Eau de Lierre 2007

Mörderbiene
12.03.2021 - 09:59 Uhr
24
Top Rezension
5
Sillage
6
Haltbarkeit
9
Duft

Ivy

Ivy heißt ein Nebencharakter in Max Frischs wohl bekanntestem Werk - Homo faber, so sein Titel - dessen Bekanntheit nicht zuletzt darauf gründet, daß es unzähligen Generationen in Form von Schullektüre nahegebracht wurde, und dort schon immer mit zum Zugänglicheren zählte das den jungen Leuten so vorgesetzt wurde. Zugänglich zwar, und doch mit unzähligen Bezugspunkten gespickt reichlich Raum bietend für literaturwissenschaftliche Beschäftigung.

Ivy, wie Max Frisch die Geliebte der Hauptperson benannte, solle einerseits die klammernde Natur der Geliebten selbst, andererseits auch das allgemeine Frauenbild der Hauptperson veranschaulichen. Ivy - Efeu - als giftige Schlingpflanze, als schwächender Parasit, so der breite Konsens.
Dummerweise ist Efeu aber weder eine parasitäre noch eine Schlingpflanze.
Ich habe bereits damals in der Schule das Bild des Efeus vielmehr mit Walter selbst, der Hauptperson, als seiner Geliebten Ivy in Verbindung gebracht.
Efeu ist ein Selbstklimmer, der, eine stabile Sproßachse bildend, sein Gewicht theoretisch selbst tragen könnte, ist also nicht notwendigerweise auf einen stützenden Unterbau angewiesen.
Mittlerweile wird in der Biologie auch mehrheitlich die Meinung vertreten, daß ein Efeubewuchs für Bäume grundsätzlich unschädlich ist, und daß lediglich kleine Bäume und Großsträucher durch Überwachsen absterben können wenn ihnen das Licht genommen wird.
Efeu also, der, wenn man ihn denn läßt, die Natur um sich herum erobert, wie die moderne Technik unter Walters Mitwirken die Welt erobert.
Efeu als Schattenpflanze, passend zum kühlen, berechnenden Gemüt des Technikers.
Efeu, der, wenn nicht im Zaum gehalten, zartere Gewächse zerstören kann.
Efeu, der, je nach Dosis, giftig ist.
Efeu für einen rationalen, wurzellosen und letztlich doch abhängigen Weltbürger.

Eau de Lierre, welch wundervoller Name übrigens für ein Parfum. Wohlklingend, dabei doch irgendwie einfach, und zugleich der Fantasie des Riechenden Raum gebend - und damit vortrefflich zum Duft selbst passend.
Wie auch der Efeu selbst funktioniert die berechnende Schön- und Schlichtheit dieses Diptyque sowohl am rationalen Techniker wie an der jungen Geliebten.
Eau de Lierre, das sich grün und kühl an die Klinkerwände von New York schmiegt.
Eau de Lierre, das sich leicht und elegant um die Säulen und Statuen römischer Ruinen windet.
Eau de Lierre, wahlweise grauer Dreiteiler oder leichtes Sommerkleid, jeweils getragen unter dem wohltuenden Schatten lichten Blattwerks.

Ich will aber keinen falschen Eindruck vermitteln, Ergo's Eau de Gartenabfälle trifft es irgendwie auch.

Danke liebe Knopfnase für das Ermöglichen dieses schönen Wiederriechens!
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