Les Exclusifs de Chanel

Sycomore 2008 Eau de Toilette

Version von 2008
Profumo
13.03.2010 - 10:40 Uhr
52
Top Rezension
8
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft

Coco Chanels Traum vom Holz.....

Coco Chanel träumte Anfang der 30er Jahre von einem großen, perfekten, durch und durch holzigen Parfum im unverkennbaren Chanel-Stil: barock in der Anmutung, aber ohne Firlefanz. Ernest Beaux, der Schöpfer der großen Chanel-Duftklassiker komponierte einen holzig-balsamischen Duft. Man taufte ihn Sycomore und präsentierte ihn, einer edlen Zigarre gleich, in einem hölzernen Kästchen. Sycomore (fr.), Sycamore (amer.), bei uns der Sykomore, ist ein in Afrika weitverbreiteter Maulbeer-Feigen-Baum, ein Verwandter des Ahorn und der Platane.
Warum auch immer, der Duft fand seinerzeit kaum Beachtung – vielleicht entsprach er auch einfach nicht dem Stilempfinden jener Epoche, war womöglich zu betont holzig, wer weiß. Tatsache ist, er wurde eingestellt und verschwand für immer von den Regalen. Als es dann 2008 hieß, Chanel würde seine Serie ‚Les Exclusifs’ um einen Duft namens Sycomore erweitern war das Rätselraten allgemein groß: Sycomore, war das nicht jenes uralte, längst nicht mehr produzierte Parfum von Ernest Beaux?
Bald jedoch war klar, es würde nicht zu einem Revival eines weiteren Ernset Beaux Duftes kommen, sondern zu einer Neu-Interpretation des originalen Duftkonzeptes. Holz riecht im Jahre 2008 eben anders als im Jahre 1930, auch wenn Holz schon immer gleich gerochen hat, so kann die Idee wie Holz riechen könnte doch - je nach herrschender Mode - stark variieren. Natürlich stellt sich auch die Frage: behandeltes Holz oder unbehandeltes, frisch geschlagenes oder das Holz alter Truhen... usw. Holz hat viele Facetten und jede eine eigene Duftnote.
Das neue Sycomore sei, den Vorab-Berichten zufolge nicht mehr balsamisch süß, sondern herb-grün, rauchig und moosig. Entsprechend bilde nicht mehr ein Zeder-Tabak Akkord das Gerüst des neuen Duftes, sondern ein Akkord aus Vetiver- und Zypressen-Noten. Weg von einem eher orientalischem Konzept, hin zu einem würzig-frischen Chypre.

Zunächst war ich etwas enttäuscht, dass die Chance ein Parfum des großen Ernest Beaux buchstabengetreu wieder zu beleben nicht genutzt wurde und stattdessen ein weiteres um eine Vetivernote zentriertes Parfum, diesmal eben von Chanel, auf den Markt kommen sollte. Gab es doch schon so viele wirklich gute Vetiver-Düfte: Vetiver Extraordinaire z.B., oder Encre Noire. Dennoch, ich konnte den Tag kaum erwarten an dem das neue Sycomore endlich ausgeliefert werden sollte. Aber es kam und kam nicht, und die freundlichen Damen in der Chanel Boutique haben mich das eine oder andere Mal unverrichteter Dinge wieder abziehen sehen. Wir verblieben eines Tages derart, dass sie sich einfach bei mir meldeten, wenn es da sei – und tatsächlich, zwei Tage später kam der Anruf, und ich war baldigst zur Stelle. Eine interessante Szene: um mich herum drei Chanel-Mitarbeiterinnen sowie der Security-Mann, immer die riesige Eingangstüre im Blick. Auf der Glasvitrine einer der typischen Riesenflakons der ‚Les Exclusifs’-Serie, diesmal mit der Aufschrift: Sycomore. Eine der Damen besprühte unser aller Handrücken, inklusive den des Mannes von der Türe. Und dann schnupperten wir: ahh und ohh! Die eine fand´s interessant, die andere unkonventionell, die dritte sagte glaube ich: macht irgendwie süchtig, aber wäre nix für sie. Der Mann sagte nichts und sah mich an. Ich sagte: riecht nach Weihrauch. Alle pflichteten bei: ja, Weihrauch. Das hätten sie bei der Mitarbeiterschulung auch gesagt bekommen. Eine skurrile Szene. Zwei junge Japanerinnen kamen herein, die Runde löste sich auf. Ich beschloss, mit einer der Damen zurückbleibend, den Duft zu kaufen (war schon vorher klar...). Sie sagte noch, der Duft sei eher für Damen bestimmt, aber sie seien angewiesen ihn auch den begleitenden Herren zu empfehlen. Ihr selbst sei er viel zu männlich, aber an mir: hmmm, sehr gut! Diesen Hinweis brauchte ich schon gar nicht mehr, mein Kaufentschluss stand eh fest, wie gesagt.
Zuhause reihte ich diesen Duft zwischen Bois des Iles und Cuir de Russie ein und ich muss sagen, diesen Ehrenplatz hält er noch heute – er macht den ‚alten’ alle Ehre!

