21.02.2019 - 16:10 Uhr
Profumo
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Profumo
Top Rezension
41
Weniger wäre mehr gewesen
Wow, dieser Duft ist ein echter Kracher: volltönend, vielstimmig, ausdauernd und von schwerer Textur, um nicht zu sagen: fett.
Vor Jahren, als von mir bejubelte Düfte nicht laut und opulent genug sein konnten, hätte mich ‚Mem’ vollends begeistert. Aber seither haben sich meine Vorlieben etwas verändert und ich bevorzuge schlankere, im Allgemeinen auch dezentere Düfte. ‚Mem’ aber ist genau das Gegenteil. Ein derart gewaltig orchestrierter Duft ist mir seit langem nicht mehr unter die Nase gekommen. Dutzende Akkorde schwirren lauthals durcheinander, übertönt von einem dröhnenden Dreiklang aus Lavendel, Honig und animalischen Essenzen.
Aber, und das muss ich wirklich betonen: aller Kakophonie und allem Übergewicht zum Trotz: ‚Mem’ riecht gut, verdammt gut.
Allerdings muss man Düfte wie ‚Jicky’, ‚Miel de Bois’ und ‚Kouros’ mögen. Polarisierende Düfte, hauptsächlich ihrer tierischen Ausdünstungen wegen, die zuverlässig Assoziationen von Klosteinen oder vollen Babywindeln hervorrufen. Die animalische Seite von ‚Mem’ ist aber meiner Ansicht nach ausgesprochen zivilisiert geraten, erst recht verglichen mit Düften wie ‚Leather Oud’ oder ‚Figment Man’. Vermutlich ist sie jedoch für viele, für sehr viele sogar, schon nicht mehr tolerierbar. Zumal der Honig-Akkord, der relativ wenig Süße entwickelt, diesem tierischen Dunst eine gewisse Schwüle verleiht, die bei größerer Intensität sicher atemverschlagend wäre. So aber, kunstvoll kalibriert, empfinde ich sie nicht nur als gerade noch erträglich, sondern als ausgesprochen erotisch.
War der hochgepriesene Vorgängerduft ‚Maai’ der Versuch die großen animalischen Chypres der Vergangenheit in einer Neuinterpretation wieder aufleben zu lassen, so ist ‚Mem’ der Versuch den alten Fougère-Schlachtrössern wie ‚Jicky’, über ‚Pour un Homme de Caron’, ‚Zizanie’, ‚Brut’ bis hin zu ‚Kouros’ einen würdigen Nachfolger zur Seite zu stellen. Und ja, dieser Versuch ist geglückt. ‚Mem’ ist mit seinen vielen Bezügen in die Vergangenheit, ein Retro-Duft 'par excellence'. Allerdings einer, der sich nicht damit begnügt ein gut gemachter Wiedergänger einer allseits bekannten Legende sein zu wollen, sondern einer, der einen eigenen Charakter entwickelt, ein modernes Gesicht. Ihn jedoch, wie manche es tun, als modernen Duft zu bezeichnen, so weit würde ich nicht gehen. Zu deutlich standen gerade ‚Jicky’ (Lavendel-Vanille-Konfekt), ‚Miel de Bois’ (unsüßer, holzig-aromatischer Honig) und ‚Kouros’ (die fast exzessive Verwendung der Base ‚Animalis’) Pate.
Alles in allem ein überaus gelungener Duft, allerdings für mein Empfinden ein bisschen ‚over the top’. Zuviel des Guten in vielerlei Hinsicht. Ich wünschte ihn mir kleiner dimensioniert, dezenter, und ja, auch weniger langanhaltend. Morgens aufgesprüht ist der Duft abends noch in einer derartigen Intensität wahrnehmbar, dass man erschöpft ausrufen möchte: Aus, Ende, es reicht!
Aber ‚Mem’ erlöst den Träger nicht, hat er den Duft auch noch so homöopathisch dosiert, sondern ringt ihn langsam aber sicher nieder.
Fazit: toll, aber weniger wäre wirklich mehr gewesen.
Nachtrag, Sept. 2020:
'Mem' ist zwischenzeitlich zu einem meiner Favoriten avanciert. Vermutlich der Beschäftigung mit 'Maai', 'Douleur' und 'T-Rex' geschuldet, habe ich die Gardoni-DNA schätzen und lieben gelernt. Immer noch sind seine Düfte keine solchen, die man einfach so wählt, weil man sich für keinen anderen entscheiden kann. Gardoni-Düfte sind starke Charaktere, die man phasenweise aushalten muss, hat man sich einmal für sie entschieden. Das kostet Kraft, und manchmal auch Nerven, ist aber sehr inspirierend!
