10.07.2013 - 14:16 Uhr
Siebter
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Siebter
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Speedberry
Die achte Serie von Comme des Garçons ist mit nur zwei Düften die kleinste. Sie widmet sich dem Konzept der Guerrilla-Stores, dessen Ursprung mehr mit der Idee der Guerilla-Taktik zu tun hat als mit dem sogenannten Guerilla-Marketing nach Jay C. Levinson: in verschiedenen Städten wie Los Angeles, Singapur, Glasgow, Berlin, Beirut und vielen anderen wurden schmucklose, auf das wesentliche reduzierte Boutiquen mit Mode von Comme des Garçons eröffnet, die nach exakt einem Jahr wieder geschlossen wurden, egal wie gut oder schlecht sie liefen. Diese Boutiquen fanden sich nicht in prachtvollen Einkaufsstraßen, sondern in maroden Werkshallen, heruntergekommenen Vororten und dergleichen, provozierten also ganz bewusst einen Clash bei so ziemlich allen Beteiligten. Interessanterweise waren die Guerrilla-Stores sehr erfolgreich - nicht das erste Mal, dass ein vermeintliches Anti-Konzept von Rei Kawakubo auf wohlwollendes Interesse stieß.
Ich nehme jedoch an, dass Frau Kawakubo bei aller souverän ausgespielter Avantgarde der Faktor Charme nicht ganz unwichtig ist. Guerrilla2 ist ohne Frage ein aufmunternder kick-in-the-ass-Duft, insofern der Name durchaus passt, aber schon die Eröffnung ist, wenn auch überfallartig, so doch vor allem eines: charmant. Von den hier angegebenen Kopfnoten nehme ich nicht allzu viel wahr, G2 startet auf meiner Haut mit einer tiefroten, frisch geschnittenen Paprika, dampfend wie gerade aus dem Schnee gezogen und mit heißem Wasser übergossen. Dieser herbe, kompakte und ungemein kontrastreiche Akkord ist ungewöhnlich, funktioniert aber verdammt gut; mir verschafft G2 ziemlich zuverlässig gute Laune.
Nach etwa zehn Minuten offenbart sich der Hauptdarsteller von G2, die Himbeere. Ahoibrausen-feeling will sich bei mir nicht einstellen, so richtig natürlich ist diese Himbeere aber auch nicht. An und für sich ist alles da: die typisch herbsaure Frucht und eine feine Süße, für etwa drei Minuten hat es ganz leicht Puderzucker geschneit. Aber diese Himbeere ist tiefer, dunkler, näher an der Nase - so als ob man deren Moleküle tanzen sehen könnte, gleichzeitig monumental und raumgreifend. Hinzu kommt, dass sie sich bisweilen der Paprika annähert und deren vegetablen Vibe nachahmt, was gar nicht verwirrend ist, sondern einfach richtig gut, denn dies alles geschieht bei aller Dynamik souverän und mühelos.
Die Tuberose stellt für mich einen missing link in der extrem langen Herzphase von G2 dar. Obwohl ich Tuberosendüfte eigentlich sehr mag, erkannte ich diese Note erst bei der Recherche zu diesem Kommentar. Tatsächlich ist sie gut herauszuriechen, wenn man um sie weiß, zumal sie eigentlich recht typisch auftritt, also hypnotisch, floral und ziemlich femme. In G2 findet sie jedoch als subtil wirkende funktionale Komponente Anwendung, nämlich als Mittlerin zwischen Paprika und Himbeere. Ziemlich eigentümlich eigentlich und ein schönes Beispiel für das Denken außerhalb der Schachtel.
Eine Freundin wies mich irgendwann auf eine stark metallische Komponente in G2 hin, ein Eindruck, den ich seitdem teile und nicht abschütteln mag, denn dieser Metallvibe ist wirklich schön - nicht kalt und verchromt, sondern warm, wie eine in der Sonne liegende Eisenstange, deren Farbe schon abgeblättert ist. Wie in vielen Düften von CdG werden synthetische Akkorde und Texturen hier sehr zentral gesetzt, dennoch wirkt G2 auf mich nicht künstlich oder lieblos, sondern trotz seines unorthodoxen Charakters rund und ausgewogen.
