Zeit hat er sich gelassen in dieser Saison, sehr viel Zeit.
Wochenlang schwankte es zwischen Spätspätherbst und Frühfrühjahr, bevor das Steinerdgrau endlich dem Weiß wich – puderzuckrigzart zunächst und kaum mehr eine Stunde überlebend, doch schließlich dick und schwer und duftig auf Häusern, Hecken, Wegen alles weniger Schöne bedeckend, versteckend, verschluckend fast.
Kalt war die Luft, richtig kalt – klirrend, knisternd und stechend, der Atem gefrierend schon fast in der Nase, die Kälte durch Kleider und Knochen kriechend und die unbemützten Ohren noch tauber, als sie eh schon sind.
Winter.
Richtiger, echter Winter, märchenbüchern weiß.
Ein paar Tage nur, immerhin.
Lange genug, um den suchenden Blick auf "Yukimi" zu heften, den Winter, den japanischen, jenen, den Annayake in Flacons gefüllt hatte – zumindest war dies die Absicht gewesen.
Ich war noch niemals in Japan.
Ich weiß nicht, wie dort der Winter riecht, der Frühling und der Sommer.
Kirschblüten könnten es im Frühling sein, Räucherwerk, Blumen und Früchte im Sommer, wenn das Land das Obon-Fest feiert.
Im Winter jedoch, wenn samtiges Weiß das Land überzieht, hier und dort nur durchbrochen von Lackschwarz und Rot?
Kalt und klar und ein wenig rauchig stelle ich ihn mir vor, den Duft des japanischen Winters, seidig und rauh und filigran die Spitzen, die sticheln und brizzeln, wenn der Atem in meine Lungen strömt, schmerzhaft fast und doch weitend, weisend, befreiend.
Nicht viel anders als der Winter hier, der deutsche, schwarzrotgold'ne.
Dachte ich.
Doch "Yukimi" ist anders.
Ganz anders.
Nichts Kühles, nichts Weißes strömt mir entgegen, kein Rauch und auch kein eis'ger Samt.
Rotbackige Äpfel, dickglasiert, karamellig, zuckrig, warm.
Sehr süß, sehr jung, sehr unbeschwert.
Ein bißchen klebrig, ein bißchen kratzig, irgendwo ein Kuscheltuch.
Eine Geisha ist das nicht, sicher nicht, doch ein Manga – doch, kommt hin.
Kommt sogar richtig gut hin.
"Yukimi" ist einer jener Düfte, zu denen Mädchen und junge Frauen besonders leicht Zugang finden – sorglos, süß und auf unkomplizierte Weise sinnlich, ohne großen Anspruch an Trägerin und Umwelt.
Eine trockene, herbstlaubartige Würze dimmt nach einer Handvoll Stunden die Süße und führt auf ein weiches, weißes, warmes und sehr sauberes Bett.
Nah an der Haut bleibt "Yukimi" dann, sehr nah, sehr sanft, sehr zart.
"Vierzehn" kommt mir in den Sinn – und es stimmt: Ich kann mir den Duft wunderbar an einer Vierzehnjährigen vorstellen, an einer ganz bestimmten Vierzehnjährigen.
Sie wird ihn lieben, ganz sicher.
So wie ihre Mangas.