23.07.2019 - 13:39 Uhr
Konsalik
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Konsalik
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Das wohlbestellte Haus
Meine ersten drei Düfte, auf deren Grundlage meine bescheidene Sammlung erwachsen durfte, waren Caron Pour un Homme, Knize Ten und Caldey Island Lavender. Und einzig Island Lavender wurde bislang noch keine Besprechung zuteil. Warum? Weil ich mir immer dachte, dass man über einen Soliflor gar nicht so viel schreiben könne. Weil ich der Überzeugung war, dass singuläre Duftstoffe - ähnlich wie Farben - Primäreindrücke seien, die sich der Beschreibung entzögen. Man stelle sich nur vor, einem Farbenblinden erklären zu müssen, wie "rot" aussieht; man merkt schnell, dass man hier an letzte Grenzen stößt (strukturierter kann man diesem sogenannten "Qualia-Problem" in dem Wikipedia-Artikel zum Gedankenexperiment "Mary's Room" nachgehen).
Was also schreiben? Dass Lavendelduft so beruhigend ist? A geh', bitteeee... Das haben andere schon mehrfach (und mit Recht!) betont. Dann doch lieber nochmal die Annäherungen über den alten Heimito von Doderer. Ein Autor, der mich überhaupt erst so richtig für Parfums und Gerüche insgesamt sensibilisieren konnte. Wie schrieb er in der "Strudlhofstiege": "Ein irgendwie bitterer, rundlicher, sozusagen comfortabler Geruch". Rundlich und komfortabel, das geht gut zusammen - aber bitter? Der doch eigentlich unkomfortabelste aller Sinneseindrücke? Hier scheint eine Dissonanz vorzuliegen, die erst auf höherer Ebene, gleichsam "syn-thetisch", Einheit stiftet. Also scheint es vielleicht doch zu lohnen, das scheinbar Primäre genauer abzuklopfen und zu dechiffrieren.
Zunächst ist der Dufteindrück eher hellblau denn violett (wie man vielleicht vermuten könnte), und dazu von einer eigentümlichen Sauberkeit, die mich an Seife erinnert, ohne direkt seifig zu sein. Daneben direkt der eigentliche Widerspruch, eine freundliche Assoziation von frischem (nicht stinkendem!) Schweiß, dazu hellgrüne Grasigkeit. Es ist diese Bitternis der krautigen Seifigkeit, die eine gewisse Strenge schafft, welche wiederum nicht harsch ist, sondern Form gibt: Die Gemütlichkeit einer sorgsam gepflegten Wohnung, ohne jede neurotische Tyrannis, denn die Wiese kommt unbeschnitten und nah an die Varanda. Und Menschen dürfen hier auch Menschen sein. Reinlichkeit ohne Sinnesfeindschaft. Das Ideal eines wohlgestalteten Hauses, hell und ruhig (fast schon mediterran-antik), steigt auf. Die dosierte, bittere Strenge ist nötig, um nicht von der Natur überwältigt zu werden, um gewissermaßen "wach" zu bleiben. So nehmen wir doch auch z.B. die Gesellschaft von Menschen dann - um bei Doderer zu bleiben - als komfortabel, also im höchsten Grade gemütlich wahr, wenn die Gespräche bei aller Ruhe wach und klar bleiben, wenn man also eben nicht dumpf im Sessel dahindämmert und jeden Gedankengang im Geplauder verenden lässt. Dies alles schafft also der Lavendel, der englische zumal, der ja deutlich krautiger und schärfer daherkommt, als sein blumiges Pendant vom Festland.
Man verzeihe mir die starke, frei flottierende Assoziationslast meines Kommentars; ich habe versucht, so präzise wie möglich zu bleiben. Es ist in der Tat nicht einfach, einen singulären Dufteindruck "positiv" zu beschreiben, d.h. mit Attributen zu versehen. Kollege FvSpee hat dies intelligenterweise in seiner Besprechung auf die Meister Eckhart-Art gelöst, indem er gewissermaßen eine "negative Lavendel-Theologie" entwickelt hat. An dieser Stelle: Hut ab! Doch wie bewerten? Soll ich meinem Vorredner hier folgen und die 10 zücken? Ich gebe die 9,5. Die verbleibenden 0,5 sind das Pfund, mit dem die Parfumeure dieser Welt wuchern und im besten Falle antreten, duftende Kunstwerke zu erschaffen - im allerbesten Falle zur höheren Ehre desjenigen, der uns die Fähigkeit geschenkt hat, diesen wunderbaren Duft des Lavendels zu erfahren. So zumindest würden es vielleicht die Mönche auf Caldey ausdrücken. Ich allerdings auch.
