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Top Rezension
Spannungsakkord der Schwermut
So sieht man sich nach ein paar Finanzkrisen wieder, mein Bester!
Und da ist schon wieder Dein verführerisches, fremdartiges Lauern hinterm Glas. Du bist unverbesserlich!
Erstaunlich, mein Lieber, Du scheinst nicht zu altern!
Und wie selbstverliebt Du Dein Spiegelbild betrachtest, am Teich erduldest Du keine störende Konkurrenz.
Ist der Flakon stoßsicher? Nicht, dass ich Dir nicht trauen würde, reine Vorsichtsmaßnahme. Aber ich sehe, das Haus läßt keine Wünsche offen, in der Einfachheit liegt die Eleganz.
Kannst Du Dich an die gute, alte Zeit erinnern? Da war doch Deine Kopfnote der Running Gag schlechthin: Sprite oder Canada Dry? Mensch, wie selbige das kalte Lächeln fies und spitz werden ließ!
Wer kam auf die Idee, Hölzer mit Koriander an Mandarine als Visitenkarte auszuhändigen?
Heute tippe ich eindeutig auf Canada Dry, obwohl die Mandarine leicht verändert wurde.
Ich hatte es schon damals gesagt, Du kamst eindeutig drei Jahre zu spät raus. Noch mit der Opulenz von 1987 und der Verweigerung der neuen seichten Richtung. Irgendwie hast Du eiskalt den Zeitgeist ignoriert und Deinen Hedonismus ausgelebt. Du machst da weiter, wo Bret Easton Ellis aufhört. Die Welt ist nunmehr multipolar geworden, verwobener, gewaltbereiter.
Ich muss schon sagen, Du warst und bleibst eine distinguierte Spaßbremse. Eine Main Rotation wie „Better the Devil you know“ von Kylie Minogue ließ Dich emotionslos streng blicken, ganz zu schweigen von Indie-Größen wie Ride.
Bloß nicht aufregen, Meister!
Ja, ja, ich lege auch schon die „Pavane pour une infante défunte“ von Maurice Ravel auf, Dein Lieblingsstück!
Kratzfuß und Verbeugung vor Durchlaucht! Wieder Freunde?
Diese schwermütig feierliche Trauer, die sich als immer wiederkehrendes Thema durchzieht. Dieser Grundakkord Deines Empfindens, der sich musikalisch wiederfindet in diesem warmen, weichen Klang des Holzes, nur eben mal unterbrochen durch einen kurzen, kühlen, scheinbaren Missklang des Blechs aus der Höhe; ein Spannungsakkord der gleich wieder zurückzwingt in die Schwermut Deiner Welt. Ein Spiegel gleichsam zu Deinem Hauptakkord von Rose, Zimt und Gartennelke.
Da schwingt diese Störung mit, jene elegante, unheilvolle Strenge der hellen Rose. Die grünlich herbe Gartennelke ist es, nicht wahr? Hier wird nicht gepudert (bitte verzeihen Sie in Cisleithanien), nein, die Pflanze zeigt ihre wehrhafte Seite.
Der Tanz auf dem zimtigen Vulkan, in der Ferne trübt sich das Bild. Denn Deine Rose ist nicht von dieser Welt. Ein subtiler Groll, vielleicht auch tiefer Gram, färbt ihre prachtvolle Hülle totenblass. Sie hätte längst verblühen sollen, doch Deine Gier holte sie zurück.
Mit den Ritualen der Karibik sollte man behutsam umgehen, mein Teuerster. Dies hätte Dir Deine altehrwürdige Verwandtschaft der 1920er längst mit auf den Weg geben sollen. Nun hast Du aber die Schwelle überschritten.
Aber lassen wir das!
Wie ich sehe, hast Du es doch geschafft, die Porträt-Sammlung bien comme il fallait aufzuhängen. Dir gelingt es einfach immer, alles elegant einzufangen!
Eine Basisnote so gediegen einzurahmen, oh là là! Chapeau, mon cher!
Diese schönen schwarzbraunen Sandelholz-Rahmen, die passenden Passepartouts in gebrochenem Vanille-Weiß. Ja, diese Sepia-Bilder verdienen diesen Glanz!
Wieso schauen bloß diese hübschen Menschen nur so entrückt traurig in die Kamera? Merkwürdig, sind da nicht ein paar von ihnen als vermißt gemeldet worden?
Wegen mir kannst Du „Alone“ von Colin Newmann wieder ausmachen.
