First
13.04.2021 - 09:11 Uhr
25
Top Rezension
6
Flakon
6
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft

Was ich nicht weiß, macht Eis & Heiß

Ich mache mich innerlich öfter über ein aufgeblähtes Marketing lustig, finde ich doch oftmals, dass man das Produkt auch ohne albernes und durchschaubares Getue von Sex-Sells und Ähnlichem für sich selber sprechen lassen könnte. Aber natürlich weiß ich gleichzeitig, dass gutes Marketing wirklich in hohem Maße den Bekanntheitsgrad und die Verkaufszahlen beeinflusst, sonst würde es sich nicht lohnen, Top-Models zu engagieren, riesige Campagnen zu fahren und im Hintergrund Psychologinnen arbeiten zu lassen. Über Design mache ich mich weniger oft lustig, elegante Formen, faszinierende Haptik und vieles in Richtung Pop-Art lassen mein Herz höher schlagen.
Wieso dieser Einstieg in eine Rezension eines Duftes?
Wegen des Flakons. Er spricht mich überhaupt nicht an.
In vollkommener Abwesenheit von Marketing auf dem deutschen Markt erweckt der abgebildete Flakon bei mir Erwartungen, die der Duft dann in keiner Weise erfüllt. Aber nicht so, wie Ihr jetzt vielleicht denkt.

Ich bekam Hayati in einem Tauschpäckchen als Abfüllung. Und wie es mit Tauschpäckchen manchmal so ist, waren die beiden Düfte, wegen denen ich das Päckchen ertauscht hatte, leider Flops, aber der Inhalt dieses Röhrchens mit dem unbekannten Hayati, von dem ich mir aufgrund des Flakons rein gar nichts erhofft hatte, war überraschenderweise so faszinierend, dass sich das Päckchen allein dafür schon gelohnt hat:
Im Auftakt ein wirklich freundlich-spritziges Fruchtgemisch aus frischen Mangos, Ananas und Kirschen, dabei ein wenig, zwar künstliches, aber doch attraktives Erdbeeraroma, startet Hayati leicht und gleichzeitig enorm intensiv. Glücklicherweise fehlt hier das von mir so oft beklagte Vergorene und auch das Plastikartige, das so viele der Düfte mit intensiven Fruchtnoten in meiner Nase leider mitbringen. Zudem sticht hier auch nichts und sogar die übliche Ladung Maltol und/oder Moschus bleibt aus. So, ja genau so, kann ein Fruchtduft auch mir endlich einmal hundertprozentig gefallen!
Nach dem ersten Eindruck wird die Kopfnote von einer sehr leichten und milden Süße unterlegt. Dabei geben das leicht Herbe der Ananas und die Mango zusammen mit der Süße dem Duft eine ausgewogene Wärme, die weiterhin leicht bleibt.
Am Anfang der Herznote nimmt der herbe Faktor noch ein wenig zu, um sich im Verlauf mit den weicheren Vorboten der Basis immer besser zu verbinden, bis sich ein köstlicher Eindruck von Eis & Heiß einstellt.
Dieser bleibt die ganze Basis durch, bis sich Hayati nach etwa 10 bis 11 Stunden verflüchtigt hat.
Ich bleibe verwundert zurück. Dem Flakon nach zu urteilen, hätte ich mit einem Duft mit vielen Gewürzen, viel Moschus, Rose, Jasmin, künstlichem Holz und/oder Oud gerechnet. Das übliche Marketing hat mich gelehrt, in einem Flakon dieses Designs in etwa diese Duftrichtung zu erwarten. Ich wäre deshalb nicht darauf gekommen, diesen Duft extra zu testen. Mit Moschus und Oud habe ich regelmäßig Probleme, mit Jasmin oft, mit manchen Gewürzen auch, künstliches Holz kann ich nur in minimalen Mengen ab - nur Rose mag ich in der Regel, doch Rose findet sich häufig, so häufig, dass ich nach Rosendüften nicht mehr suche.
Hier bin ich also ein Marketingopfer der besonderen Art geworden. Wahrscheinlich sollte ich mich nicht mehr so oft über Marketing lustig machen.

Und am Schluss hat Hayati noch eine weitere echte Überraschung parat: Als nach Leeren der Abfüllung mein hier ersoukter Restflakon ankommt, stellt sich heraus, dass er nicht etwa wie die Flakons von Compagnia delle Indie, die von Tesri d'Oriente oder auch die Montales aus Metall ist, sondern aus sehr schwerem, edel anmutendem Glas! Die Haptik ist dadurch unerwartet edel.

P.S.: Erst nachdem ich auf die Suche nach weiteren Informationen ging, erfuhr ich die schöne und passende Geschichte, die erzählt, wie dieser Duft die Kindheit des Parfumeurs in olfaktorisch wiedererlebbar machen soll.
Das ist gelungen!
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