Cašmir 1991 Eau de Parfum

Ponticus
24.04.2021 - 09:39 Uhr
86
Top Rezension
9
Preis
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft

Von Träumen und Fantastereien!

Ich träume gern und häufig! Zur vielleicht eingebildeten Unterstützung dessen, gehe ich gern am Abend mit einem Sprüher Parfüm zu Bett. Eingedenk des vor etlichen Tagen erschienenen guten Blogs „Sind unsere Nasen geschlechtsspezifisch erzogen“ von der netten Dame hinter LS5 zum Thema „Heteronormativität in der Parfümwelt“, beschloß ich mit Cašmir von Chopard mal wieder einen Damenduft zu wählen. Tollkühn riskierte ich zwei kräftige Spritzer und schlief wie gewohnt zügig ein.

Irgendwann in der Nacht, es war jedenfalls noch dunkel, hörte ich ein lautes Rumpeln und bemerkte ein gelbes, recht helles Licht auf meinem Nachttischkasten. Schemenhaft sehe ich ein goldblitzendes Etwas leicht taumelnd, wie ein Blatt im Winde, darauf niedergehen. Diese, für mich fliegende Untertasse ähnelte dem Cašmir-Flakon exakt. Plötzlich höre ich aufgeregte Stimmen schimpfend aus einer etwas muffig riechender Duftwolke an mein Ohr dringen.

„So ein Mist, was haben wir aber auch für ein Pech in letzter Zeit.“
„Da sagst Du was, aber bloß nicht aufregen.“
„Von wegen! Wir müssen hier ganz vorn für einen ersten guten Eindruck sorgen, das richtige Ziel finden und ansteuern, während die Basis von hinten Befehle gibt und es sich gut gehen läßt. Wo sind wir überhaupt gelandet?“
„Hallo ihr kleinen Geister“ höre ich mich sagen! „Was macht ihr denn hier und wieso riecht es hier so sonderbar?“
„Jedesmal das Selbe“ blafft es zurück, „beim Bremsen kracht die Ladung Kokosnüsse immer gegeneinander, einige platzen und dünsten dann aus. Ich schmeiß die gleich raus, die alten reifen Früchte ebenfalls und sprühe was Frisches dazu, dann riechts gleich wesentlich besser und wir können reden.“

Tatsächlich duftet es bald herb-fruchtig nach Pfirsich und auch schon intensiv, süß-würzig nach Vanille. Gemeinsam drängen sie die leicht modrige Kokosmakronennote in den Hintergrund. Gleichzeitig kommt ein dunkles, erdig-blumiges Wärmegefühl auf.

„Na so besser der Herr“, nörgelt es mir entgegen.
„Natürlich“ antworte ich, „aber was wollt ihr hier.“
„Wir sind auf der Suche nach einer neuen Trägerin, vielleicht einer feinen Dame oder einem selbstbewußten Mädel mit Charakter, das uns wert schätzt und wo wir uns voll entfalten können.“
„Damit kann ich nicht dienen. Die einzige Dame hier ist meine Frau und die mag keine kleinen grünen Männchen und auch keine goldigen wie euch. Wie wäre es denn mit einem Mann?“
„Wohl verrückt geworden!“ knurrt es unwirsch allenthalben.
„Wir machen uns gar nix aus Männern, diesen haarigen Biestern. Entweder sie schütten irgendeine frische, aquatische, grün-krautige Brühe über uns und wir versaufen elendiglich. Oder sie dieseln uns mit oudlastigem, harzigen Rauch ein und wir ersticken im Qualm. Nein, mit Männern wollen wir nichts zu tun haben.“

Die tobende Aufregung, insbesondere auch an der Basis, war so groß, daß, selbst für eine Leckermaul wie mich, die einsetzende vanillig-ambrierte Süße sich für einen Augenblick als etwas bedrohlich entpuppte. Die Gefahr war jedoch unbegründet, denn die balsamischen Hölzer binden die starke Vanille samtigweich, der Patchouli gibt Struktur und der Moschus tut das Seine um der mystischen Vanille ein orientalisch-erotisierendes Flair zu geben.

„Keine Frauen da Käpt'n! Wie kommen wir nun raus aus dem Schlamassel?“
„Alle Ladung von Bord, Gewicht verlieren, Hölzer, Vanille und den anderen Kram fort!“

Der Duft gewinnt damit an Schwere und Tiefe. Eine ganze Weile herscht dann Ruhe und ich genieße unterbewust die angenehme, geradlinige Strenge dieser üppigen, süß-holzigen Vanille bevor erneut griesgrämige Laute zu mir drangen.

„Flakon endlich klar“ platzt eine erregte Stimme heraus, „wir duften ab!“.
Alle meine Versuch sie zu halten, umzustimmen und es mit mir zu versuchen, gingen ins Leere.

Ich empfand eine wohlige Wärme, als ich nach gefühlt acht Stunden die Augen öffnete. Der Cašmir-Flakon stand auf dem Nachttischkasten, die goldene Kuppel lag daneben und der vanillige Duft an mir war noch allgegenwärtig. Unbewusst vernahm ich schnell schwächer werdende, immer noch leicht grummelnde Stimmen. Mit dem festen Vorsatz es diesen kleinen Rackern einmal zu zeigen, startete ich frohgelaunt und mit einigen Spritzern Cašmir auf Hals und Armbeuge in einen duftigen Tag!

Herzlichen Dank für den träumerischen Mitflug zu ungewohnten Ufern!

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