Tabac Blond Eau de Parfum

Mikadomann
02.07.2021 - 16:24 Uhr
37
Top Rezension
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft

Ein Moment der Intimität und der Sinnlichkeit


Ich glaube, es ist der Beginn einer Reise…

Das Duft-Ticket, das mir die erste Etappe dieser Reise ermöglicht hat, habe ich der Großzügigkeit und dem Kenntnisreichtum eines wunderbaren Parfumo zu verdanken. Daher ist dieser Kommentar Can gewidmet und mit Respekt und tiefem Dank verbunden.

Wer meine Rezensionen und Statements liest, weiß, dass ich mich Düften häufig in Bildern nähere. Die Assoziationen helfen mir, Düfte besser zu verstehen und sie mir zu erarbeiten.

Auch bei diesem besonderen Duft entstanden sogleich Bilder in mir. Aber diesmal war es anders.
In der ersten Sekunde kam mir eine Filmszene in den Sinn. Und noch mehr als die Szene, die ich eigentlich nur oberflächlich erinnere, entstand vor mir das Bild der Figur und das Bild der Schauspielerin, die sie spielt. Diese Szene und das Bild dieser Schauspielerin hat mir den Duft erschlossen.

Der Film von dem ich spreche, ist „Carol“, die Schauspielerin ist die wunderschöne Cate Blanchett. In einer Szene zu Beginn dieses Films, betritt sie die Spielzeugabteilung eines Kaufhauses.
Dabei strahlt sie eine unfassbare Eleganz aus. Sie trägt einen langen, braunen Pelzmantel, darunter Schwarz, einen roten Schal, auf ihren blonden und gelegten Haare eine rote Kappe. Und sie trägt Lederhandschuhe in der Hand. In einer Großaufnahme, die zeigt, wie sie diese Handschuhe auf den gläsernen Verkaufstresen legt, wird rasch deutlich, dass dieses Accessoire noch eine wesentliche Rolle spielen wird.
Und vielleicht sind es sogar diese Handschuhe, die mir als erstes in den Sinn gekommen sind, als ich den Duft zum ersten Mal gerochen habe.
Wenige Minuten später wird Carol sich, bevor sie den Verkaufsraum verlässt noch einmal umdrehen, um der Verkäuferin und auch den Zuschauerinnen und Zuschauern einen atemraubenden Moment weiblicher Eleganz und distinguierter Noblesse zu schenken.

Und eben das ist Tabac blond für mich: Elegant, distinguiert, nobel.

Um eines deutlich zu machen:
Der Duft ist für mich kein Duft für Damen. Er ist auch nicht androgyn. Er ist, was der Mensch, der in trägt ist.
Ich hatte kurz überlegt, ob ich der weiblichen Figur ein männliches Pendant gegenüberstellen möchte. Es wären Männer aus der Literatur: Forsyte, Gatsby, Swann.
Aber Cate Blanchett braucht kein Pendant…
Ich bewahre die Szene, die man durchaus auch in einem Trailer im Netz finden kann, in meinem Kopf und finde so wieder zu dem Duft.

Die Lederhandschuhe, der Pelz. In vielen Szenen des Films rauchen die Hauptfiguren, beide Frauen.

In der Tat ist der Duft rauchig.
Aber es ist kein Rauch im klassischen Sinne, kein blauer Dunst in einem verrauchten Zimmer. Es ist auch nicht der wohl duftende Pfeifentabak.
Es ist der Rauch in einer großzügigen und gediegenen Hotellobby, der sich in einem Sonnenstrahlbündel zeigt, das durch das große Fenster einfällt und in dem er sich kräuselt. Weiß, schimmernd und nicht von Nikotin, sondern von Tabak getragen.
Dieser Rauch, diese Note von Tabak liegt von Beginn an in dem Duft und bleibt beinahe ganz bis zum Schluss die prominente Note.

