Pour Homme Duftanker MGO Duftmanufaktur 2019
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Top Rezension
Auferstanden aus Patou-Ruinen
Als vor einigen Jahren das alte, maßgeblich von Jean Kerléo geprägt Traditionshaus Patou erneut belebt wurde, warteten viele gespannt auf die Wiedergeburt des zum Mythos gewordenen Duftes ‚Patou pour Homme’. Seine im Umlauf befindlichen klägliche Reste dürften durch überlagerungsbedingte Oxidation nur noch ein Schatten ihrer selbst sein, was die Jäger des verlorenen Schatzes aber nicht davor zurückschreckt, nach wie vor astronomische Summen locker zu machen, um noch den schalsten Abglanz zu erhaschen.
Die Frage war also: sollte eine erneute Lancierung diesem Treiben ein Ende bereiten, so wie es im Falle von Guerlains Derby geschah, da das neue Derby schlicht (fast) genauso gut wie das alte war?
Nein, leider nicht.
Aus unerfindlichen Gründen entschied man sich einen völlig neuen Duft zu schaffen, der allein den Namen des alten trug, mit diesem aber noch nicht einmal mehr wesensverwandt war. Auf die Frage warum dies so sei, wurde dieses und jenes ins Feld geführt, dass beispielsweise bestimmte Inhaltstoffe nicht mehr verfügbar seien, andere wiederum der Bannstrahl der IFRA traf. Kurz, der alte Duft sei schlicht nicht wiederbelebbar gewesen, und da man sich auf keine Kompromisse einlassen wollte, (die man im Falle anderer Patou-Heroen aber durchaus einging) habe man sich zu einer Neuschöpfung entschlossen.
Das mag nachvollziehbar sein, dass aber eine Annäherung an das Original durchaus möglich gewesen wäre, zeigt der Duft ‚Pour Homme’ von MGO Duftanker.
Als ich ihn mir zum ersten Mal aufsprühte, dachte ich: wow, toll! Ein derart üppig würziges, groß dimensioniertes und vielschichtiges Werk mit Bei-, oder in diesem Falle Hauptnamen ‚Pour Homme’ hatte ich lange nicht unter der Nase. Nach einer Weile kamen mir einige Aspekte allerdings bekannt vor, und als ich mir überlegte woher, war mir recht schnell klar: es war ‚Patou pour Homme’!
Nicht, dass beide Düfte identisch dufteten, nein, ganz und gar nicht, aber sie verbindet eine Wesensverwandtheit, eine Art familiärer DNA, die sich tatsächlich auch an einer Vielzahl von Noten festmachen lässt, die beide charakterisieren: allen voran Piment, im Englischen ‚allspice’ genannt, seines breiten Geschmacks-(und Duft)Spektrums wegen, das zwischen Gewürznelken und Pfeffer changiert. Daneben tragen Salbei, Basilikum und Lavendel ihr Scherflein zu einer ähnlichen Würze bei, ebenso wie sich hier wie dort grüne Aspekte von Fichte und Vetiver finden, von feinen Rauchschlieren durchzogen und von blumig-frischen Geranium-Spitzen erhellt. Zedern- und Sandelholz, sowie Patschuli, bestimmen beider Fond, gemeinsam mit der herben Süße der Tonka-Bohne und der Vanille. Zu guter Letzt geben die üblichen Verdächtigen Eichenmoos und Labdanum dem Fundament der jeweiligen Notengerüste gleichermaßen Halt und Stabilität.
Hier nun trennen sich die Wege letztlich doch, wenn auch nur um eine Nuance: während der Patou-Klassiker mit ledrigen Facetten, im Tandem mit etwas Biebergeil- und/oder Zibet in Richtung Leder-Chypre marschiert, verharrt ‚Pour Homme’ von MGO im Bereich des orientalischen Chypres, vergleichbar z.B. mit ‚J.H.L’ von Aramis, das kurz nach ‚Patou pour Homme’ zu Beginn der 80er Jahre lanciert wurde.
Ledrige Animalik entdecke ich im MGO-Duft jedenfalls nicht wirklich – womöglich agiert sie aber subkutan – während sie im ‚Patou pour Homme’ ziemlich offensiv zu Tage tritt.
Ich weiß nicht, ob Hans Georg Staudt die Absicht hatte einen Duft im Geiste von ‚Patou pour Homme’ zu kreieren, aber es ist ihm geglückt. Mit seinem ‚Pour Homme’ wiederlegt er jedenfalls überzeugend die Aussage von Thomas Fontaine (in Zusammenarbeit mit Jean Kerléo), dass eine Neuauflage des Patou-Klassikers aus genannten Gründen nicht möglich gewesen sei. Sie wäre doch möglich gewesen.