Irgendwie geht Dir die Hebst-Winter-Kollektion von 1986/87 nicht mehr aus dem Kopf.
Ja, ich kann mich an Inès in diesem schwarzen Pulli mit passender Strumpfhose - fast wie ein Jumpsuit - und an diese ironische, braune, ambrierte Ledertasche als Minirock erinnern. Dramatischer Auftritt!
Aber den braunen Retriever als Begleithund magst Du bis heute nicht, ist es so? Du wolltest immer schon einen niedlichen Rottweiler auf den Straßen von Auteuil, Neuilly und Passy einfach nur spielen lassen.
Und wie Du den hellen Sandstein der Fassaden dieser prächtigen Paläste elegant warm anhauchst und die schwarzen Eisenbalustraden in ihrer Wirkung verstärkst, mir läuft es kalt den Rücken runter!
Gefällt Dir immer noch dieses architektonisch wertvolle Kleinod Canada Square in London zum müßigen Verweilen mit Deinen Bekanntschaften? Dann habe ich gute Neuigkeiten für Dich, der deutschsprachige Raum hat nicht geschlafen!
Wie wäre es mit der Friedrich-Ebert-Anlage in Frankfurt? Oder dem Bahnhof Hardbrücke in Zürich? Ganz fesch ist die Donau City zu Wien! Gekonnt mannigfaltiges Abwechseln dezenter Baumaterialien mit Schwerpunkt Glas und Stahl lassen den Palazzo Ducale in Mantua doch ziemlich alt aussehen, Shakespeare hin oder her. Du wirst begeistert sein!
Zum Thema Kleiderordnung brauche ich Dir wohl keine allzu legeren Vorschläge zu machen. Achte einfach nicht auf meinen Stil, Du stehst hier im Rampenlicht!
Trägst Du immer noch diese Dreiteiler in hellgrauem Glenchek zum flanieren? Weißes Hemd und rosa Krawatte samt pechschwarzer Sonnenbrille sind immer noch Deine treuen Begleiter an sonnigen Tagen, wie ich sehe.
Und abends bist Du unwiderstehlich in Deinem dunklen Anzug, mon charmeur.
Wie an jenem Geburtstagsdinner im Le Train Bleu im Pariser Gare de Lyon. Du hast einen wahren Eindruck auf Deine Begleitdame hinterlassen. Dein edles Geschenk, eine wertvolle, schwarz-silberne, halbautomatische Ruger in einer hochwertigen Mahagoni-Schatulle, den Auftrag, sich um die Gäste am Nebentisch zu kümmern und rasch über die Herrentoilette zu verschwinden, alles fügte sich zusammen.
Wieso bewarben Dich damals edle, eifersüchtige Schönheiten zu Prokofievs Tanz der Ritter aus Romeo und Julia von den Fenstern des Carlton an der Croisette in Cannes aus? Diese Art körperlicher Leidenschaft, die unersättliches Verlangen und Raserei verursacht, gilt eigentlich Deinem griechischen Vorgänger.
Mit schwarzem Rollkragenpulli aus Kaschmirwolle, edler, brauner Kordhose und Lederhandschuhen aber machst Du es Dir bequem auf dem lauschigen Drehsessel in sicherer Entfernung zum Bett und schaust nur bedächtig zu.
Mein Lieber, die Besuchszeit ist gleich vorüber, aber ich komme demnächst wieder vorbei, nur keine Routine aufkommen lassen.
Ach, ich hätte es beinahe vergessen! Ich konnte vorhin die von der Security ablenken und Dir was ganz Besonderes reinschmuggeln. Laß Dich bloß nicht damit erwischen!
Hier, Deine geliebte Mylène Farmer mit „Beyond my Control“.
Und noch eine Bitte, führe den Text nicht aus!
Bis bald, mein Großer…
Je ne comprends plus pourquoi
J'ai du sang sur mes doigts
Dors en paix je t'assure
Je veillerai ta sépulture,
mon amour
Und da ist schon wieder Dein verführerisches, fremdartiges Lauern hinterm Glas. Du bist unverbesserlich!
Erstaunlich, mein Lieber, Du scheinst nicht zu altern!
Und wie selbstverliebt Du Dein Spiegelbild betrachtest, am Teich erduldest Du keine störende Konkurrenz.
Ist der Flakon stoßsicher? Nicht, dass ich Dir nicht trauen würde, reine Vorsichtsmaßnahme. Aber ich sehe, das Haus läßt keine Wünsche offen, in der Einfachheit liegt die Eleganz.