Eine abstrakte Paprika-Explosion zu Beginn, dann mutierende close-ups einer Himbeere, darüber ein eigentümlicher Metallvibe - G2 ist zumindest nicht langweilig. Meine große Liebe zu diesem Duft wird zudem noch durch die außerordentliche Performance befeuert. Lolita beschreibt es in ihrem Kommentar sehr treffend: eine Sillage aus purem Gold mit Swarowski-Steinchen obendrauf. G2 wird nie anstrengend, es verteilt sich fein und gleichmäßig um den Träger, aber die Reichweite ist selbst bei mittlerer Dosierung wirklich enorm und weithin wahrnehmbar. Auch die Haltbarkeit fällt erfreulich aus, acht Stunden und mehr bleibt G2 bei mir, die Himbeere krallt sich geradezu fanatisch an Kleidungsstücke fest.
Die zedrige Moschusbasis ist richtig schön, sanft, immer noch sehr frisch und uplifting, mit einem leisen, grasigen Grundton. Für sich betrachtet empfinde ich sie als vergleichsweise unspektakulär, glücklicherweise überlebt die Himbeere aus der Herzphase wie beschrieben auf Kleidung sehr lange und wird so gewissermaßen zur Basisnote, die dem Ausklang etwas mehr Kontrast verleiht.
Der Sommer 2013 ist für mich der Sommer von G2. Keinen anderen Duft habe ich in den letzten zehn Wochen so oft aus dem Regal geholt, insbesondere wenn es richtig sonnig war. Die nonchalante Dynamik von G2 trägt mich angenehm durch den Tag und bleibt dabei edgy und abseits ausgelatschter Pfade. G2 ist funktional im Sinne von alltagstauglicher down-to-earth-ness, er ist keinesfalls fragil oder gekünstelt. Dabei vermittelt er mir eine anarchistische Fröhlichkeit, die unbeschwertes Denken und Fühlen herausfordert wie kaum ein anderer Duft. G2 scheint mir auf seine enorm starke psychoaktive Wirkung geradezu getrimmt worden zu sein, und es würde mich wirklich nur ein wenig wundern, wenn ich morgen die Zeitung aufschlüge und dort läse, dass polizeiliche Ermittlungen ergeben hätten, dass die Modefirma Comme des Garçons verschiedene aufputschende Substanzen in ihre Parfums mischen würde. G2 löst eigentlich keine Bilder oder Szenerien in mir aus, sondern vor allem serotoningetränkte Empfindungen.
Noch ist G2 aber frei erhältlich, soweit ich weiß. Nutzt es aus, cooles Zeug.
Ich nehme jedoch an, dass Frau Kawakubo bei aller souverän ausgespielter Avantgarde der Faktor Charme nicht ganz unwichtig ist. Guerrilla2 ist ohne Frage ein aufmunternder kick-in-the-ass-Duft, insofern der Name durchaus passt, aber schon die Eröffnung ist, wenn auch überfallartig, so doch vor allem eines: charmant. Von den hier angegebenen Kopfnoten nehme ich nicht allzu viel wahr, G2 startet auf meiner Haut mit einer tiefroten, frisch geschnittenen Paprika, dampfend wie gerade aus dem Schnee gezogen und mit heißem Wasser übergossen. Dieser herbe, kompakte und ungemein kontrastreiche Akkord ist ungewöhnlich, funktioniert aber verdammt gut; mir verschafft G2 ziemlich zuverlässig gute Laune.
Nach etwa zehn Minuten offenbart sich der Hauptdarsteller von G2, die Himbeere. Ahoibrausen-feeling will sich bei mir nicht einstellen, so richtig natürlich ist diese Himbeere aber auch nicht. An und für sich ist alles da: die typisch herbsaure Frucht und eine feine Süße, für etwa drei Minuten hat es ganz leicht Puderzucker geschneit. Aber diese Himbeere ist tiefer, dunkler, näher an der Nase - so als ob man deren Moleküle tanzen sehen könnte, gleichzeitig monumental und raumgreifend. Hinzu kommt, dass sie sich bisweilen der Paprika annähert und deren vegetablen Vibe nachahmt, was gar nicht verwirrend ist, sondern einfach richtig gut, denn dies alles geschieht bei aller Dynamik souverän und mühelos.
