NannyPlum
Top Rezension
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Neugier tötete die Katze
Wer wild darauf ist, echten Moschus zu riechen, sollte mal eine Bootsfahrt auf dem Adelaide River im Northern Territory machen. Und zwar dann, wenn die Leistenkrokodile in der Brunst sind. Die Moschusdrüse der Männchen ist nicht von schlechten Eltern. Man braucht ein wenig Phantasie und/oder Vertrauen in die Parfumeurskunst um sich vorzustellen, dass normale Menschen diese absonderliche Absonderung in Cremes, Seifen und Parfums mischen, diese mit Freude auf der eigenen Haut verreiben und das Zeug auch noch wie verrückt verkaufen. Der Geruch ist nicht schön, allein ich muss bekennen: Ich bin angefixt von Moschus. Wenn „Musk“ auf der Flasche steht, greife ich reflexartig zum Tester, ungezählte Enttäuschungen konnten diesen Pawlowschen Reflex nicht löschen. Irrwitzig, was so alles als Moschusduft angepriesen wird, vom Moschusblümelweichspülerduft bis hin zur Hippiebrause.
Jetzt sind also auch die von Bond auf die Idee gekommen, diese geheimnisvolle Substanz supernatürlich in Szene zu setzen. Auf der Bond-Homepage wird angedeutet, dass in „Musk“ synthetischer Moschus als Schlüsselakkord eingebaut ist. Das ist keine Selbstverständlichkeit mehr, zumal vor allem in arabischen Parfums echter Moschus wieder sehr populär sein soll. Wie auch immer, die Hand greift zum Tester. Obwohl mir für einen ausgiebigen Testnachmittag nur ca. 2 Quadratmeter Haut zur Verfügung stehen und ein bestimmter Teil davon auch nur bedingt, beginne ich gleich mit ein paar beherzten Sprühern in die Armbeuge. Hui, was ist denn da so prickelnd grün? Wenn ich raten darf, würde ich sagen, dass ich Vetiver, schön erdig, wenngleich erst für die Basisnote angegeben, mit ganz, ganz herber Grapefruit rieche – obwohl da ja Grapefruitblüte steht? Das ist eine sehr verwirrende Mischung und so geht es auch weiter. Der ganz besonders interessante Schweppes-Effekt lässt nach und weicht etwas Süßerem. Ich kann keine einzige Note benennen, ausgeschlossen, auch bei größter Konzentration nicht. Ich habe terra incognita betreten, für mich zumindest.
Während ich noch dastehe und die Bond-Broschüre zu Rate ziehe sind fünf Minuten vergangen und plötzlich, aus dem Hinterhalt, greift ein ausgewachsenes Leistenkrokodilmännchen an. Es muss gerade eine ganze Palette Sécrétions Magnifiques verschlungen haben. Mir wird ganz azuronschwummerig und der Daseinszweck von Teststreifen erschließt sich mir mit Wucht. Wer die SM kennt, kann sich „Musk“ von Bond wie eine grün-erdige und körpernahe Version der berühmten milchig-fettigen Sekrete vorstellen. Auf meiner Haut stinkt der EldO-Duft zehn Meter gegen den Wind, bei „Musk“ muss man näher ran, etwa einen halben Meter. Das ist ein wichtiger Faktor. Wie wichtig, das merkt man erst, wenn man es ausprobiert hat und noch beabsichtigt ein öffentliches Verkehrsmittel zu benutzen.
Sobald das Azuron seine volle Wirkung entfaltet hat, ist es schwierig noch etwas anderes wahrzunehmen. Zum einen, weil es so offensichtlich überdosiert ist, dass es alle anderen Nuancen förmlich zubetoniert. Zudem ist es in dieser Menge so abstoßend, dass ich es nur mit Überwindung und dann auch nur sehr kurz geschafft habe, an meiner Armbeuge zu schnuppern. Zu „Musk“ im Azuronstadium ließe sich noch viel schreiben, leider nur Unappetitliches, daher kann ich nur jeden auffordern, diesen Duft mal zu testen. Eine interessante Erfahrung macht man mit ihm auf jeden Fall. Was wohl die New Yorker zu „Musk“ gesagt haben, soll er doch eine weitere Liebeserklärung an die Stadt und ihre Bewohner sein?
Ach ja, mit dem Geruch liebestoller Krokodile hat er übrigens nicht viel gemeinsam.