Brioni 2021 Eau de Parfum

Version von 2021
MajorTom
29.05.2021 - 08:11 Uhr
7
Hilfreiche Rezension
9
Preis
9
Flakon
9
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft

Großer Name, großer Duft?

Wer immer sich auch nur ansatzweise mit Mode beschäftigt, wird früher oder später über den Namen Brioni stolpern. Das in Rom gegründete Herrenmode-Label hat schon einen fast legendären Ruf, wenn es um erstklassige Anzüge und Accessoires geht, sowohl hinsichtlich der verwendeten Materialien wie auch in punkto Verarbeitung. Ich bestätige gerne, dass alles top notch ist, aber auch ein Gürtel für 800 Euro bleibt am Ende des Tages „nur“ ein Gürtel. Und auch ein Anzug für 5.000 Euro geht irgendwann kaputt, vielleicht aufgrund der verwendeten feinsten Garne sogar noch einen Tick früher als ein Pendant für 1.000 Euro. Ob man sich also solchen Luxus leisten will (und kann!!!), sei vollkommen wertneutral dahingestellt.

Und nun also ein neues Eau de Parfum, welches jeden Anzugträger noch ein Stück weiter von seinen Artgenossen differenzieren soll. Beworben als DER Businessduft schlechthin, der einen noch erfolgreicher macht? Werbeslogans hin, Markenname her, auf jeden Fall steigt meine Erwartungshaltung ins Unermessliche und als ich die Flasche in der Hand halte und den Finger auf den Sprühtaster lege, bin ich extrem auf den Flaschengeist, der sich sogleich entfalten soll, gespannt.

Zweimal sprühen sollte für ein Eau de Parfum voll ausreichend sein. Als ich mein Handgelenk nach oben führe, prallt meine Nase entsetzt zurück. Eine Ambroxanbombe ist explodiert und versucht, meine Nasenschleimhaut zu verätzen. Ich habe viel erwartet, finde diesen Auftakt aber einfach nur widerlich. Ich kann es nicht fassen, wage eine vorsichtigen zweiten Versuch, leider mit dem gleichen Ergebnis. Ein sofortiger Abwaschreflex erfasst mich, aber ich widerstehe ihm tapfer, kann es doch nicht sein, dass eine Marke wie Brioni einen dermaßen groben Fehlgriff auf die Beine stellt?!? Vielleicht ist der Preis von 80 Euro, wenngleich alles andere als billig, ein böses Omen gewesen, denn entsprechend allen anderen Produkten dieses Hauses hätte ich auch bei 200 Euro nicht gezuckt, wäre es die Ware denn wert.

Immerhin, die Sillage ist gewaltig, auch nach drei Stunden werde ich sofort (wenngleich nicht direkt) angesprochen. „Oha, was riecht hier denn, da hat sich jemand eingenebelt...“ - „was riecht hier eigentlich?“

Mittlerweile bin ich froh, dem Duft die Chance zur Entwicklung gegeben zu haben, zumal sich das Ambroxan auf ein verkraftbares und vertretbares Level reduziert hat. Insgesamt vernehme ich eine Reise in Richtung einer kühlen Frische und einem elegant holzigen Beiwerk, was nach und nach den Duft doch recht exklusiv wirken lässt, weil ich so in dieser Konstellation keinen zweiten kenne. Mit dem Laufe der Stunden entwickelt sich Brioni weiter, bekommt einen etwas arroganten und sehr speziellen Touch, der mir gut gefällt, der definitiv zu einem Anzugträger passt und der der schließlich auch seinem Business-Charakter entspricht.

Ich gehe sogar soweit, ihn als die feinere, subtilere und gefälligere Variante zu Montblanc`s Explorer zu sehen, auch bei diesem dominiert ja das Ambroxan, allerdings deutlich stärker und schiebt diesen somit in eine aktuell gefragte und modische Ecke. Brioni hingegen wird auch Ansprüchen einer Business-Generation gerecht, die in ihrem Leben schon etwas erreicht hat und sich dementsprechend auch mal mit einem passen Duft belohnt respektive das Outfit abrunden möchte.

Dennoch: Der Auftakt geht für mich überhaupt nicht. Zum Glück hat man ja den Weg in die Arbeit, der es ermöglicht, den Duft „setteln“ zu lassen, um nicht andere im direkten Umfeld zu erschlagen. Und ganz ehrlich, wenn man mir die Flasche ohne Schriftzug in die Hand gegeben hätte, wäre ich auf Brioni gekommen? Im Leben nicht.

Wenn ich also ein Resümee ziehe, dann dieses: Ein Duft, der seinem großen Namen nur ansatzweise gerecht wird. Der sich mit der Zeit entwickelt, dann durchaus zum Guten, der aber aufgrund des sehr synthetischen Mixes nicht vollständig zur Marke Brioni passt. Haltbarkeit ordentlich, bringt einen durch den Tag; Sillage anfänglich brutal, danach immer noch deutlich wahrnehmbar, nach etwa vier Stunden nachlassend, aber da ist das Büro dann schon mit einer für den Rest des Tages ausreichenden Duftnote markiert. Der Flakon wiederum passt zu Brioni: Zurückhaltend, elegant, in dezentem Rauch-blau gehalten, der Sprüher mit dem Magnetverschluss optisch wie haptisch hervorragend. Preis-Leistung okay.
Unter dem Strich habe ich deutlich mehr erwartet, aber als Alternative zum generellen Mainstream zumindest eine Testempfehlung wert.
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