Rose Orage 2018

Alexxx
21.07.2020 - 18:06 Uhr
12
Sehr hilfreiche Rezension
9
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft

Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose ist eine Rose

Geflügelte Worte sind es, die Gertrude Stein, amerikanische Schriftstellerin, einst von sich gab. Mit ihrer abstrakten Poesie spielte Stein mit Sprache, rückte Objekte, Dinge auf diese Weise mehr ins Bewusstsein. Und mit der tautologischen Überschrift dieses Kommentars machte sie mal ganz was anderes als die unzähligen Barden, Dichter, Musiker vor ihr: Sie romantisierte die Rose nicht, sie gab ihr ihre Identität als Ding dieser Welt zurück und beschrieb eine Rose wieder als das, was sie ist.

Als jemand, der ein großer Rosenfan ist, und viele Exemplare davon zu Hause hat, kann ich sagen: Recht hat sie. Denn Rosen machen vor allem mal eines – ganz schön viel Arbeit. Du kämpfst mit Blattkrankheiten, du kämpfst mit Blattläusen, du gießt (nicht wenig!), du düngst, du schneidest, du stichst dich. Du wirst belohnt: mit blühender Eleganz. Und mit Düften, oh ja, mit Düften: Manche duften fruchtig, mit Noten von Beeren oder Zitronen, manche duften würzig, etwa nach Nelken, oder würzig-süß nach Myrrhe, andere wiederum haben den Duft alter französischer Rosen, das ist gemeinhin das, was wir mit Rosenduft beschreiben – diese tiefe, intensive, leicht fruchtige Blumigkeit. Und eben als Fan von Rosen wie von Rosendüften stieß ich neulich auf "Rose Orage" aus dem Hause Chabaud. Orage bedeutet im Französischen "Gewitter". So soll der Duft eine Rose beschreiben, wie sie im Licht der Sonne vor sich hin blüht, ehe sich ein Regenschauer über ihr ergießt.

Als jemand, der seine Exemplare den Witterungen der Welt täglich ausgesetzt sieht, fand ich das thematisch natürlich äußerst spannend. Und umso überraschter war ich, dass der Duft sein Versprechen hält (zumindest ich scheine dieser Suggestion offenbar erlegen zu sein). Es ist zwar eher subtiler Natur, aber ich kann dem Ganzen sehr gut folgen. Und ich finde auch den Duftverlauf mit seiner changierenden Präsenz erstaunlich. Ich habe beim Tragen über viele Stunden permanent das Gefühl, mit dem Duft würde ständig etwas passieren, gleichsam als wäre er lebendig, wie die Rose selbst, da draußen im Gewitter, geschüttelt vom Wind, getroffen vom Regen und wieder bestrahlt von der Sonne.

Der Duftverlauf beginnt herb-frisch und fruchtig, ehe die Rose die Führung übernimmt. Aber nicht nur mit ihrer Blüte, da sind die Blätter, die ich herauszuriechen meine, da ist das Gehölz, das ich wahrzunehmen glaube. Die Rosenblüte ist präsent, aber nicht übermäßig schwer und barock. Im Gegenteil, das Ganze ist ein subtiles feines Spiel mit einer angenehmen Frische. Meisterhaft, wie die da reingezaubert wurde. Und tatsächlich, das Ganze duftet etwa so, als hätten sich Regentropfen auf die Petale einer Rose gelegt und als sei das Klima etwas frischer geworden.

Und der Duft arbeitet. Ich dachte noch zu Beginn meines Tests: schön, aber etwas zu subtil. Aber nee, der ist zwar mal etwas weniger spürbar, aber dann wieder ziemlich deutlich. Durch Hemd und Maske hindurch draußen an der frischen Luft dachte ich mir auf einmal: Überredet, deine Sillage werde ich nach oben korrigieren müssen. Auch die Haltbarkeit möchte man zu Beginn nicht glauben, aber sie liegt bei locker über 9 Stunden. Auch das ist eine perfekte Balance, die den Duft ist zu keiner Zeit aufdringlich macht, aber zu jeder Zeit äußerst stilvoll. Das gefällt mir wirklich gut, muss ich sagen, das empfinde ich als ungemein kunstvoll.

Wann trägt man den am besten? Rose Orage ist ein fruchtig-frisches, blumiges, aber keineswegs überladenes Kleinod eines Duftes. Mit seiner subtilen Duftcharakteristik ist er ganz bestimmt vielseitig einsetzbar. Seine florale Frische ist gemacht für Frühling und Sommer – Herbst und Winter sind ja schließlich auch nicht die Zeit der Rosen. Wenn auch sonst sicher überall, passt er in die kalte Zeit definitiv nicht rein.

Wer trägt den am besten? Ich bin mir immer noch nicht ganz sicher, ob ich solch eine Schönheit lieber an mir oder doch lieber an einer weiblichen Person genießen möchte. Obwohl unisex, geht er schon eine Spur ins Feminine. Da die Rose nicht zu schwer ist, der Duft auch nicht zu stark ins Blümerant-Süßliche abdriftet, sondern frisch bleibt, finde ich ihn grundsätzlich für Männer tragbar. Und doch – das olfaktorische Schauspiel ist sehr feingeistig inszeniert. Der Duft ist Schönheit, der Duft erzählt Geschichte, aber ist aber definitiv kein Statement. Es will also als Mann wirklich mehr als einmal überlegt sein, wann der richtige Moment ist, ihn zu tragen und ob der nicht eventuell doch zu zart für den Typus seines Trägers ist.

Fazit: Ich bin begeistert. Was für ein schöner Rosenduft. Was für eine schöne, feingeistige, ehrliche und weitgehend ungeschminkte Rose. Chabaud ist mit Rose Orage meiner Meinung nach ein frisch-fruchtiger und während seines Duftverlaufs stets lebendiger Rosenduft gelungen. Ob er es in meine Sammlung schaffen wird, kann ich noch nicht sagen. Ob der eine Rolle in meinem Alltag spielen kann, ich bin noch unentschlossen. Fans von Rosendüften sollten ihn unbedingt mal testen. Vielleicht teilt ja einer von euch meine Begeisterung …
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