Young Hearts 2019 Eau de Parfum

Kovex
01.05.2021 - 11:30 Uhr
33
Top Rezension
7
Preis
6
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

Mitten ins Herz

Manchmal drängt sich einem das Gefühl auf, bestimmte Düfte haben den Weg zu einem gefunden ohne das man je auf der Suche danach war.

Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern wie ich auf Miguel Matos gestoßen bin, vermutlich wie so oft, als Beilage einer netten Duftpost, die mich dazu animierte, ein Probenset der unter seinem Namen erschienen Eigenmarke zu ordern. Das war olfaktorisches Neuland für mich und im besten Sinne kreativ, auch wenn mich kein Duft davon zu einem Kauf animieren konnte.

Kurze Zeit später erschien unter Neuheiten eine Marke hier auf der Startseite unter dem Namen „Der Duft“. Und schon wieder ist Miguel Matos mit zwei Düften mit im Spiel, die ich ebenfalls getestet und mit dem gleichen Ergebnis wie oben eingeschätzt habe. Und kurze Zeit darauf der Kommentar eines von mir sehr geschätzten Parfumos zu einem Duft (in der Extrait-Version), der als Gewinner des "Art and Olfaction Awards 2020“ hervorging. Young Hearts also, von Miguel Matos. Kann das noch Zufall sein?

Miguel Matos zeigt sich auf Instagram als moderner Hipster im besten Mannesalter. Schwarzer Rauschebart, teils skurrile Tätowierungen und strotzend vor Männlichkeitsattributen. Ich hoffe inständig, dass er nicht einer jener Hipster ist, die gleich losheulen, wenn ihnen beim Sport der Schweiß die Anti-Aging-Augencreme von den Lidern vor die Pupille spült, statt ein Bären jagender grimmiger Einsiedler zu sein. Aber Gegensätze können ja reizvoll sein und jaja, ich geb´s ja zu, in meinem Bad steht auch Augencreme ;)

Young Heart gibt es in 3 Versionen. Die hier besprochene EdP Version, ein Extrait, welches derzeit nicht verfügbar zu sein scheint sowie die Pure Essence Variante. Duftölkonzentration und dementsprechend die Preise in aufsteigender Reihenfolge.

Young Hearts EdP startet grün, ungewöhnlich und andersartig. Bereits zu Beginn werden sich die Geister scheiden, die einen werden sich abwenden und fragen „was ist das?“, die Anderen werden verzückt sein „wow, das ist mal was Neues“.
Bei mir macht sich sogleich eine gummiartige Klebstoff-Assoziation breit. Klebstoff in dem wochenlang grüne Blüten und Blätter eingelegt waren. Aromatisierter Klebstoff also, durchdringend, ausdrucksstark, außergewöhnlich. Synthetisch? Nein, aber auch nicht wirklich mit natürlichen mir bekannten Aromen in Verbindung zu bringen. Allenfalls Galbanum könnte ich hier identifizieren. Dass es auch als Gummiharz bezeichnet wird, bekräftigt meine anfängliche Klebstoff-Assoziation.

Auch wenn die Rose hier eine kleine Rolle spielt, würde ich den Duft nicht als blumig ansehen. Vielmehr scheint Eichenmoos jeglicher Art von Süße und Blumigkeit Einhalt zu gebieten. Das Herbe ist aber nicht wie bei vielen Chypre-Düften abweisend oder streng, sondern perfekt austariert. Überhaupt Chypre: laut Webseite soll es sich um eine moderne Interpretation des Themas handeln. Bei einem Blindtest hätte ich vermutlich nicht auf einen Chypre getippt, zu eigenständig und andersartig gibt sich Young Hearts. Also stimmt es doch was dort steht: das ist wirklich eine sehr zeitgemäße Variante des alten Themas. Im weiteren Verlauf beruhigt sich alles ein wenig, wird sanfter, zugänglicher ohne seinen Charakter zu verändern. Eine Entwicklung des Duftes hin zu anderen Duftspektren kann ich nicht feststellen.

Die Projektion ist meines Erachtens perfekt. Young Hearts ist kein Duft, den man für sich alleine trägt. Er wird definitiv auch vom entfernteren Umfeld wahrgenommen ohne dabei überbordend abzustrahlen (umsichtige Dosierung vorausgesetzt). Die Haltbarkeit empfinde ich ebenfalls als sehr zufriedenstellend, Nachsprühen ist hier im Verlaufe eines Arbeitstages nicht von Nöten.

Obwohl meine Duftsammlung ein sehr breites Spektrum meiner verschiedenen Vorlieben abdeckt ist Young Hearts ein Solitär, der hier neue Facetten hinzufügt ohne einem anderen meiner Düfte auch nur im Entferntesten ähnlich zu sein. Nie zuvor habe ich Ähnliches gerochen. Je häufiger ich den Duft trage, desto besser gefällt er mir, die Andersartigkeit wird vertrauter, die Faszination bleibt.

Miguel Matos ist für mich ein Star unter den Parfümeuren. Mit zahlreichen Kreationen in den letzten Jahren ist er ein rühriger Künstler (aktuell 49 Düfte seit 2018), der aktuell Vollgas zu geben scheint. Gerade eben sind erneut 4 weitere Düfte unter seiner Eigenmarke erschienen. Für mich ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann Victor Wong von Zoologist und er zusammenfinden, um eine neues Tierchen aufstehen zu lassen. Zumindest würde ich mir das sehr wünschen, folgerichtig fände ich es allemal.
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