Duftsucht
Sehr hilfreiche Rezension
6
Perfekter Nicht-Duft für den unsichtbaren Mann…
Können die im Alter etwas fortgeschritteneren Leser*innen sich noch an eine Serie aus den Siebzigern erinnern? „Der Unsichtbare“ hieß sie und war in schwarz-weiß. So eine schräge Geschichte von einem Wissenschaftler, der etwas erfindet, das unsichtbar macht. Böse Regierung will Erfindung klauen und militärisch nutzen, heldenhafter Wissenschaftler muss flüchten (unsichtbar natürlich). Wie es weiterging: Keine Ahnung mehr! Aber eines ist sicher: Der unsichtbare Mann würde heute vermutlich Clean Rain verwenden.
Der Duft ist eine Lehrstunde in Anpassung: Der Start ist in den ersten Sekunden ja etwas melonisch-zitrisch und beschwingt – und ja, deutlich wahrnehmbar. Das wäre natürlich die Sekunde, in der sich unser unsichtbarer Held durch olfaktorische Sichtbarkeit etwas verletzlich sein würde. Allzu groß wäre das Risiko allerdings nicht, denn umgehend gesellt sich ein wenig angeblümeltes Grünzeug mit einer ganz leicht bitter-salzigen Note dazu. „Weiße Blüten“ behauptet die Pyramide? Oh ja, das kann ich glauben, aber sicher mit Stengel verarbeitet! So etwas wie weißer Salbei mit Stumpf und Stiel oder Maiglöckchen mit Blatt oder so.
Wenn in dieser Phase die bösen Regierungstruppen unseren unsichtbaren Helden eingekreist hätten, wären sie wohl irritiert. Hat mein Kumpane auf der linken Seite Halsweh und hat vor längerer Zeit ein Salbei-Bonbon gelutscht – und hat mein Kollege rechts von mir eventuell einen Touch von Angstschweiß auf der Stirn? Der Geruch des eigenen Hemds, bei dem die beste Ehefrau von allen trotz aller Bitten darauf besteht, immer wieder die Duftrichtung „Weiße Frühlingsblüten im grünen Gras“ zu verwenden, mischt sich da nicht unangenehm ein.
Die Regierungstruppen ziehen sich verwirrt zurück und unser Held kann sich entspannt in seinem Ohrensessel zurücklehnen. Schließlich ist das Ende des Duftes vollkommen ungefährlich für ihn. Er wird einfach immer schwächer, bis er sich in einem zarten Fade-out in die Haut des Unsichtbaren zurückzieht.
Eindeutige Themaverfehlung für mich ist der Name: Regen? Wo ist hier Regen? Ich rieche hier keinen Regen!
Den Duft finde ich nett, aber nicht so, dass ich ihn haben möchte. Mein persönlicher Sauber-unsichtbar-frisch-Duft ist nämlich nach wie vor L’eau von Serge Lutens und das kann dieser Duft, der unter falschem Namen segelt, nicht ändern!