Was also schreiben? Dass Lavendelduft so beruhigend ist? A geh', bitteeee... Das haben andere schon mehrfach (und mit Recht!) betont. Dann doch lieber nochmal die Annäherungen über den alten Heimito von Doderer. Ein Autor, der mich überhaupt erst so richtig für Parfums und Gerüche insgesamt sensibilisieren konnte. Wie schrieb er in der "Strudlhofstiege": "Ein irgendwie bitterer, rundlicher, sozusagen comfortabler Geruch". Rundlich und komfortabel, das geht gut zusammen - aber bitter? Der doch eigentlich unkomfortabelste aller Sinneseindrücke? Hier scheint eine Dissonanz vorzuliegen, die erst auf höherer Ebene, gleichsam "syn-thetisch", Einheit stiftet. Also scheint es vielleicht doch zu lohnen, das scheinbar Primäre genauer abzuklopfen und zu dechiffrieren.
Zunächst ist der Dufteindrück eher hellblau denn violett (wie man vielleicht vermuten könnte), und dazu von einer eigentümlichen Sauberkeit, die mich an Seife erinnert, ohne direkt seifig zu sein. Daneben direkt der eigentliche Widerspruch, eine freundliche Assoziation von frischem (nicht stinkendem!) Schweiß, dazu hellgrüne Grasigkeit. Es ist diese Bitternis der krautigen Seifigkeit, die eine gewisse Strenge schafft, welche wiederum nicht harsch ist, sondern Form gibt: Die Gemütlichkeit einer sorgsam gepflegten Wohnung, ohne jede neurotische Tyrannis, denn die Wiese kommt unbeschnitten und nah an die Varanda. Und Menschen dürfen hier auch Menschen sein. Reinlichkeit ohne Sinnesfeindschaft. Das Ideal eines wohlgestalteten Hauses, hell und ruhig (fast schon mediterran-antik), steigt auf. Die dosierte, bittere Strenge ist nötig, um nicht von der Natur überwältigt zu werden, um gewissermaßen "wach" zu bleiben. So nehmen wir doch auch z.B. die Gesellschaft von Menschen dann - um bei Doderer zu bleiben - als komfortabel, also im höchsten Grade gemütlich wahr, wenn die Gespräche bei aller Ruhe wach und klar bleiben, wenn man also eben nicht dumpf im Sessel dahindämmert und jeden Gedankengang im Geplauder verenden lässt. Dies alles schafft also der Lavendel, der englische zumal, der ja deutlich krautiger und schärfer daherkommt, als sein blumiges Pendant vom Festland.
Man verzeihe mir die starke, frei flottierende Assoziationslast meines Kommentars; ich habe versucht, so präzise wie möglich zu bleiben. Es ist in der Tat nicht einfach, einen singulären Dufteindruck "positiv" zu beschreiben, d.h. mit Attributen zu versehen. Kollege FvSpee hat dies intelligenterweise in seiner Besprechung auf die Meister Eckhart-Art gelöst, indem er gewissermaßen eine "negative Lavendel-Theologie" entwickelt hat. An dieser Stelle: Hut ab! Doch wie bewerten? Soll ich meinem Vorredner hier folgen und die 10 zücken? Ich gebe die 9,5. Die verbleibenden 0,5 sind das Pfund, mit dem die Parfumeure dieser Welt wuchern und im besten Falle antreten, duftende Kunstwerke zu erschaffen - im allerbesten Falle zur höheren Ehre desjenigen, der uns die Fähigkeit geschenkt hat, diesen wunderbaren Duft des Lavendels zu erfahren. So zumindest würden es vielleicht die Mönche auf Caldey ausdrücken. Ich allerdings auch.
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