01.11.2019 - 15:59 Uhr
Meggi
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33
Kommissar Olfattke nimmt eine Auszeit
Erstes Kapitel – Am Meer
“Was machst du da?”
Bertram Olfattke zuckte zusammen. Die Stimme hatte ihn aus fernen Erinnerungen an Urlaub in den Bergen gerissen. Er sah auf und erblickte einen Jungen von vielleicht acht Jahren, der, ein dunkelblaues Kinderfahrrad zwischen den Beinen, neben der Bank stand. Hinter ihm äugte ein etwas jüngeres Mädchen herüber, das den Griff eines Rollers umklammert hielt und das Gefährt mit dem rechten Fuß vor- und zurückschob – als sei sie nicht sicher, ob es gleich zu flüchten galt. Angst schienen die beiden jedoch keine zu haben, eher hatte Olfattke den Eindruck, unfreiwilliges Objekt einer Art Mutprobe geworden zu sein.
Es wäre kein Wunder, wenn sie ihn dafür ausgewählt hätten. Er musste einfach verschroben wirken, wie er da in seiner ausgeblichenen Jacke in der Sonne saß, während allenthalben die Strandbesucher in leichter, sommerlicher Kleidung die Laboer Promenade entlangflanierten.
“Was machst du da?”, wiederholte der Junge seine Frage und das Mädchen, nun offenbar überzeugt, dass keine unmittelbare Gefahr drohte, rückte näher.
„Ich schnüffele. Schließlich bin ich ein Schnüffler.“
Das stimmte. Beides. Obwohl das Wortspiel natürlich unfair war. Tatsächlich war er dabei, einen Duft zu probieren. Zwei Pröbchen mit Meeres-Düften mitzunehmen, hatte er passend gefunden. Sie würden sich dem Direktvergleich mit der Ostsee stellen müssen. Dann war es wenigstens zu irgendetwas nutze, dass ihn die Polizei-Psychologin zu diesem Urlaub genötigt hatte. Monatelang hatte sie ihn bearbeitet...
Zumindest mit dem heutigen Machwerk war meer-mäßig nicht viel los. Das Zeug hatte ihm eine warm-süßlich-stechende Eröffnung um die Nase gehauen, nahe an Backaroma-Übersüß-Pieksen. Die schwülstige Blütigkeit von Maiglöckchen passte leider nur allzu gut hinein. Zügig war eine diffuse Meeres-Note gefolgt, die im Verein mit der Süße allenfalls ein psychedelisches Sonnenbad an einem Weichzeichner-Strand nachbilden mochte. Die angeblich enthaltene Strohblume war wahlweise heroisch oder ein gespielter Witz. Mit viel gutem Willen konnte man an sowas wie würziges Heu denken. Almwiesen-Heu, wie damals im Berchtesgadener Land, Ferien mit seinen Eltern. Länger als ein halbes Jahrhundert war das her, wie er gerade missmutig ausgerechnet hatte. Mannomann… Und in diese Überlegung war der Junge mit seiner Frage geplatzt.
Mit Mühe schaffte Olfattke es, ernst zu bleiben, als er zwei Augenpaare schlagartig größer werden sah. Dahinter lief gewiss just ein Kopf-Kino im Stil eines absurden Theaterstückes zum Thema „Schnüffler“. Allerdings wich seine heimliche Freude rasch einem anderen, fremden Gefühl. Erstaunt stellte er fest, dass er die unbefangene Neugier der Kinder sympathisch fand. Vertrauenerweckend.
„Ich bin Polizist. Bei der Kriminal-Polizei. Und wir werden ja manchmal Schnüffler genannt. Das hat aber nichts mit dem Schnüffeln eben zu tun. Ich teste ein Parfüm.“
Die Augen wurden womöglich noch größer. Wenn schon, denn schon, dachte Olfattke, kramte eine Visitenkarte heraus, besprühte sie kurz und hielt sie den beiden hin. Die schnupperten vorsichtig - und kräuselten die Lippen. Aha, ein Fall von ‚Kindermund tut Wahrheit kund‘ konstatierte der Kommissar fröhlich, nahm die Karte wieder entgegen und warf sie in einen Abfalleimer.