Kannst Du Dich an die gute, alte Zeit erinnern? Da war doch Deine Kopfnote der Running Gag schlechthin: Sprite oder Canada Dry? Mensch, wie selbige das kalte Lächeln fies und spitz werden ließ!
Wer kam auf die Idee, Hölzer mit Koriander an Mandarine als Visitenkarte auszuhändigen?
Heute tippe ich eindeutig auf Canada Dry, obwohl die Mandarine leicht verändert wurde.
Ich hatte es schon damals gesagt, Du kamst eindeutig drei Jahre zu spät raus. Noch mit der Opulenz von 1987 und der Verweigerung der neuen seichten Richtung. Irgendwie hast Du eiskalt den Zeitgeist ignoriert und Deinen Hedonismus ausgelebt. Du machst da weiter, wo Bret Easton Ellis aufhört. Die Welt ist nunmehr multipolar geworden, verwobener, gewaltbereiter.
Ich muss schon sagen, Du warst und bleibst eine distinguierte Spaßbremse. Eine Main Rotation wie „Better the Devil you know“ von Kylie Minogue ließ Dich emotionslos streng blicken, ganz zu schweigen von Indie-Größen wie Ride.
Bloß nicht aufregen, Meister!
Ja, ja, ich lege auch schon die „Pavane pour une infante défunte“ von Maurice Ravel auf, Dein Lieblingsstück!
Kratzfuß und Verbeugung vor Durchlaucht! Wieder Freunde?
Diese schwermütig feierliche Trauer, die sich als immer wiederkehrendes Thema durchzieht. Dieser Grundakkord Deines Empfindens, der sich musikalisch wiederfindet in diesem warmen, weichen Klang des Holzes, nur eben mal unterbrochen durch einen kurzen, kühlen, scheinbaren Missklang des Blechs aus der Höhe; ein Spannungsakkord der gleich wieder zurückzwingt in die Schwermut Deiner Welt. Ein Spiegel gleichsam zu Deinem Hauptakkord von Rose, Zimt und Gartennelke.
Da schwingt diese Störung mit, jene elegante, unheilvolle Strenge der hellen Rose. Die grünlich herbe Gartennelke ist es, nicht wahr? Hier wird nicht gepudert (bitte verzeihen Sie in Cisleithanien), nein, die Pflanze zeigt ihre wehrhafte Seite.
Der Tanz auf dem zimtigen Vulkan, in der Ferne trübt sich das Bild. Denn Deine Rose ist nicht von dieser Welt. Ein subtiler Groll, vielleicht auch tiefer Gram, färbt ihre prachtvolle Hülle totenblass. Sie hätte längst verblühen sollen, doch Deine Gier holte sie zurück.
Mit den Ritualen der Karibik sollte man behutsam umgehen, mein Teuerster. Dies hätte Dir Deine altehrwürdige Verwandtschaft der 1920er längst mit auf den Weg geben sollen. Nun hast Du aber die Schwelle überschritten.
Aber lassen wir das!
Wie ich sehe, hast Du es doch geschafft, die Porträt-Sammlung bien comme il fallait aufzuhängen. Dir gelingt es einfach immer, alles elegant einzufangen!
Eine Basisnote so gediegen einzurahmen, oh là là! Chapeau, mon cher!
Diese schönen schwarzbraunen Sandelholz-Rahmen, die passenden Passepartouts in gebrochenem Vanille-Weiß. Ja, diese Sepia-Bilder verdienen diesen Glanz!
Wieso schauen bloß diese hübschen Menschen nur so entrückt traurig in die Kamera? Merkwürdig, sind da nicht ein paar von ihnen als vermißt gemeldet worden?
Wegen mir kannst Du „Alone“ von Colin Newmann wieder ausmachen.
Irgendwie geht Dir die Hebst-Winter-Kollektion von 1986/87 nicht mehr aus dem Kopf.
Ja, ich kann mich an Inès in diesem schwarzen Pulli mit passender Strumpfhose - fast wie ein Jumpsuit - und an diese ironische, braune, ambrierte Ledertasche als Minirock erinnern. Dramatischer Auftritt!
Aber den braunen Retriever als Begleithund magst Du bis heute nicht, ist es so? Du wolltest immer schon einen niedlichen Rottweiler auf den Straßen von Auteuil, Neuilly und Passy einfach nur spielen lassen.
