Delicate Boadicea the Victorious

Über Delicate sind drei florale Duftnoten bekannt, und ich würde es mal wagen, hier nicht die Rose, vielleicht etwas Jasmin, aber vor allem die Narzisse im Mittelpunkt zu sehen. Nicht dass ich ganz genau wüsste, wie die riecht - man hätte hier auch tahitianische Sumpforchidee hinschreiben können, das würde ich auch glauben. Es ist eben ein floraler Akkord, der sich nicht sofort als alter Bekannter ausweist.

Bei floralen Parfums denken wir an Zartheit, Lieblichkeit, je nachdem vielleicht auch damenhafte Eleganz. Das alles ist Delicate nicht, ganz im Gegenteil. Die florale Note, mit der sich Delicate vorstellt, ist laut und betörend, ziemlich fett und fast Fliegen anziehend. Darunter liegt noch anderes, was teilweise orientalische Anklänge erzeugt. Ich vermute vielleicht ein wenig Myrrhe, wegen der opulenten Breite. Doch gibt es auch eine gewisse frische Schärfe, die dagegenhält, eine medizinische Note, oder auch etwas schwarze Schuhcreme.

Delicate taugt überhaupt nichts direkt auf der Haut, da bleibt es so verworren wie vorstehend skizziert. Doch in etwas Abstand davon tritt - wenn man ihm etwas Zeit zur Entwicklung gibt - eine Art dunkle Moschusnote hervor. Also nicht die übliche seifige Cremigkeit, oder jedenfalls nicht nur. Es wäre eher die Form von Moschus (wenn es denn Moschus ist), die man in diversen maskulinen Parfums vorfindet, und der auch etwas Alkoholisches anhaftet. Ich rieche darin eine Ähnlichkeit mit Rodier pour Homme, einem von mir wegen genau dieser Note geschätzten Parfum.

Das ist nun eine unerwartete Entwicklung für einen floralen Duft. Delicate zeigt sich als Beitrag Boadicea the Victorious zum Thema „Blumen für den Mann“, zu dem sich ja nicht allzu viele Marken äußern. Ob das auch für Damen tragbar wäre, will ich nicht kategorisch beurteilen, aber ich habe Zweifel. Jedenfalls entwickelt sich Delicate zunehmend in eine aromatische Richtung, gebärdet sich wie ein maskulines Power-Parfum aus vergangenen Zeiten. Und immer wieder hauen die Blumen dazwischen und machen Delicate zu einer außer- und ungewöhnlichen Dufterfahrung.

Ich bin hin- und hergerissen. Ich mag diese etwas alkoholische und aromatische Richtung, die der vermutete Moschus einschlägt, doch andererseits finde ich Delicate sehr laut. Die Kombination mit den ziemlich durchdringenden floralen Noten ist verwegen und hat meine volle Sympathie. Der Gegensatz Blumen - aromatische Noten trägt den Duft, das genau ist es! Ich würde ihn deshalb zwar nicht als einfach bezeichnen, aber auch nicht als sonderlich subtil, und sicher auch weniger komplex als solche überbordenden Aromatics wie Kouros, Marbert Man oder vielleicht auch Azzarro. Delicate setzt genau einen Gedanken um und ist darin sehr gradlinig.

Aber ich kann mich heute nicht entscheiden, ob ich es wirklich tragen würde. Delicate ist eben etwas experimentell, was einem Nischenduft grundsätzlich gut ansteht. Delicate kommt mir absonderlich und fremd vor, doch sicher ist er es Wert, dass man sich gründlicher auseinandersetzt. Vielleicht braucht es eine Kennenlernphase, bis Delicate verfängt.