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Top Rezension
Grasland
Ich schreibe über diesen Duft - obwohl es schon so viele Meinungen hier gibt - weil er mich sehr beeindruckt hat, aber v.a. deshalb, weil ich ihn anders gewichtet wahrnehme als die überwiegenden Charakterisierungen hier. Ich möchte sozusagen eine weitere Facette hinzufügen bzw. einen Minderheiteneindruck stärken (v.a. den von Kovex, Rebirth2014, Yatagan {Minze!} und Mausebeer).
Denn dieser Duft ist für mich eine Graslandschaft. Weit und vielfältig. Zuerst wie direkt nach dem Schnitt im Sommer. Eine leicht schwüle, süßliche, würzige Aromatik ausdampfend. Ultrarealistisch. Im Grundton eher dunkelgrün. Kein Vergleich zu z.B. deutlich helleren und cleaneren Bel Respiro- oder Philosykos-Gräsern. Im Verlauf geschieht dann eine fast unmerkliche Transformation in eine wilde Sommerwiese. Weiter dunkelgrün-grasig, aber mit einer zunehmenden ätherisch-krautigen Minzeinflechtung, die leicht bitter ist (es wird der Thymian aus der Pyramide sein, der dem Graston später ebenbürtig ist), die ein Gefühl der Weite vermittelt und dem Duft eine wunderbar prägnante frische Facette verleiht und für mich der besondere Kniff an ihm ist. Dazu angedeutete blumige und erdige Nuancen und eine ganz dezente Rauchigkeit, die einer Vetiverrauchigkeit ähnelt. Zusammen entsteht so eine wunderschöne, komplexe, elegante Aromatik – wie die Melange, die im Sommer über einer Wiese liegt – und mich an das Tragegefühl (nicht den Geruch!) eines klassischen Vetiverdufts erinnert. Es gibt zwar auch olfaktorische Ähnlichkeiten, allerdings fehlt dem Fathom V hauptsächlich diese spezielle, oft etwas dumpfe Erdigkeit. Er wirkt durch den Thymian frischer, aber genauso erdverbunden. Mit dem Charakter wilden Grases, welches gerade soweit gezähmt wurde, dass es tragbar wird. Man spürt noch die urwüchsige Kraft dahinter. Dabei bleibt er trotz eines fast linearen Verlaufs in sich sehr beweglich. Zum Nachspüren gemacht. Am besten erhält er dafür Raum. Draußen merklich besser zur Geltung kommend als von Wänden begrenzt. Ernst. Ein bisschen melancholisch. Oder besser: den Menschen ab- und der Natur zugewandt. Kompromisslos in dieser Anlage. Es ist einer dieser Charakterdüfte, die unheimlich selbstverständlich erscheinen. Eine natürliche Autorität ausstrahlen. Es fehlt nichts und es ist nichts zu viel. Isolani beschreibt ihn so schön als „notwendigen Duft“. In verschiedenen Statements und Rezensionen kann man von Blumenläden, frisch angeschnittenen Stängeln, abgestandenem, brackigem Blumenwasser, unergründlichen Wassertiefen, Sumpf, feuchter Erde, Garten, Gewächshaus, welken, sterbenden oder im Gegensatz frisch aufgeblühten, „überreifen“ Weißblühern, Badezusatz, Schweiß, Sperma usw. lesen. Die Eindrücke demonstrieren die Komplexität des Dufts und ich kann sie fast alle – bis auf die letzten drei Assoziationen – irgendwie nachvollziehen, v.a. in den ersten Sekunden der Duftentwicklung, wenn er sich sammelt, aber bei mir steht sehr schnell der Graseindruck deutlich im Vordergrund. Wenn man den Duft hingegen in einen geschlossenen Raum sprüht oder auf einen Papierstreifen, kommen die salzigen, buchsbaumähnlichen, feuchtwürzigen Aspekte viel deutlicher heraus als auf meiner Haut. Dann ist er dem, was er laut der Marke – 2015 gegründet von The Prodigy-Schlagzeuger Leo Crabtree – sein soll, nämlich die Idee eines aquatischen Dufts, viel näher. Beaufort schreibt dazu auf ihrer Homepage (sinnhaft übersetzt):
„Ein Duft für die Unerschrockenen: Eine herausfordernde Sichtweise auf das, was „aquatisch“ wirklich bedeutet. Im Ausloten des Kontrasts zwischen dem Oben und Unten, Licht und Schatten, entwerfen wir den Zustand des ewigen Wechsels des Meeres – im konstanten Fluss zwischen ruhig und wild. Salz trifft Erde, funkelnde Kräuter mischen sich mit dunklen Moosen, strahlende blumige Noten treffen auf intensiv dunkle Gewürze und Pfeffer.“
Fathom ist übrigens ein alte britisch-nordamerikanische Maßeinheit für die Ermittlung der Wassertiefe. Der Bereich V (5) ist der, in dem ein menschlicher Körper den Wasserdruck gerade noch überleben kann. Was dieser Duft thematisch damit zu tun haben soll, erschließt sich mir aus seinem Geruchsprofil auf meiner Haut nicht. Er hat zwar etwas sehr urwüchsiges, wuchtiges (dazu passt, dass Beaufort selbst von einer „Überdosierung“ der Bestandteile spricht), ein Gefühl von etwas, das schon immer da gewesen ist, aber der Bezug zum Wasser fehlt mir. Die Eindrücke im geschlossenen Raum und auf dem Teststreifen kann ich gut mit einer Meeresnähe, der dort oft vorherrschenden salzig-feuchten-moosigen Luft, verbinden. Aber kein tiefes Unterwasserszenario, als dass ihn die Marke verstanden wissen will und die ihre Hauptinspiration dafür aus Shakespears „The Tempest“ (Der Sturm) bezieht.