Vor Jahren, als von mir bejubelte Düfte nicht laut und opulent genug sein konnten, hätte mich ‚Mem’ vollends begeistert. Aber seither haben sich meine Vorlieben etwas verändert und ich bevorzuge schlankere, im Allgemeinen auch dezentere Düfte. ‚Mem’ aber ist genau das Gegenteil. Ein derart gewaltig orchestrierter Duft ist mir seit langem nicht mehr unter die Nase gekommen. Dutzende Akkorde schwirren lauthals durcheinander, übertönt von einem dröhnenden Dreiklang aus Lavendel, Honig und animalischen Essenzen.
Aber, und das muss ich wirklich betonen: aller Kakophonie und allem Übergewicht zum Trotz: ‚Mem’ riecht gut, verdammt gut.
Allerdings muss man Düfte wie ‚Jicky’, ‚Miel de Bois’ und ‚Kouros’ mögen. Polarisierende Düfte, hauptsächlich ihrer tierischen Ausdünstungen wegen, die zuverlässig Assoziationen von Klosteinen oder vollen Babywindeln hervorrufen. Die animalische Seite von ‚Mem’ ist aber meiner Ansicht nach ausgesprochen zivilisiert geraten, erst recht verglichen mit Düften wie ‚Leather Oud’ oder ‚Figment Man’. Vermutlich ist sie jedoch für viele, für sehr viele sogar, schon nicht mehr tolerierbar. Zumal der Honig-Akkord, der relativ wenig Süße entwickelt, diesem tierischen Dunst eine gewisse Schwüle verleiht, die bei größerer Intensität sicher atemverschlagend wäre. So aber, kunstvoll kalibriert, empfinde ich sie nicht nur als gerade noch erträglich, sondern als ausgesprochen erotisch.
War der hochgepriesene Vorgängerduft ‚Maai’ der Versuch die großen animalischen Chypres der Vergangenheit in einer Neuinterpretation wieder aufleben zu lassen, so ist ‚Mem’ der Versuch den alten Fougère-Schlachtrössern wie ‚Jicky’, über ‚Pour un Homme de Caron’, ‚Zizanie’, ‚Brut’ bis hin zu ‚Kouros’ einen würdigen Nachfolger zur Seite zu stellen. Und ja, dieser Versuch ist geglückt. ‚Mem’ ist mit seinen vielen Bezügen in die Vergangenheit, ein Retro-Duft 'par excellence'. Allerdings einer, der sich nicht damit begnügt ein gut gemachter Wiedergänger einer allseits bekannten Legende sein zu wollen, sondern einer, der einen eigenen Charakter entwickelt, ein modernes Gesicht. Ihn jedoch, wie manche es tun, als modernen Duft zu bezeichnen, so weit würde ich nicht gehen. Zu deutlich standen gerade ‚Jicky’ (Lavendel-Vanille-Konfekt), ‚Miel de Bois’ (unsüßer, holzig-aromatischer Honig) und ‚Kouros’ (die fast exzessive Verwendung der Base ‚Animalis’) Pate.
Alles in allem ein überaus gelungener Duft, allerdings für mein Empfinden ein bisschen ‚over the top’. Zuviel des Guten in vielerlei Hinsicht. Ich wünschte ihn mir kleiner dimensioniert, dezenter, und ja, auch weniger langanhaltend. Morgens aufgesprüht ist der Duft abends noch in einer derartigen Intensität wahrnehmbar, dass man erschöpft ausrufen möchte: Aus, Ende, es reicht!
Aber ‚Mem’ erlöst den Träger nicht, hat er den Duft auch noch so homöopathisch dosiert, sondern ringt ihn langsam aber sicher nieder.
Fazit: toll, aber weniger wäre wirklich mehr gewesen.
Nachtrag, Sept. 2020:
'Mem' ist zwischenzeitlich zu einem meiner Favoriten avanciert. Vermutlich der Beschäftigung mit 'Maai', 'Douleur' und 'T-Rex' geschuldet, habe ich die Gardoni-DNA schätzen und lieben gelernt. Immer noch sind seine Düfte keine solchen, die man einfach so wählt, weil man sich für keinen anderen entscheiden kann. Gardoni-Düfte sind starke Charaktere, die man phasenweise aushalten muss, hat man sich einmal für sie entschieden. Das kostet Kraft, und manchmal auch Nerven, ist aber sehr inspirierend!
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