Havana 1994 Eau de Toilette

NuiWhakakore
24.08.2021 - 12:58 Uhr
40
Top Rezension
9
Preis
7
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft

Der neue Steuermann

Jetzt stand er da, in der Dunkelheit vor der Taverne. Es war vielleicht doch keine so gute Idee, hierher zu kommen, aber es musste sein. Sie brauchten einen neuen Steuermann und hier würde er ihn finden, den besten, den es gab. Aber Havanna war ein gefährliches Pflaster für ihn, seit dem Vorfall im letzten Jahr. Habanita hieß sie und sie war feurig und leidenschaftlich, sie hatten eine schöne Zeit gehabt. Leider war sie auch die Tochter des Gouverneurs und der hatte ihr treiben nicht gutgeheißen, weshalb sein Aufenthalt hier in Havanna nicht ohne Risiko war. Deshalb die Verkleidung und die Dunkelheit. Aber es hilft ja nichts, dachte der Kapitän und machte sich schweren Schrittes auf, die Taverne zu betreten. Eine ganz blöde Idee, das alles!

Das Mieder zwickte etwas in der Leiste und mit den bauschenden Röcken kam er auch nicht zurecht, aber in der Taverne war es zum Glück recht schummrig. Das war auch gut so, denn sie hatten ihn zwar rasiert und auch kräftig geschminkt, aber so richtig überzeugen konnte das bei guter Beleuchtung keinen. Dazu kam sein Geruch – männlich, würzig, der Tabak der Zigarre immer präsent. Das war schwer mit seiner Verkleidung in Einklang zu bringen.

Er trat zu der dunklen Nische, in der Mel saß. Eigenartiger weise war der Geruch des Kapitäns hier viel lieblicher. Etwas frisches und fruchtiges mischte sich darunter und Blüten. Und sanfte Harze und warmes Leder. Das alles verband sich vorzüglich mit dem würzigen Tabak des Kapitäns. Er erkannte, dass der Geruch von Mel ausging, der seinen Mantel hochgeschlagen und den Hut tief ins Gesicht gezogen hatte, so dass man nur die Augen sah.

„Ihr sucht also jemanden für euer Steuer, ich hätte gerade Zeit, der letzte Kapitän wurde etwas zudringlich, da musste ich ihn mit dem Dolch zurück auf den Pfad der Tugend bringen.“
Alle hatten die Geschichte von Kapitän Blood X. Clad gehört und man hatte ihm so etwas gar nicht zugetraut, aber das auffällige Hinken in letzter Zeit sprach Bände.
„Ich möchte dir versichern, dass ich niemals solche Gefühle gegenüber meinen Seemännern hege, wirklich noch nie!“, beeilte sich der Kapitän zu versichern.
„Es freut mich zu hören, dass ihr eine Frau von Ehre seit.“
Die Augen blitzten belustigt und der Kapitän wurde unter reichlich Rouge noch etwas röter. Man wurde sich schnell handelseinig, und dass obwohl Mel die dreifache Prise wie üblich verlangte. Aber er war halt der Beste und so schlichen sie schon bald in der Dunkelheit ohne Probleme zum Ruderboot zurück. War vielleicht doch eine gute Idee, dachte sich der Kapitän als sie im Ruderboot saßen und auf dem Weg zu Miss Fortune waren.

„Jetzt brauche ich diese blöde Verkleidung wenigstens nicht mehr“, sagte der Kapitän und zog sich die Perücke vom Kopf.
„Ja, das ist richtig, die brauchen wir jetzt nicht mehr“, erwiderte Mel, schlug den Kragen zurück und legte den Hut ab. Darunter kamen lange, schwarze Locken zum Vorschein und ein Mieder, dem des Kapitäns nicht ganz unähnlich, nur wesentlich proportionierter gefüllt. Der Kapitän saß mit offenem Mund da und meinte Blood X. Clad lachen zu hören.
„Mel ist übrigens die Kurzform von Melissa“

Interessante Veränderungen an Bord der Miss Fortune lagen in der Luft, zusammen mit einem Hauch Vanille…

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Der Havana ist einerseits ein klassischer Aramis-Duft, wie der Aramis (1964) oder Devin (1972), andererseits weist er aber auch in die Moderne, Richtung Tobacco Reserve (2018). Er kommt mir etwas wie das Bindeglied zwischen diesen Generationen vor, da passt das Erscheinungsjahr 1994 ja ganz gut.

Der Havana startet mit einem frisch-grünen Mix aus Kräutern und Früchten. Erkennbar ist für mich da nur die Mandarine, ein bisschen Estragon und ein Hauch Aldehyde. Eine Priese Kümmel schwingt auch mit und sorgt für etwas Wärme. Das ist, vor allem was die Aldehyde betrifft, viel sanfter als der Devon und auch als der Aramis. Weiter geht es mit einer floralen Note, bei der ich keine einzelne Blume erkennen kann. Sie sind aber dezent und angenehm und genau genommen auch nicht so wichtig, da bald der Tabak übernimmt, der den Duft prägt.

Der Tabak raucht nur wenig und ist eher noch etwas grün. Allzu süß ist er zum Glück auch nicht und das ist ein großer Unterschied zum Tobacco Reserve, der da deutlich süßer (= moderner?) daher kommt. Die Mischung aus Tabak und würzig-floralen Noten bleibt relativ lange erhalten und ist wirklich sehr angenehm. Zur Basis hin kommt dann Amber dazu, Holz, wenig Leder und am Ende leider auch etwas die unvermeidliche Vanille. Dadurch wird der Duft süßer, aber wiederum nicht so modern süß wie der Tobacco Reserve. Also angenehm tragbar.

Im Vergleich zu seinen früheren Geschwistern ist der Havana sehr sanft und zurückhaltend, sowohl bei der Silage als leider auch bei der Haltbarkeit. Nach 6 Stunden ist hier Schluss, was jetzt auch nicht richtig schlecht ist, aber der Devin packt da halt locker 2-3 Stunden drauf. Im Vergleich zu seinem jüngeren Geschwisterchen ist er auch sanft und zurückhaltend und vor allem viel weniger süß. Für mich also die deutlich bessere Alternative, zumal es den Tobacco Reserve eh nicht mehr gibt und den Havana sehr günstig.

Das mit Mel und Kapitän Blood X. Clad war übrigens ein Missverständnis, das sich aufgeklärt hat. Mel würde auch wieder mit Kapitän Clad fahren, ist aber jetzt sehr glücklich mit ihrem neuen Kapitän und ich bedanke mich für die Probe!
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