Night Veils - Tobacco Mandarin 2020

Chnokfir
19.06.2022 - 10:04 Uhr
14
Top Rezension
7
Preis
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft

Wo ist die Mandarine?

Sommer, Sonne, Urlaubszeit ... der Parfumo durchstreift die Freie und Hansestadt, und damit die Gattin des Autoren nicht in der prallen Sonne am Jungfernstieg wie bestellt und nicht abgeholt ausharren muss, folgt SIE ihm mit fast schon hanseatisch zurückhaltenden Begeisterung ins Altsterhaus in die klimatisierte Parfumerieabteilung. Gepflegt zur Schau gestelltes Desinteresse IHRERSEITS, bis SIE aus den Augenwinkeln den Counter von Byredo entdeckt und die von unter illuminierten Flakon Ihre Aufmerksamkeit erregen.

Statt der üblichen dezent gelblichen Flüssigkeit sticht natürlich das intensive Rot von Night Veils - Tobacco Mandarin sofort ins Auge. Ja, sieht schön aus, gefällt mir sehr. Ansonsten gibt man sich bei Byredo bei diesem Duft aber keine sonderlichen Experimenten hin. Der typische schlichte, aber sehr wertige weisse Karton wurde lediglich mit einem verspielten Night Veils -Schriftzug versehen. Der wundervolle zylindrische Flakon mit den magnetischen Knöpke, bei dem der Gesamteindruck und die Proportionen aufs Wesentliche reduziert sind und eine harmonische Stimmigkeit erzeugen, wird durch die rote Flüssigkeit von innen zum Strahlen gebracht. So muss Flakon! Punkt.

Der Duft bekommt mit dem ersten Schnüffler gleich die gesamt Aufmerksamkeit, denn es geht gleich vehement zur Sache. Ein Akkord aus Leder, Holz und rauchigem Tabak ist gleich präsent und macht auch wenig Anstalten, sich so schnell wieder zu verziehen. Lässt man Tobacco Mandarin ein wenig auf sich wirken, kommen ein paar wenige zitrische und homöopathisch mehr würzige Noten hinzu, doch immer sehr dezent ein paar Schritte auf Abstand bedacht und nur vage benennbar. Mit der Zeit weicht das helle Leder zurück und macht Platz für das, was den Duft beherrschen wird und in Summe ausmacht: Harziger Rauch und ein nicht zu dunkles, nicht zu muffiges und schon gar nicht fäkales Oud. Ein einigermassen weicher, gesittet orientalischer und nicht zu neblig-dusterer Grundton.

Und wo ist jetzt da die Mandarine? Sie kommt bei diesem Duft in meiner Nase nicht vor. Ganz im Gegensatz zu anderen Mandarinen-Düften, die das Wort Mandarine in ihren Namen tragen. Vielleicht steht das Mandarin in Tabacco Mandarin aber auch für die chinesische Hochsprache und soll auf chinesischen Tabak hinweisen. Nachdem ich jedoch kein Raucher bin, kann ich da keinerlei erhellenden Vergleiche ziehen.

Ich will eine gewisse Enttäuschung durch das Nichtvorhandensein der Mandarine aber nicht verhehlen. Dennoch ist Night Veils - Tobacco Mandarin ein schöner, kein sonderlich spannender, aber ein überaus angenehmer Duft. Er ist gleich voll da. Nicht zu laut, aber doch präsent, ohne nervig oder gar raumgreifend zu werden. Hätte Night Veils - Tobacco Mandarin eine für mich wahrnehmbare Mandarinen-Fruchtnote, hätte der Duft auch eine feminine Seite. So aber bleibt er für mich eher männlich in seiner Abstrahlung. Ein schöner Ausgeh-Duft, würde ich sagen, eher nichts fürs Büro. Auch wenn er lange hält, einen durch den Tag trägt und den Abend über begleitet. Nach einem kurzen Duschen abends hat man dann noch einen angenehmen Rest zum Einschlafen und am Morgen danach noch einen respektablen Hauch, der einen an den Vortag erinnert.

Night Veils - Tobacco Mandarin konnte SIE nicht für sich begeistern. Der von unten beleuchtet Counter allerdings schon. Fraglich, ob SIE den Duft - in Verbindung mit so einem beleuchteten Parfum-Regal - auch an mir mögen würde. Vielleicht, wenn denn dabei etwas Mandarine zu erkennen wäre.
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