerlich erfolgten Entdeckung meines eindeutigen Lieblingsvertreter dieses Dufthauses (siehe Kommentar zu „Honour Man“ – like, subscribe, lasst ein Abo da, Däumchen wär’n Träumchen, ab 20.000 Likes verschenke ich iPads und Hundewelpen*), gelang es mir, sämtliche Erwartungen für auch diesen, vergleichsweise mau bewerteten Kollegen vor dem olfaktorischen Testlauf in gesunder Mitte zu halten.

Vor allein auf den Namen zurückzuführenden evozierten Bildern konnte ich mich jedoch, wie so häufig schon, im Vorfeld nicht freimachen: Strand, Meer, Karibik, Südostasien, „Sommer, Sonne, Kaktus – playing featherball on the beach – blauer Himmel, gute Laune and a beautiful girl auf’m Schoß“ (H. Schneider, 2013).
Was nach dem Aufsprühen folgte, erfüllte jedoch nicht eine dieser Vorstellungen auch nur im Entferntesten. Nun gut, blauer Himmel und gute Laune geht hier definitiv trotzdem. Das beautiful girl sicherlich auch, nur war meine Herzdame zu dem Zeitpunkt gerade leider auf der Arbeit.
Aber: keine Aquatik, kein Salz, keine (Sonnen-)Creme, kein pazifischer Blütenkranz. Stattdessen saß ich frisch rasiert mitten in Europa, im flachen, grünen Norddeutschland – und der Duft passte absolut perfekt hierhin! Ich war ein wenig – vielleicht auch ein wenig sehr – verblüfft. Grünlich, gar leicht chlorophyllartig, dezent skandinavienholzig (lies: minimalst saunaharzig) mit einer wundervollen, markanten Würze. Dabei niemals zu schwer, niemals erschlagend – und dennoch dauerhaft präsent.
Zugegebenermaßen: Der Auftakt ist amouagesque harsch und gewöhnungsbedürftig – was nach rund zehn Minuten jedoch für Stunden (ja, vielleicht sogar Tage!) folgt, ist ein olfaktorischer Herrenfrisör oberster Güte. Und, im Vergleich zu seinen – zweifelsohne ebenso sehr gelungenen – zwei Schwesterdüften Bracken „Nelkenbomber“ Man und Sunshine Man durchaus das tragbarste und schönste Duftkunstwerk dieser Klasse.

Beach Hut Man ist ein wundervoller Duft mit wirrem Auftakt – und absolut katastrophal irreführender Namensgebung. Ein Misnomer in Reinform. Ich möchte den kreativen Köpfen dahinter keinesfalls zu nahe treten, werden sich schon etwas dabei gedacht haben, aber wie wäre es denn zum Beispiel gewesen mit … hm, ja … wie denn nun?!
Gar nicht mal so leicht, einen passenden Namen zu finden. Ich eröffne hiermit den Beach Hut-Ersatznamensfindungswettbewerb! Der Sieger bekommt ein Herz von mir auf die Pinnwand ;)

Feststehen tut für mich nach all den Jahren nun Folgendes:
Es ist nicht alles Strandhütte, was Beach Hut heißt – sondern vielmehr wunderbarster Schönwetterfougère mit Duschüberlebenspotenzial (beides in diesem Falle bitte so positiv auszulegen, wie nur möglich – danke)!
Gebt ihm Zeit – steht den harschen Auftakt durch … und ihr werdet (guten) Rat erhalten ;)

Vielen Dank für`s Lesen und für eure Zeit!

P.S.: Warum der Elefant Vorsicht heißt und warum er auf der netten Porzellandame steht, weiß ich leider auch nicht.

*Clickbait
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