Obwohl ein Vetiver-zentrierter Duft ist er doch komplexer als man meinen könnte und weit davon entfernt einfach nur eine Variante in der Reihe der großen Vetiver-Düfte, beginnend mit Givenchy´s legendärem Vetyver bis hin zu Lalique´s Encre Noire, zu sein. Nein, Jacques Polge hat es geschafft alle Aspekte, die feucht-grünen wie die trocken-holzigen, der Vetiver-Wurzel millimetergenau freizulegen, und mit Zypressen- und Sandelholznoten zu einem Akkord zu vereinen, der tatsächlich eines vermittelt: Holz, frisches Holz, noch in der Erde wurzelnd, mit jungen, grünen Trieben. Holz, nicht herbstlich absterbend, sondern frühlingshaft sprießend.
Insofern ist es eigentlich falsch von Sycomore als einem Vetiver-Duft zu sprechen, obwohl der Duft dieser Wurzel sich zu Beginn geradezu aufdrängt. Aber im Zusammenspiel mit den anderen Noten reiht sich dessen Solopart zusehends in ein wunderbares Miteinander ein.
Ob Coco Chanel dieser Duft gefallen hätte? Ja, ich könnte es mir vorstellen, denn er entspricht exakt ihrem Credo: Barock in der Anmutung, streng und nobel im Stil!

Ein besonderes Merkmal dieses Duftes ist auch dessen klassischer, übrigens extrem lang anhaltender Duftverlauf.
Die erste Phase ist allerdings, das muss erwähnt werden, etwas prekär. Denn wer Sycomore trägt, läuft Gefahr, gefragt zu werden: ob man das auch riechen würde, hier rauche doch irgendwo jemand Gras?! Dass man selbst der Auslöser dieses Verdachtes ist, erkennt der Frager in der Regel nicht, denn er sieht ja, dass man keine Tüte zwischen den Fingern hat. Also jemand anderes, aber wer? Tja, das ist mir schon ein paar Mal passiert. Da muss er durch, der Sycomore-Träger. Aber diese Marihuana-Note ist auch elegant, ziemlich sogar, und vorallem: süchtig machend, wie es sich für Marihuana gehört! Trotzdem, keine Angst, man läuft nicht den ganzen Tag wie ein glimmender Joint riechend durch die Gegend, denn schon nach kurzer Zeit fangen die holzigeren Herznoten die eher scharfe Marihuana-Note wieder ein und vereinen sich zu einem warm-würzigen Aroma.
Die letzte Phase dieses Duftes ist diejenige, die ich fast am meisten liebe – ich kann dann gar nicht aufhören an mir selbst zu schnuppern... Es ist die Phase in welcher der Duft plötzlich seine Chypre-Basis enthüllt – und ich bin ein Chypre-Junkie! Ich weiß nicht wie Jacques Polge das gemacht hat, denn soviel mir bekannt ist beinhaltet dieser Duft kein Eichen- oder Baummoos – essentiell für ein Chypre. Aber irgendetwas an ihm, bzw. in ihm, erweckt in mir exakt dieses Chypre-Feeling und ich muss immer an Mitsouko von Guerlain denken – Mitsouko, wenn Pfirsich, Bergamotte und Blüten verflogen sind und die lang anhaltende würzige und erdige Phase des Duftes beginnt, in der auch eine Vetivernote aufblüht. Hier treffen sie sich, Sycomore und Mitsouko.

Und der Chypre-Junkie ist im Delirium!

Sycomore 1930
Top notes: Bergamot, Neroli
Heart notes: Ylang-ylang, Rose, Jasmine, Honeysuckle
Bottom notes: Cedar, Violet, Tobacco, Sandalwood, Musk

Beschreibung des Duftes auf der Chanel-Seite:

A rich-wood fragrance with a noble character -- like the Sycomore tree that inspired it -- created by CHANEL Master Perfumer Jacques Polge in 2008. At the heart of the scent: Vetiver, with an elegant Sandalwood note and dashes of Cypress, Juniper and Pink Pepper, for an earthy, warm and enveloping, yet subtle presence.
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