Mehrere Sekunden gespannten Schweigens vergingen, ehe ihm dämmerte, dass allein der Verweis auf ein seltsames Hobby kindlichen Wissensdurst nicht stillen konnte.
Richtig.
„Fängst du Verbrecher?“, sprudelte es aus dem Mädchen hervor.
„Ja. Bloß nicht jetzt. Jetzt mache ich Urlaub.“
„Und warum gehst du nicht an den Strand? Alle gehen an den Strand!“
Olfattke zögerte mit der Antwort. Doch warum nicht?
„Eigentlich mag ich den Strand nicht besonders. Eine Ärztin meinte, dass ich mal hierherfahren sollte. Vor einiger Zeit ist nämlich ein Kollege von mir…gestorben. Und das wäre nicht passiert, wenn wir die…Verbrecherin gleich festgenommen hätten. Das ist keine schöne Erinnerung.“
Eine halbe Stunde und viele, viele Fragen und behutsame Erklärungen später sah er zu, wie Jan und Lena in waghalsigem Slalom zwischen den Spaziergängern hindurch nach Hause kurvten, um rechtzeitig zum Mittagessen zu kommen.
An diesem Tag saß der Kommissar noch lange still auf seiner Bank, tief in Gedanken versunken. Nurmehr beiläufig verfolgte er, wie eine brackig-kunstholzige Anmutung seinen Test-Kandidaten allmählich in eine lust- wie harmlose diffus-süßlich-cremige, algig-blümerante Gemengelage überführte. Sofern das der Geruch des Süd-Pazifiks war: Dafür musste keiner um die halbe Welt fliegen.
Endlich erhob er sich, ein wenig steif im Rücken und machte sich auf den Weg in seine kleine Pension. Die Aussicht auf das betulich-gluckenhafte Geplappere der Wirtin ließ ihn innerlich seufzen. Er würde sich zeitig auf sein Zimmer verabschieden und bis tief in die Nacht lesen.
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Die übrigen Kapitel:
2. Zoologist, Bat
3. Profumum Roma, Acqua di Sale
“Was machst du da?”
Bertram Olfattke zuckte zusammen. Die Stimme hatte ihn aus fernen Erinnerungen an Urlaub in den Bergen gerissen. Er sah auf und erblickte einen Jungen von vielleicht acht Jahren, der, ein dunkelblaues Kinderfahrrad zwischen den Beinen, neben der Bank stand. Hinter ihm äugte ein etwas jüngeres Mädchen herüber, das den Griff eines Rollers umklammert hielt und das Gefährt mit dem rechten Fuß vor- und zurückschob – als sei sie nicht sicher, ob es gleich zu flüchten galt. Angst schienen die beiden jedoch keine zu haben, eher hatte Olfattke den Eindruck, unfreiwilliges Objekt einer Art Mutprobe geworden zu sein.
Es wäre kein Wunder, wenn sie ihn dafür ausgewählt hätten. Er musste einfach verschroben wirken, wie er da in seiner ausgeblichenen Jacke in der Sonne saß, während allenthalben die Strandbesucher in leichter, sommerlicher Kleidung die Laboer Promenade entlangflanierten.
“Was machst du da?”, wiederholte der Junge seine Frage und das Mädchen, nun offenbar überzeugt, dass keine unmittelbare Gefahr drohte, rückte näher.
„Ich schnüffele. Schließlich bin ich ein Schnüffler.“
Das stimmte. Beides. Obwohl das Wortspiel natürlich unfair war. Tatsächlich war er dabei, einen Duft zu probieren. Zwei Pröbchen mit Meeres-Düften mitzunehmen, hatte er passend gefunden. Sie würden sich dem Direktvergleich mit der Ostsee stellen müssen. Dann war es wenigstens zu irgendetwas nutze, dass ihn die Polizei-Psychologin zu diesem Urlaub genötigt hatte. Monatelang hatte sie ihn bearbeitet...
