My Cup of Tea - 5 o'clock

Gold
19.01.2022 - 19:36 Uhr
56
Top Rezension
10
Preis
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft

Trost - Tässchen

Du sitzt in Deinem in die Jahre gekommenen Auto und es springt nicht an.
Januar ist ein ätzender Monat, Weihnachten ist vorbei, du bist drei Kilo schwerer, dreimal geimpft und mega-genervt von der Maske, unter der du grundsätzlich roten Lippenstift trägst.
Im Supermarkt verkaufen sie schon Faschingskrapfen und Luftschlangen, aber deine Schwester in Köln ist noch schlechter drauf als du und will dich nicht sehen. Okay, machst du wieder auf "Stay at home" und gehst deine Parfumsammlung durch, wozu hat frau denn ein Hobby.
Deine Düfte sind zum größten Teil strahlende Juwele und geile Wummser, Klassiker und Schönheiten, die ausgeführt werden wollen. Oder es sind strenge, grüne Chypres, die perfekt zu Deiner Arbeit passen, nur leider läuft es gerade wieder auf ein weiteres online-teaching Semester hinaus, wozu also diese Überlegungen.
Was du momentan brauchst, ist ein unkomplizierter, einfacher Duft, der weder herausfordert noch mit seiner Eleganz, Erotik oder gar seiner Partylaune Stimmungen evoziert, die Du gerade nicht passend findest.
Doch da du eine Teeliebhaberin bist, gibt es zur Zeit einen perfekten Duft, der dich gut durch den Tag trägt. Er kommt aus Russland und heißt "My Cup of Tea : Five o'clock". Die 1994 wiederbelebte Marke Brocard hat ihn in Zusammenarbeit mit zwei erfahrenen Parfümeuren entwickelt, Wessel - Jan Kos und Olivier Cresp.
Kos&Cresp haben eine schöne Schwarztee - Note mit Ingwer und Bergamotte kombiniert. Wirkt herrlich belebend. Doch der Duft hat noch mehr zu bieten. Im Herzen finden sich Freesien, Lavendel und Maiglöckchen, alles bezaubernde Blüten, verwoben zu einem Bouquet. Das Ganze ruht auf einem warmen, entspannenden Vanillefond, der an leckere englische Kekse denken lässt.
Klingt simpel, ist es auch, aber genau das passt in den tristen Januar.
Brocard fristet hier ja auch ein trauriges, relativ unbeachtetes Dasein, obwohl die Firma früher glanzvolle Zeiten gesehen hat.
1864 vom Franzosen Henri Brocard in Moskau gegründet, avancierte Brocard rasch zum Hoflieferanten des Zaren. Doch nach der Oktoberrevolution wurde die gesamte Firma verstaatlicht.
Man engagierte den Chemiker Auguste Michel, der Klassiker wie "Krassnaya Moskwa" schuf (1925). Anstelle von Brocard hieß die Firma nun Novaya Zarya und existiert bis zum heutigen Tag.
Brocard wurde 1994 neu gegründet (schon erwähnt) und unterscheidet sich von Novaya Zarya u. a. auch dadurch, dass bewusst bekannte westeuropäische Nasen für die Firma Düfte kreiert haben, z. B. Maurice Roucel, Bertrand Duchaufour, Fabrice Pellegrin, Sylvie Fisher etc.
Die Flakons und Verpackungen sind sehr verspielt und teilweise wahre Sammelobjekte, manche könnte man als selbstironische Kommentare über russische Folklore verstehen.
Einen zusätzlichen Asset stellen aus deutscher Perspektive natürlich die relativ günstigen Preise dar, zu denen die Brocard - Düfte erworben werden können (online über russische Anbieter, aber auch über Parfümerien in GB und eine offizielle Berliner Vertretung).
"Tea and Cucumber Cologne" von J. Malone bietet sich übrigens als Vergleich zu "5 o'clock" an, wobei der Brocard durch die schöne Vanille plus Tonka in der Basis etwas Wärmendes und Tröstendes hat, was dem englischen Duft fehlt.

"When everything else fails, have a cuppa" - oder sprüh' Dir ein Tässchen Trost auf. Du wirst nicht mal dick davon, die Kekse kriegst 'e virtuell dazu.
Spasibo, Brocard.
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