26.04.2023 - 13:11 Uhr
Medusa00
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Der kleine, ganz große Grüne!
Oder sollte ich lieber schreiben : der kleine großartige Grüne?
Balmain war Lehrling bei Lucien Lelong und wollte sich später mit seinem Freund Christian Dior selbständig machen. Der konnte sich nicht entscheiden und so startete Balmain 1945 alleine durch und gründete seine eigene Modefirma. Er prägte einen Stil voller Charme und sachlicher Eleganz. Für Experimente in Sachen Mode hatte er nichts übrig.
Schon 1946 folgte, neben dem Couture Haus, die Firma der Balmain Parfums. Balmains Aussage zu Parfums war, daß sie für Eleganz viel wichtiger sind als Accessoires, Schmuck und Schuhe.
Mit Germaine Cellier holte er sich eine der wenigen weiblichen Parfumeurinnen der damaligen Zeit ins Haus. Sie war es auch, die mit Geschmackssicherheit und Wagemut einige seiner bekanntesten Düfte kreierte, u.a. auch den eleganten Leder-Chypre „Jolie Madame“.
Die Nachkriegsjahre waren sowieso die Aera der großen Chypres aller Couleur, egal ob blumig, ledrig,fruchtig, animalisch oder grün. Sie verdrängten damals die sehr blumigen, rosenbetonten Parfums.
Balmain beauftragte die mutige Germaine Cellier ein junges, freies, freches und unvernünftiges Parfum zu kreieren, welches in die neue Freiheit der Nachkriegsjahre paßte und die Emanzipation der Trägerinnen unterstrich.
Colette soll gesagt haben, daß dieser neue, grüne Duft den Teufelinnen von heute gefallen sollte.
Cellier machte sich frisch ans Werk und arbeitete schon in der Kopfnote mit viel Galbanum. Einige von Euch werden sich jetzt fragen wie Galbanum eigentlich riecht. Galbanum hat einen grünen, würzig-laubartigen Geruch mit waldigen, koniferigen und balsamischen Noten. Schon beim Auftragen fühlt man sich als hätte man sich mit grüner Seife geduscht, die kurz an Blumen vorbei gerutscht ist. Ach, ich liebe solche grünsauberen Düfte, welche der Umwelt signalisieren, bleib weg oder ich füttere Dich mit Gras oder binde Dich auf einer grünen Wiese an einem Pflock an mit einem Ring durch die Nase.
Cellier hat Wert darauf gelegt, daß der grüne Eindruck im Herzen erhalten bleibt und auch Basilikum mit eingearbeitet, welcher aber hier nicht aufgeführt ist, trotzdem aber die Süße der Blumen ausbremst, so daß nicht mal die Maiglocken betörend vor sich hinbimmeln können.
Iris an sich ist ja sowieso nicht sehr süß, pudert hier nicht und erspart sich ihren karottigen „Beischlaf“.
Ohne Moos nix los. Das konnte man 1947 noch sagen und verschwenderisch Eichenmoos einbauen. Moos? Das ist diese grüne, feuchte Zeug, welches Chypres den Rücken stärkt und sie überhaupt ausmacht. Zur Verstärkung läßt Vetiver seine Muskeln spielen und gibt noch eine Schippe grün dazu. Vergeßt Moschus und ich weiß auch gar nicht warum der oder auch harziges Styrax in der Pyramide steht? Cellier hat die Basis mit Sandelholz veredelt.
1947 als „Vent Vert“ auf den Markt kam, erschien auch „Ma Griffe“ von Carven. Wenn ich sie vergleiche, dann ist „Vent Vert“ fast schon weicher und eher hellgrün, als das ruppige, smaragdgrüne „Ma Griffe“.
Frei wie eine Frühlingsbrise sollte „Vent Vert“ sein und das war er auch.
Mit Dank an AnneSuse für die Dufterinnerung.
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