Aramis 1964 Eau de Toilette

Friesin
05.05.2021 - 02:43 Uhr
46
Top Rezension
9
Haltbarkeit
10
Duft

Aramis, der Verführer

Aramis betritt den Buchladen und ist etwas irritiert, hat er doch schon beim Eintreten aus dem Augenwinkel Bücher mit dem Titel "Toxische Männlichkeit" und "Sei kein Mann" gesehen.
Tja, nun, eins war unbestreitbar, er WAR ein Mann.
Ein Mann in den besten Jahren. Mitte der 60er in Amerika aufgewachsen, benannt nach einer aphrodisierenden Wurzel, wie seine Mutter Estée nicht müde wurde zu betonen, wobei ein Musketier als Namenspate ihm lieber gewesen wäre...
Mit forschen Schritten nähert er sich dem Verkaufstresen, an dem eine große Blonde ihm lächelnd entgegenblickt. "Hallo, wie kann ich ihnen behilflich sein?" Aramis sieht, wie sie tief Luft holt, um seinen Duft zu inhalieren, diese Reaktion erlebt er häufig, nichts Neues für ihn.
"Ich suche ein Buch über Duftnoten, wenn sie mir da etwas zeigen könnten? "
"Natürlich, kommen sie doch schonmal mit, wir gehen eine Etage höher."
Näher als es schicklich wäre, geht sie neben ihm her und führt ihn in einen abgelegenen Teil des Ladens zum Regal mit Büchern zum Thema Parfum.
"Was suchen sie denn genau?", fragt sie ihn verschmitzt schmunzelnd.
"Nun, ich möchte meinen Duft entschlüsseln, mir fehlt dazu allerdings das nötige Handwerkszeug."
Jetzt versteckt sie es nicht mehr, mit geschlossenen Augen inhaliert sie tief und genüsslich.
"Mhmm, sie duften so anders als die Männer, die sonst hier reinkommen, würzig, herb und unglaublich sexy", dabei nähert sie sich seinem Hals.
"Und das gefällt ihnen?" "Ja, sehr! Ich erkenne auch Leder und eine Note wie, ähm, ein warmer Männerkörper." Nun sind sie sich so nahe, dass Aramis die Sommersprossen auf ihrer Nase zählen kann. Sie blickt hoch, schluckt, öffnet leicht ihre Lippen und ohne Umschweife greift er ihre Hüften, drängt sie ans Bücherregal und küsst sie tief, während sie die Arme um seinen Nacken schlingt.

Naja, so eilig scheint es mit der Duftanalyse nicht zu sein....dann werde ich das kurz übernehmen:

Der begabte Berhard Chant kreierte 1964 mit Aramis einen mehrdimensionalen Duft.
Aramis erscheint ambivalent, kann er doch Nähe und Vertrautheit aber auch Distanz und sogar Arroganz ausstrahlen. Ausgelassenheit versus Seriösität, ein belebendes Spiel für Nase und Hirn.
In den Vereinigten Staaten war er der erste beworbene Männerduft, der auch in Kaufhäusern (nicht mehr nur Parfümerien) angeboten wurde.
Ein Chypre alter Schule, der sorgsam reformuliert, immer noch von Sex und Nähe erzählt und seinem Träger/Trägerin ein gewisses Maß an Selbstsicherheit abverlangt.
Als Lederchypre startet Aramis mit Aldehyden und einer frisch- bitteren Krautigkeit, die wohl dem Beifuß entspringt. Nelke und Kreuzkümmel bringen Würze und diesen 'Warmer- Körper-Vibe', der häufig als schweißig beschrieben wird - so nehme ich ihn nicht wahr.
Sandel, Patch und Vetiver bringen in der Herznote einen kleinen unschuldigen Twist, der jedoch alsbald von Castoreum (synth.Bibergeil) durchbrochen wird.
Daher kommt der animalisch-sinnliche Wildleder-Akkord, der die Gewürze perfekt ergänzt und gemeinsam mit ihnen in ein Moosbett sinkt.
Die unaufgesetzte Selbstverständlichkeit, mit der Aramis seine Sinnlichkeit und Sexyness präsentiert, ist beeindruckend.
Insbesondere, da unsere Nasen oft von Duschgel und Leckerdüften umgeben sind.
In einem Interview nennt Roja Dove Aramis 'Einen der 5 Düfte, die Frauen wild machen.'
Ich kann nur sagen, Recht hat er!
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