Es ist ein etwas fordernder Duft, aber aus meiner Sicht sehr gut tragbar. Meine bevorzugte Richtung sind üblicherweise cleane, frische, grünzitrische Parfums. Dass ich diesen als sehr tragbar empfinde, hat vor dem Hintergrund sicherlich eine gewisse Aussagekraft. Ich mag aber auch – außerhalb dieser Vorliebe – z.B. Naomi Goodsirs „Nuit de Bakélite“. Er geht ein bisschen in diese dunkle, dichte, pflanzlich-grüne Richtung, ist aber merkbar heller und etwa dreiviertel intensiv. Der prominente Thymian ist sicher der Bestandteil, der ihn für mich so tragbar macht. Damit steht er auch in der typisch britischen Dufttradition grüner Düfte, die eine herbfrische Krautigkeit ausstrahlen.
Insgesamt mein bisher liebster von Gras dominierter Duft. Extrem spannend und faszinierend. Ungemein überzeugend entworfen. Und vielleicht eine Vetiveralternative für Leute, die die naturverbundene Vornehmheit dieses Bestandteils mögen, aber mit dem Geruchsprofil nicht so zurecht kommen (wie ich).
Denn dieser Duft ist für mich eine Graslandschaft. Weit und vielfältig. Zuerst wie direkt nach dem Schnitt im Sommer. Eine leicht schwüle, süßliche, würzige Aromatik ausdampfend. Ultrarealistisch. Im Grundton eher dunkelgrün. Kein Vergleich zu z.B. deutlich helleren und cleaneren Bel Respiro- oder Philosykos-Gräsern. Im Verlauf geschieht dann eine fast unmerkliche Transformation in eine wilde Sommerwiese. Weiter dunkelgrün-grasig, aber mit einer zunehmenden ätherisch-krautigen Minzeinflechtung, die leicht bitter ist (es wird der Thymian aus der Pyramide sein, der dem Graston später ebenbürtig ist), die ein Gefühl der Weite vermittelt und dem Duft eine wunderbar prägnante frische Facette verleiht und für mich der besondere Kniff an ihm ist. Dazu angedeutete blumige und erdige Nuancen und eine ganz dezente Rauchigkeit, die einer Vetiverrauchigkeit ähnelt. Zusammen entsteht so eine wunderschöne, komplexe, elegante Aromatik – wie die Melange, die im Sommer über einer Wiese liegt – und mich an das Tragegefühl (nicht den Geruch!) eines klassischen Vetiverdufts erinnert. Es gibt zwar auch olfaktorische Ähnlichkeiten, allerdings fehlt dem Fathom V hauptsächlich diese spezielle, oft etwas dumpfe Erdigkeit. Er wirkt durch den Thymian frischer, aber genauso erdverbunden. Mit dem Charakter wilden Grases, welches gerade soweit gezähmt wurde, dass es tragbar wird. Man spürt noch die urwüchsige Kraft dahinter. Dabei bleibt er trotz eines fast linearen Verlaufs in sich sehr beweglich. Zum Nachspüren gemacht. Am besten erhält er dafür Raum. Draußen merklich besser zur Geltung kommend als von Wänden begrenzt. Ernst. Ein bisschen melancholisch. Oder besser: den Menschen ab- und der Natur zugewandt. Kompromisslos in dieser Anlage. Es ist einer dieser Charakterdüfte, die unheimlich selbstverständlich erscheinen. Eine natürliche Autorität ausstrahlen. Es fehlt nichts und es ist nichts zu viel. Isolani beschreibt ihn so schön als „notwendigen Duft“. In verschiedenen Statements und Rezensionen kann man von Blumenläden, frisch angeschnittenen Stängeln, abgestandenem, brackigem Blumenwasser, unergründlichen Wassertiefen, Sumpf, feuchter Erde, Garten, Gewächshaus, welken, sterbenden oder