Wode
Wode - Scent
2008

Ronin
18.02.2018 - 14:21 Uhr
7
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft

Keltische Krieger im Kunstunterricht (Meine Highlights 2017 2/3)

Im Rückblick, welche Düfte mich 2017 am meisten beeindruckt haben, ist unter den dreien die geringste Überraschung wohl "Wode": laut bisherigen Kommentaren ein animalisches Biest von Geza Schön. Mit dessem typischen Stil kann ich sehr viel anfangen. Die Transparenz. Der sichere, elegante Pinselstrich, ohne dick aufzutragen. Dabei – im Unterschied zu den oft etwas arg apollinischen Parfums Jean-Claude Ellenas – cool und lässig. Was ich bisher noch nicht von Geza kannte ist ein dichtes, animalisches Machwerk. Nun habe ich eh eine Schwäche für animalische Parfums. Es mag Abstumpfung sein, aber Parfums, vor denen viele mit Hinweis auf Sekret, Exkret oder Exkrement schreiend davon laufen, finde ich meist nicht schlimm. Sondern interessant.

Und wie animalisch ist nun "Wode"? Zu animalisch? Und: funktioniert das, Geza Schöns transparenter Stil und viel Animalik? Also näherte ich mich den Duft von der Basis – und so ist auch der Kommentar strukturiert, von Basis über Herz zu Kopf. Obwohl – "Wode" zeigt keinen deutlichen Verlauf und alles ist immer zu riechen. Nur die Proportionen verschieben sich leicht.

Also: zu animalisch? Mitnichten. Harzig und dicht, viel Styrax und Labdanum. Animalisch? Für mich nur ein wenig. Ich würde sagen: menschlich. Dabei sehr tief, ohne wirklich in Gefahr zu sein, abzugleiten. Diesen Effekt der Tiefe, die gleichzeitig gehoben wird (ich kann es nicht besser beschreiben), habe ich häufiger bei Parfums mit viel Castoreum. Ich empfinde dieses kaum animalisch und das erklärt vermutlich die unterschiedliche Wahrnehmung des Ausmaßes tierischer Gerüche.
Wichtiges Element von "Wode" ist die Tuberose, und zwar kein überbordend süßes, sonst eher nettes Gabrielasabatinigabriellechanelletuberöschen, sondern eine TUBEROSE. Tuberose ist für mich der kaum zu bändigende, fast grotesk überzeichnete Weißblüher: süßkaugummiartiger als Orangenblüte, indolischanimalischer als Jasmin, dabei das Sämig-Dicke der Weißblüher geradezu wie rohes Fleisch wirkend. Dazu noch grün, holzig und an Autoreifengummi erinnernd. Man kann Tuberose herunterdimmen, einfach das Spielfeld überlassen ("Fracas") oder Kontraste setzen ("XPEC Original"). Oder man greift alle Aspekte der Tuberose auf, um damit etwas ganz anderes darzustellen.
Und so kommen wir zum eigentlichen zentralen Geruchseindruck von "Wode": Farbe. Zunächst dachte ich Ölfarbe. Dispersionsfarbe? Nein, auch nicht ganz. Sondern Deckweiß: die Tuben, die Teil der Tuschkästen meiner Schulzeit waren. Obwohl Kunstunterricht wahrlich nicht mein Lieblingsfach war, mag ich den Geruch sehr gern: angenehm synthetisch. Süß und frisch gleichzeitig. Schaue ich in die Pyramide, vermute ich, dass die gummiartigen Aspekte der Tuberose (also Autoreifen und Kaugummi) mit medizinischer Angelika und noch einigem anderen diesen Eindruck hervorruft. Die anderen Aspekte der Tuberose überlagern sich dann mit der harzig-holzig-animalischen Basis, ohne dass die ausgeprägte Blumigkeit und Süße überhaupt zu bemerken ist. "Wode" ist ein Parfum mit viel Tuberose. Aber kein Tuberosenduft, eben weil sie hier nur Mittel zum Zweck ist.
In Summe rieche ich Farbe plus harzige Basis. Und zwar ändert sich der Eindruck kaum über Stunden. Ist dieser Farbeindruck gewollt oder rieche ich das nur?
Ich denke ersteres. Julius Caesar höchstpersönlich bestätigt meinen Eindruck in seinen Ausführungen zu den Britanniern in "De Bello Gallico": "(…) omnes vero se Britanni vitro inficiunt, quod caeruleum efficit colorem, (…)" ("(…) Alle Britannier hingegen färben sich mit Waid blaugrün, wodurch sie in den Schlachten um so furchtbar aussehen; (…)"). Vitrum, zu deutsch Färberwaid, keltisch Woad, anglisiert Wode, war von Antike bis ins Mittelalter weit verbreitet. Daraus wurde mittels Fermentation unter Zusatz von Urin (animalisch, Castoreum, s.o.!) ein blauvioletter Farbstoff gewonnen. Ganz sicher war dies der blaue Farbstoff für Leinen, eignete sich aber auch als Holzschutzmittel für Innenräume. Die Verwendung zur Körperbemalung ist nicht gesichert, da es kaum Quellen außer Caesar gibt. Dies hielt aber weder Antoine Fuqua in "King Arthur" noch Mel Gibson in "Braveheart" davon ab, Kelten – egal, ob Britannier im 5. oder Schotten im 13. Jahrhundert – blaubemalt in die Schlacht zu schicken. Glauben wir nun Caesar, dann wäre das britannische Heer unter Führung Boudiccas bzw. Boadiceas, das 60 und 61 n. Chr. einen Aufstand gegen die römische Besatzung wagte, ebenfalls blaubemalt in die Schlacht gezogen. Und hätte wahrscheinlich nicht immer wie frisch geduscht gerochen.
Als "Wode" 2008 herausgebracht wurde, war Farbe und Färben das zentrale Thema der Präsentation: ein Flakon in Form einer Spraydose, die Variante "Wode – Paint" mit einem blauen Farbstoff versetzt, der sich erst nach einiger Zeit auf der Haut entfärbte. Und Geza Schön wäre nicht Geza Schön, wenn er dies nicht olfaktorisch übersetzt hätte in einen Geruch, der nicht Färberwaid entsprechen muss, sondern universell mit dem Eindruck "Farbe" assoziiert wird. Das ist ihm sehr gut gelungen, finde ich.

Kann man so ein Parfum überhaupt tragen? Ja, unbedingt. Es ist sehr ungewöhnlich, aber strengt nicht an und Geza Schön scheint ein Händchen dafür zu haben, dass auch Konzeptdüfte als normales Parfum verwendet werden können („Paper Passion“ z.B.).

Nur Mut. Und Unvoreingenommenheit.
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