Zumindest mit dem heutigen Machwerk war meer-mäßig nicht viel los. Das Zeug hatte ihm eine warm-süßlich-stechende Eröffnung um die Nase gehauen, nahe an Backaroma-Übersüß-Pieksen. Die schwülstige Blütigkeit von Maiglöckchen passte leider nur allzu gut hinein. Zügig war eine diffuse Meeres-Note gefolgt, die im Verein mit der Süße allenfalls ein psychedelisches Sonnenbad an einem Weichzeichner-Strand nachbilden mochte. Die angeblich enthaltene Strohblume war wahlweise heroisch oder ein gespielter Witz. Mit viel gutem Willen konnte man an sowas wie würziges Heu denken. Almwiesen-Heu, wie damals im Berchtesgadener Land, Ferien mit seinen Eltern. Länger als ein halbes Jahrhundert war das her, wie er gerade missmutig ausgerechnet hatte. Mannomann… Und in diese Überlegung war der Junge mit seiner Frage geplatzt.
Mit Mühe schaffte Olfattke es, ernst zu bleiben, als er zwei Augenpaare schlagartig größer werden sah. Dahinter lief gewiss just ein Kopf-Kino im Stil eines absurden Theaterstückes zum Thema „Schnüffler“. Allerdings wich seine heimliche Freude rasch einem anderen, fremden Gefühl. Erstaunt stellte er fest, dass er die unbefangene Neugier der Kinder sympathisch fand. Vertrauenerweckend.
„Ich bin Polizist. Bei der Kriminal-Polizei. Und wir werden ja manchmal Schnüffler genannt. Das hat aber nichts mit dem Schnüffeln eben zu tun. Ich teste ein Parfüm.“
Die Augen wurden womöglich noch größer. Wenn schon, denn schon, dachte Olfattke, kramte eine Visitenkarte heraus, besprühte sie kurz und hielt sie den beiden hin. Die schnupperten vorsichtig - und kräuselten die Lippen. Aha, ein Fall von ‚Kindermund tut Wahrheit kund‘ konstatierte der Kommissar fröhlich, nahm die Karte wieder entgegen und warf sie in einen Abfalleimer.
Mehrere Sekunden gespannten Schweigens vergingen, ehe ihm dämmerte, dass allein der Verweis auf ein seltsames Hobby kindlichen Wissensdurst nicht stillen konnte.
Richtig.
„Fängst du Verbrecher?“, sprudelte es aus dem Mädchen hervor.
„Ja. Bloß nicht jetzt. Jetzt mache ich Urlaub.“
„Und warum gehst du nicht an den Strand? Alle gehen an den Strand!“
Olfattke zögerte mit der Antwort. Doch warum nicht?
„Eigentlich mag ich den Strand nicht besonders. Eine Ärztin meinte, dass ich mal hierherfahren sollte. Vor einiger Zeit ist nämlich ein Kollege von mir…gestorben. Und das wäre nicht passiert, wenn wir die…Verbrecherin gleich festgenommen hätten. Das ist keine schöne Erinnerung.“
Eine halbe Stunde und viele, viele Fragen und behutsame Erklärungen später sah er zu, wie Jan und Lena in waghalsigem Slalom zwischen den Spaziergängern hindurch nach Hause kurvten, um rechtzeitig zum Mittagessen zu kommen.
An diesem Tag saß der Kommissar noch lange still auf seiner Bank, tief in Gedanken versunken. Nurmehr beiläufig verfolgte er, wie eine brackig-kunstholzige Anmutung seinen Test-Kandidaten allmählich in eine lust- wie harmlose diffus-süßlich-cremige, algig-blümerante Gemengelage überführte. Sofern das der Geruch des Süd-Pazifiks war: Dafür musste keiner um die halbe Welt fliegen.
Endlich erhob er sich, ein wenig steif im Rücken und machte sich auf den Weg in seine kleine Pension. Die Aussicht auf das betulich-gluckenhafte Geplappere der Wirtin ließ ihn innerlich seufzen. Er würde sich zeitig auf sein Zimmer verabschieden und bis tief in die Nacht lesen.
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Die übrigen Kapitel:
2. Zoologist, Bat
3. Profumum Roma, Acqua di Sale
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