im Gegensatz frisch aufgeblühten, „überreifen“ Weißblühern, Badezusatz, Schweiß, Sperma usw. lesen. Die Eindrücke demonstrieren die Komplexität des Dufts und ich kann sie fast alle – bis auf die letzten drei Assoziationen – irgendwie nachvollziehen, v.a. in den ersten Sekunden der Duftentwicklung, wenn er sich sammelt, aber bei mir steht sehr schnell der Graseindruck deutlich im Vordergrund. Wenn man den Duft hingegen in einen geschlossenen Raum sprüht oder auf einen Papierstreifen, kommen die salzigen, buchsbaumähnlichen, feuchtwürzigen Aspekte viel deutlicher heraus als auf meiner Haut. Dann ist er dem, was er laut der Marke – 2015 gegründet von The Prodigy-Schlagzeuger Leo Crabtree – sein soll, nämlich die Idee eines aquatischen Dufts, viel näher. Beaufort schreibt dazu auf ihrer Homepage (sinnhaft übersetzt):
„Ein Duft für die Unerschrockenen: Eine herausfordernde Sichtweise auf das, was „aquatisch“ wirklich bedeutet. Im Ausloten des Kontrasts zwischen dem Oben und Unten, Licht und Schatten, entwerfen wir den Zustand des ewigen Wechsels des Meeres – im konstanten Fluss zwischen ruhig und wild. Salz trifft Erde, funkelnde Kräuter mischen sich mit dunklen Moosen, strahlende blumige Noten treffen auf intensiv dunkle Gewürze und Pfeffer.“
Fathom ist übrigens ein alte britisch-nordamerikanische Maßeinheit für die Ermittlung der Wassertiefe. Der Bereich V (5) ist der, in dem ein menschlicher Körper den Wasserdruck gerade noch überleben kann. Was dieser Duft thematisch damit zu tun haben soll, erschließt sich mir aus seinem Geruchsprofil auf meiner Haut nicht. Er hat zwar etwas sehr urwüchsiges, wuchtiges (dazu passt, dass Beaufort selbst von einer „Überdosierung“ der Bestandteile spricht), ein Gefühl von etwas, das schon immer da gewesen ist, aber der Bezug zum Wasser fehlt mir. Die Eindrücke im geschlossenen Raum und auf dem Teststreifen kann ich gut mit einer Meeresnähe, der dort oft vorherrschenden salzig-feuchten-moosigen Luft, verbinden. Aber kein tiefes Unterwasserszenario, als dass ihn die Marke verstanden wissen will und die ihre Hauptinspiration dafür aus Shakespears „The Tempest“ (Der Sturm) bezieht.
Es ist ein etwas fordernder Duft, aber aus meiner Sicht sehr gut tragbar. Meine bevorzugte Richtung sind üblicherweise cleane, frische, grünzitrische Parfums. Dass ich diesen als sehr tragbar empfinde, hat vor dem Hintergrund sicherlich eine gewisse Aussagekraft. Ich mag aber auch – außerhalb dieser Vorliebe – z.B. Naomi Goodsirs „Nuit de Bakélite“. Er geht ein bisschen in diese dunkle, dichte, pflanzlich-grüne Richtung, ist aber merkbar heller und etwa dreiviertel intensiv. Der prominente Thymian ist sicher der Bestandteil, der ihn für mich so tragbar macht. Damit steht er auch in der typisch britischen Dufttradition grüner Düfte, die eine herbfrische Krautigkeit ausstrahlen.
Insgesamt mein bisher liebster von Gras dominierter Duft. Extrem spannend und faszinierend. Ungemein überzeugend entworfen. Und vielleicht eine Vetiveralternative für Leute, die die naturverbundene Vornehmheit dieses Bestandteils mögen, aber mit dem Geruchsprofil nicht so zurecht kommen (wie ich).
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