Das Leder, das ich in diesem Duft unbeschreiblich schön finde, ist das weiche Leder häufig getragener Handschuhe. Es sind weiche Wildlederhandschuhe, vielleicht Hirschleder.
Und auch wenn es ganz zarte, kaum wahrnehmbare Andeutungen von animalischen Noten gibt (ich könnte nicht entschlüsseln, welche Komponente in der Pyramide dafür verantwortlich ist), dann wird das Leder aber vor allem von einer sauberen, wunderschönen Cremigkeit unterstrichen. Vanille und Amber sind verantwortlich für diese Cremigkeit.
Für mich liegt hier der Schlüssel zur Kunst dieses Eau de Parfums.
Es ist, als hätte man in der Komposition genau den Augenblick eingefangen, in dem die Dame den Handschuh von ihrer gepflegt gecremten Hand abstreift. Es ist genau der Augenblick und ich habe den Eindruck, dass ich diese Szene nicht mit meinen Augen, sondern mit meiner Nase wahrnehme. Es ist, als führe ein Regisseur meine Nase sehr nah an diese Hand. Und in diesem Augenblick fügen sich für mich Rauch, sanft gecremte Haut und der letzte Hauch von weichem Leder zu einem wunderbaren Akkord.
So ist es nicht der Duft der Handschuhe, die aus Leder sind. Es ist der Duft der Haut, die einen Handschuh aus Leder abgestreift hat und auf der ein Rest dieses Duftes liegen bleibt.
Das, was ich als leicht animalisch beschrieben habe, ist die Haut, das Menschliche, Körperliche an dem Duft eine Mischung vielleicht mit den kleinen Perlen am Handgelenk eines sauberen Körpers an einem warmen Tag. In diesem Moment gelingt Tabac blond die Übersetzung eines Dufterlebnisses in das Erleben von Intimität und Sinnlichkeit.

Dass die Gartennelke hier so prominent bewertet wird, hat mich zunächst überrascht. Aber ich glaube, dass es genau diese Note ist, die für das Feine, Edle verantwortlich ist.
Denn in der Tat ist der Duft im Hintergrund - und zum Ende, beinahe in den allerletzten Minuten hin auch zunehmend - floral. Ich nehme die Nelke jedoch nie kräftig wahr.
Sie leitet den Duft ein und sie beendet ihn. Sie begleitet stets im Hintergrund, spielt sich für mich nie in den Vordergrund. Ich käme nie auf den Gedanken, diesen Duft als blumig zu bezeichnen. Er wäre für mich immer rauchig. Aber gleichgültig zu welchem Zeitpunkt: Zu Beginn, wenn der Duft rauchig ist, oder zum Ende, wenn er cremig wird: Die Nelke unterstreicht stets das Beste an ihm. Vielleicht ist es das, was manche Menschen dazu führt, den Duft als Damen-Parfüm einzuordnen.

Es ist mein erster, wirklich klassischer Duft aus diesem Traditionshaus. Mit dem ersten Sprühen wusste ich, dass ich einen Duft gefunden habe, der mich lange begleiten wird. Er hat eine Leidenschaft in mir ausgelöst und mich neugierig gemacht auf die ganz klassischen Düfte.
Wenige Tage, nachdem ich den Duft probiert hatte, habe ich Kontakt mit dem Haus in Paris aufgenommen.
Ich habe das Eau de Parfum bestellt und gleichzeitig nach dem Parfum gefragt.
Die etwas unbeholfen Erklärung half mir leider nicht weiter.
Mit dem Eau de Parfum erhielt ich jedoch eine Probe des Parfums. Heute weiß ich, dass meine Frage offenbar genau wenige Tage vor der Veröffentlichung der neuen Formulierung des Parfums eingetroffen war.
Inzwischen habe ich beide Formate verglichen. Ich möchte an dieser Stelle keine Kategorie von Besser oder Schlechter eröffnen. Das liegt nicht in meiner Natur. Es sind beide wunderbare und einzigartige Düfte. Außerdem fehlt mir auch das Wissen, die Historie, der Vergleich, die olfaktorische Bildung, die mir einen klugen Vergleich erlaubte.
Vielleicht ist die florale Note in der neuen Formulierung zum Ende hin stärker. Die Duftpyramide ließe darauf schließen und stützte den Gedanken. Zuerst hatte ich nur bei dem neuen Parfum, später dann jedoch auch bei dem älteren Eau de Parfum eine ganz leise, assoziative Erinnerung von der Blumigkeit von Xerjoffs „Opera“. Selbstverständlich niemals so laut und so überbordend. Vielleicht können Leserinnen und Leser mich unterstützen und dieser Idee auf den Grund gehen.

Ich glaube es ist der Beginn einer Reise…
Eine Reise, die mich zu den Klassikern führt. Inzwischen habe ich „Pour un Homme de Caron“, „Yatagan“, aber auch „Jicky“ und „L‘heure bleue“ probiert. Ich habe den Eindruck, als entdeckte ich meine Leidenschaft für Düfte neu.

Diese Reise beginnt erst gerade.
Ich freue mich, wenn mich Leserinnen und Leser dieses Beitrages mit Hinweisen auf lohnenswerte Zwischenziele unterstützen.
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