Und wie Du den hellen Sandstein der Fassaden dieser prächtigen Paläste elegant warm anhauchst und die schwarzen Eisenbalustraden in ihrer Wirkung verstärkst, mir läuft es kalt den Rücken runter!
Gefällt Dir immer noch dieses architektonisch wertvolle Kleinod Canada Square in London zum müßigen Verweilen mit Deinen Bekanntschaften? Dann habe ich gute Neuigkeiten für Dich, der deutschsprachige Raum hat nicht geschlafen!
Wie wäre es mit der Friedrich-Ebert-Anlage in Frankfurt? Oder dem Bahnhof Hardbrücke in Zürich? Ganz fesch ist die Donau City zu Wien! Gekonnt mannigfaltiges Abwechseln dezenter Baumaterialien mit Schwerpunkt Glas und Stahl lassen den Palazzo Ducale in Mantua doch ziemlich alt aussehen, Shakespeare hin oder her. Du wirst begeistert sein!
Zum Thema Kleiderordnung brauche ich Dir wohl keine allzu legeren Vorschläge zu machen. Achte einfach nicht auf meinen Stil, Du stehst hier im Rampenlicht!
Trägst Du immer noch diese Dreiteiler in hellgrauem Glenchek zum flanieren? Weißes Hemd und rosa Krawatte samt pechschwarzer Sonnenbrille sind immer noch Deine treuen Begleiter an sonnigen Tagen, wie ich sehe.
Und abends bist Du unwiderstehlich in Deinem dunklen Anzug, mon charmeur.
Wie an jenem Geburtstagsdinner im Le Train Bleu im Pariser Gare de Lyon. Du hast einen wahren Eindruck auf Deine Begleitdame hinterlassen. Dein edles Geschenk, eine wertvolle, schwarz-silberne, halbautomatische Ruger in einer hochwertigen Mahagoni-Schatulle, den Auftrag, sich um die Gäste am Nebentisch zu kümmern und rasch über die Herrentoilette zu verschwinden, alles fügte sich zusammen.
Wieso bewarben Dich damals edle, eifersüchtige Schönheiten zu Prokofievs Tanz der Ritter aus Romeo und Julia von den Fenstern des Carlton an der Croisette in Cannes aus? Diese Art körperlicher Leidenschaft, die unersättliches Verlangen und Raserei verursacht, gilt eigentlich Deinem griechischen Vorgänger.
Mit schwarzem Rollkragenpulli aus Kaschmirwolle, edler, brauner Kordhose und Lederhandschuhen aber machst Du es Dir bequem auf dem lauschigen Drehsessel in sicherer Entfernung zum Bett und schaust nur bedächtig zu.
Mein Lieber, die Besuchszeit ist gleich vorüber, aber ich komme demnächst wieder vorbei, nur keine Routine aufkommen lassen.
Ach, ich hätte es beinahe vergessen! Ich konnte vorhin die von der Security ablenken und Dir was ganz Besonderes reinschmuggeln. Laß Dich bloß nicht damit erwischen!
Hier, Deine geliebte Mylène Farmer mit „Beyond my Control“.
Und noch eine Bitte, führe den Text nicht aus!
Bis bald, mein Großer…
Je ne comprends plus pourquoi
J'ai du sang sur mes doigts
Dors en paix je t'assure
Je veillerai ta sépulture,
mon amour
33 Antworten


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Ich bin Anfang der 90iger ihm vorgestellt worden.
Er hat mich lange Zeit begleitet, und war viel mehr als nur ein Parfum.
In meiner Nase fehlt es ihm heute allerdings etwas an Ausdruckskraft.
Scheint mal jedenfalls nicht so ein Langweiler wie #Bleu zu sein.
Même si je sens là l'effroi
Envahir tout mon être
Je te rejoindrai peut-être
Ich möchte mich anschließen, aber nur meinen Vorredner*innen:
Fantastique!
- und Inès, Le Train bleu...
- eine olfaktorische und gedankliche Reise, ein Vergnügen, diesen Text zu lesen...
Wieder sehr gerne gelesen.
Muss gleich mal meine Fensterläden zuschlagen...
Eins werde ich mein Lebtag aber nicht vergessen: Den Werbefilm, in dem die Frauen die Balkontüren aufreißen und "Égoiste" rausschreien.
Aber "Sans contrefaçon" würde auch sehr gut passen. Und ich habe gerade entschieden, daß ich den Egoisten bald mal wieder haben möchte. Daran bist Du dann schuld :-D