Meggi
Top Rezension
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Der Duft zum Film
„Wir sind keine Engel“ heißt ein skurril-betulicher Film aus dem Jahr 1955, den ich mir gelegentlich gerne ansehe: Drei auf die Teufelsinsel verfrachtete Sträflinge brechen Weihnachten 1895 aus, um sich wieder nach Frankreich durchzuschlagen. Sie schlüpfen mit finstersten Vorhaben (die ihnen allerdings kein Zuschauer abnimmt) bei einer Kaufmanns-Familie unter. Letztlich bereiten sie den guten Leuten stattdessen ein schönes Fest und können überdies weitere Nöte lindern. Zum Beispiel beseitigen sie per Giftschlange die fiese Verwandtschaft und sorgen so für eine ordentliche Erbschaft. Nicht zuletzt beschaffen sie der Tochter einen 50er-Jahre-Schwiegermutter-Traum von Ehemann.
Der Film basiert auf einem Theaterstück, ist entsprechend spartanisch ausgestattet und völlig auf die Schauspieler fokussiert. Jedoch wartet am Ende der geilste Spezialeffekt der Filmgeschichte: Die Tugute haben just beschlossen, lieber ins Gefängnis zurückzukehren (dort wisse man beim Aufwachen immer, wo man sei; die Menschen seien zudem viel besser usw.), da bekommen sie und ihre kleine Giftschlange…aber mehr wird nicht verraten. Ansehen! Der Streifen läuft stets um die Weihnachtszeit, verbannt wie die Protagonisten, nur eben nicht in eine ferne Kolonie, sondern ins Spätprogramm zumeist eines minderen Senders.
Bei der bargeldlosen Beschaffung der für das Fest erforderlichen Accessoires gibt es einen niedlich-aufgesetzten Dialog: „Wir brauchen noch Blumen!“ – „So schöne wie die im Garten des Gouverneurs?“ – „Hmhmmm…“ – „Tritt aber nicht auf den Rasen!“ – „Natürlich nicht, für was hältst Du mich?!? …auf den Rasen treten…“
Der Garten nebst Gouverneur tritt nicht in Erscheinung, trotzdem weiß ich nun, wie es beim hohen Herrn gerochen haben muss. EdG ist gewiss der perfekte Duft für ein tropisches Weihnachtsfest nicht allein bei Würdenträgers. Er riecht auf eine Art würzig, die zwar weihnachtlich interpretierbar ist, doch dabei gleichzeitig tropisch und keineswegs schwülstig daherkommt. EdG ist im Kern durchweg ein Duft für die warme Zeit. Wer darin – und sei es im Ansatz - einen der üblichen Verdächtigen aus dem Hause CSP vermutet (oder befürchtet), irrt komplett. Eine baukasten-mäßige Kommentierung wie bei manchem Vertreter der Eaux-de-Voyage-Reihe funktioniert hier nicht. Bereits der Auftakt von herbster Zitrusfrucht und raspel-rauer Verbene ist vollkommen unsüß. Nach wenigen Minuten gesellt sich eine intensiv würzig-holzige Note hinzu und es ist unmissverständlich, um was für eine Mischung es sich dabei handelt.
Die Duftnoten-Angaben lassen sich nämlich regelrecht abhaken, abgesehen von den kaum einer seriösen Prüfung zugänglichen geografischen Herkunftsbezeichnungen…:-). Das Zeug hat zwar insgesamt keine überbordende Sillage, ist aber vom Stil her richtig kräftig. Geradezu ölig-scharf; diesbezüglich sind Nelke, Muskat, Piment und Co. ja ohnehin keine Leisetreter und in diesem Fall werden sie brutal bis zur letzten Ölung ausgequetscht. Auf diese Weise jauchzet und frohlocket der Duft rund drei Stunden vor sich hin, ganz leicht hesperidisch unterlegt. Wer mithin nicht entfernt riechen möchte wie ein Zwei-Sinne-Adventsgesteck, sollte Überdosierung unbedingt vermeiden. Die Zeder lässt sich von diesem Cocktail übrigens mitnichten unterbuttern. Fast von Beginn an dabei, mischt sie zunehmend deutlicher mit. Denn wenn die Gewürze ungefähr ab der vierten Stunde langsam ein bisschen ruhiger werden, hat sie noch einige Reserven in petto und wird damit zum vorherrschenden Darsteller.
In den kommenden Stunden pendelt sich eine sanftere, luftig-holzige Mischung ein, die mich nicht mehr an tropische Weihnacht erinnert, welche ich – nebenbei bemerkt – nicht aus eigener Erfahrung kenne. EdG ist schlichtweg zu einem unspektakulären, gleichwohl schönen Holz-Gewürz-Hautduft geworden. Als solcher verabschiedet er sich im Laufe der achten Stunde im Wesentlichen. Den etwas moschuslastigen Rest, der mich einige zusätzliche Stunden begleitet, zähle ich jetzt einfach nicht mit.
Fazit: Das Einzige, was EdG mit den sonstigen mir bekannten CSP-Werken eint, ist die Tatsache, dass eine Überdosierung gar nicht gut tut. Wer bislang um CSP einen Bogen gemacht hatte in dem Glauben, die könnten eh‘ bloß Vanille-&-Co.-Hammer in allen Varianten von tierisch süß bis abartig süß, der greife hier mal zum Tester!
PS: Das Allerschönste ist, dass ich einen 100ml-Bembel in Form eines ungenutzten Testers für schlappe 15 Taler ergattert habe. Das Wässerchen an sich war ein Tipp von einer lieben Parfuma und rechtzeitig zulangen konnte ich, weil mich ein ebensolcher Parfumo umgehend von der Verramsche informiert hatte. Dafür bedanke ich mich.