Die Tuberose stellt für mich einen missing link in der extrem langen Herzphase von G2 dar. Obwohl ich Tuberosendüfte eigentlich sehr mag, erkannte ich diese Note erst bei der Recherche zu diesem Kommentar. Tatsächlich ist sie gut herauszuriechen, wenn man um sie weiß, zumal sie eigentlich recht typisch auftritt, also hypnotisch, floral und ziemlich femme. In G2 findet sie jedoch als subtil wirkende funktionale Komponente Anwendung, nämlich als Mittlerin zwischen Paprika und Himbeere. Ziemlich eigentümlich eigentlich und ein schönes Beispiel für das Denken außerhalb der Schachtel.
Eine Freundin wies mich irgendwann auf eine stark metallische Komponente in G2 hin, ein Eindruck, den ich seitdem teile und nicht abschütteln mag, denn dieser Metallvibe ist wirklich schön - nicht kalt und verchromt, sondern warm, wie eine in der Sonne liegende Eisenstange, deren Farbe schon abgeblättert ist. Wie in vielen Düften von CdG werden synthetische Akkorde und Texturen hier sehr zentral gesetzt, dennoch wirkt G2 auf mich nicht künstlich oder lieblos, sondern trotz seines unorthodoxen Charakters rund und ausgewogen.
Eine abstrakte Paprika-Explosion zu Beginn, dann mutierende close-ups einer Himbeere, darüber ein eigentümlicher Metallvibe - G2 ist zumindest nicht langweilig. Meine große Liebe zu diesem Duft wird zudem noch durch die außerordentliche Performance befeuert. Lolita beschreibt es in ihrem Kommentar sehr treffend: eine Sillage aus purem Gold mit Swarowski-Steinchen obendrauf. G2 wird nie anstrengend, es verteilt sich fein und gleichmäßig um den Träger, aber die Reichweite ist selbst bei mittlerer Dosierung wirklich enorm und weithin wahrnehmbar. Auch die Haltbarkeit fällt erfreulich aus, acht Stunden und mehr bleibt G2 bei mir, die Himbeere krallt sich geradezu fanatisch an Kleidungsstücke fest.
Die zedrige Moschusbasis ist richtig schön, sanft, immer noch sehr frisch und uplifting, mit einem leisen, grasigen Grundton. Für sich betrachtet empfinde ich sie als vergleichsweise unspektakulär, glücklicherweise überlebt die Himbeere aus der Herzphase wie beschrieben auf Kleidung sehr lange und wird so gewissermaßen zur Basisnote, die dem Ausklang etwas mehr Kontrast verleiht.
Der Sommer 2013 ist für mich der Sommer von G2. Keinen anderen Duft habe ich in den letzten zehn Wochen so oft aus dem Regal geholt, insbesondere wenn es richtig sonnig war. Die nonchalante Dynamik von G2 trägt mich angenehm durch den Tag und bleibt dabei edgy und abseits ausgelatschter Pfade. G2 ist funktional im Sinne von alltagstauglicher down-to-earth-ness, er ist keinesfalls fragil oder gekünstelt. Dabei vermittelt er mir eine anarchistische Fröhlichkeit, die unbeschwertes Denken und Fühlen herausfordert wie kaum ein anderer Duft. G2 scheint mir auf seine enorm starke psychoaktive Wirkung geradezu getrimmt worden zu sein, und es würde mich wirklich nur ein wenig wundern, wenn ich morgen die Zeitung aufschlüge und dort läse, dass polizeiliche Ermittlungen ergeben hätten, dass die Modefirma Comme des Garçons verschiedene aufputschende Substanzen in ihre Parfums mischen würde. G2 löst eigentlich keine Bilder oder Szenerien in mir aus, sondern vor allem serotoningetränkte Empfindungen.
Noch ist G2 aber frei erhältlich, soweit ich weiß. Nutzt es aus, cooles Zeug.
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