Must de Cartier Gold 2015

Profuma
02.11.2015 - 11:54 Uhr
16
Top Rezension
10
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft

Flüssiges Gold

Eigentlich stehe ich ja mit Jasmin auf Kriegsfuss, wenn er Heerscharen gleich derer zahlreichen Sträusse in mein Gesicht klatscht und mich in Schwindel und Taumel zurücklässt. Bestenfalls falle ich in Ohnmacht und bekomme von weiteren Übergriffen nichts mehr mit.
Ich kenne das "normale" Must de Cartier, die ältere Version von meiner Mutter her und auch die Neuere. In jungen Jahren fühlte ich mich nicht reif dafür und sah in meiner Mutter auch die richtige Trägerin des Duftes. Eine Frau, mit beiden Beinen im Leben, von Erfahrungen gezeichnet und geprägt und als eigene kleine Freude als Gegenschlag für die Widrigkeiten des Alltags, diesen, ihren Duft, wie einen Schatz hütend.
Nun habe ich selber ganz ähnliche Erfahrungen im Leben gemacht, lernen müssen, dass Gut und Schlecht oftmals Hand in Hand gehen und nicht immer alles in geregelten Bahnen verläuft.
Irgendwie muss man da wohl durch, um die Kleinigkeiten, die ein Leben wiederum versüssen, auch schätzen zu können. Wahrscheinlich würde man sie sonst auch nicht entdecken. Nur wenn einem etwas fehlt, kann man auf eine Suche gehen und auch etwas finden. Ansonsten sieht man einfach an einer möglichen Entdeckung vorbei, ohne sie zu erkennen und entgeht so mancher Bereicherung.

"Gold" eröffnet mit echtem weissblumigem Jasmin-Wumms und man ist schon versucht, im ersten Moment etwas zurückzuweichen. Man hat fast das Gefühl, als wohne es in dem Flakon wie ein Geist in seiner Lampe, der nun darauf wartet, dass jemand daran reibt und ihn freilässt.
Der Duft bricht also förmlich durch seinen Zerstäuber aus und das mit Pauken und Trompeten. Die Wärme die er mit sich bringt raubt mir schier den Atem. Ich fühle mich in positivstem Sinne eingefangen und gefangen und obwohl er so wuchtig loslegt, ist mein Interesse an Mehr geweckt. Ich merke da schon, dass dieser Duft besonders ist.
Kurz nach dem ersten Sprüher, legt sich die Wucht ein bisschen, wird aber nie ganz leise, auch nicht zum Schluss. Eigenartigerweise setzt mir hier die Fülle an Jasmin nicht zu, sondern lässt mich aufatmen. Die Süsse von Osmanthus ergibt sich in Harmonie in den warmen, weichen Fluss, der mich fast schon pulsierend umschwebt. Der orientalische Charakter wird dank einer grün anmutenden Galbanumnote der Schwere etwas entrissen, was ihn umgänglicher macht. Diese duftigen Übertritte von einer zur anderen Note und dabei die vorherige nie ganz verlassend, geben dem "Gold" einen Duftverlauf, der sich bei mir ständig verändert. Er ist am Morgen nie so wie am Mittag und da nie so, wie am Abend. Ich habe selten etwas so facettenreiches erleben dürfen, das mit so wenig Ingredienzien auskommt.
Und offenbar nehme nicht nur ich ihn so positiv wahr. Ich trage ihn bei der Arbeit und werde dauernd darauf angesprochen und die männlichen Interessenten sind da deutlich in der Überzahl. Die, die ihn an mir schon kennen, heben jeweils beim Vorbeigehen die Nase und lassen ein langgezogenes "Aaaah" folgen. Irgendwie verbreitet der Duft gute Laune.
Die Haltbarkeit von "Gold" ist nicht zu toppen. Am Morgen ein oder maximal zwei kleine Sprüher und "das Edelmetall glänzt am Abend noch wie frisch poliert".
Wer das ursprüngliche Must kennt, wird hier erkennen, dass man sie nicht direkt in Verbindung bringen kann. Das ist auch gut so. Ich finde, die beiden sollten eigenständige Düfte sein. Ich mag beide sehr, aber "Gold" ist derjenige, der mich den ganzen Tag begleitet und mich behütet.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass wem Dior Addict, YSL Manifesto oder CK Obsession gefällt und nicht zu sehr abweichen aber dennoch etwas Abwechslung sucht, mit "Gold" eine wertige Alternative für Herbst und Winter finden könnte. Mir jedenfalls ist es genauso ergangen.
Ich freue mich auf morgen. Dann tauche ich wieder ein in einen Duft, der für mich wie ein Kaleidoskop der Wahrnehmungen und so edel ist, wie flüssiges Gold.
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