Die vor nicht allzu langer Zeit leider verstorbene Schweizer Parfümeurin Vero Kern hat mit ihrem Duft ‚Onda’ vor Jahren einen ähnlichen Coup gelandet: ‚Onda’ erinnerte viele nämlich an den alten Guerlain-Haudegen ‚Djedi’, das, so hörte man es aus dem Hause Guerlain, leider, leider nicht mehr reformulierbar sei – die Problematik war angeblich ähnlich gelagert wie bei ‚Patou pour Homme’.
Dass Vero Kern die Verantwortlichen von Guerlain eines Besseren belehrte, war aber offenbar eher dem Zufall zu verdanken: die Schweizerin kannte ‚Djedi’ gar nicht, und berichtete in Interviews immer wieder, wie stolz es sie mache ein Werk geschaffen zu haben, dass so viele an den mythischen Guerlain-Duft erinnere.
Aber wie im Falle ‚Onda’/‚Djedi’ muss ich auch im Falle ‚Patou pour Homme’/‚Pour Homme’ von MGO noch einmal klarstellen: beide Nachschöpfungen sind keine Kopien! Es sind eigenständige Duft-Charaktere, zwar mit enger verwandtschaftlicher Beziehung zu ihren berühmten Vorgängern, aber verschieden genug, um als selbstständige Individuen wahrnehmbar zu bleiben.
Wem jetzt der Vergleich mit dem alten Patou-Duft nichts sagt, da dessen letzte Tröpfchen so langsam zur Neige gehen: ‚Pour Homme’ von Hans Georg Staudt ist der Duftsprache der frühen 80er Jahre verpflichtet. Volumen und Reichtum kennzeichnete diese, häufig auch eine heute als unzumutbar empfundene Animalik. In Sachen Duftspektrum waren sie in aller Regel so weit ausgreifend, dass eine klassische Kategorisierung meist nicht mehr möglich war. Diese Düfte hatten ALLES: Fougère-Anteile, ebenso wie Chypre-Tendenzen, meist mit tief-orientalischem Sound unterlegt, und gerne von erotischem Schmuddel durchdampft.
Dieser wollüstigen Duftsprache bedient sich auch MGOs ‚Pour Homme’, allerdings in etwas abgespecktem Hedonismus, was ihn etwas zeitgemäßer und auch verträglicher macht.
Ich sehe ihn in diesen Tagen dennoch eher an reiferen Männern (oder auch Damen), weniger an Ambroxan-seligen Jungspunten. Aber auch ‚Jules’, ‚Derby’, ‚Bel Ami’ & Co., um die Genealogie noch einmal zu erweitern, waren ja nicht für den bartflaumigen Nachwuchs gedacht.
Die Attitüde jedenfalls, mit der ‚Pour Homme’ daherkommt, vermittelt mir eher Standfestigkeit, bei aufrechter Statur, und eine gewisse Ernsthaftigkeit, mit einem Anflug von gepflegtem Konservativismus.
An bestimmten Tagen – nicht an allen! – wird er mir damit sicher ein guter Begleiter sein.
Die Frage war also: sollte eine erneute Lancierung diesem Treiben ein Ende bereiten, so wie es im Falle von Guerlains Derby geschah, da das neue Derby schlicht (fast) genauso gut wie das alte war?
Nein, leider nicht.
Aus unerfindlichen Gründen entschied man sich einen völlig neuen Duft zu schaffen, der allein den Namen des alten trug, mit diesem aber noch nicht einmal mehr wesensverwandt war. Auf die Frage warum dies so sei, wurde dieses und jenes ins Feld geführt, dass beispielsweise bestimmte Inhaltstoffe nicht mehr verfügbar seien, andere wiederum der Bannstrahl der IFRA traf. Kurz, der alte Duft sei schlicht nicht wiederbelebbar gewesen, und da man sich auf keine Kompromisse einlassen wollte, (die man im Falle anderer Patou-Heroen aber durchaus einging) habe man sich zu einer Neuschöpfung entschlossen.
Das mag nachvollziehbar sein, dass aber eine Annäherung an das Original durchaus möglich gewesen wäre, zeigt der Duft ‚Pour Homme’ von MGO Duftanker.
Als ich ihn mir zum ersten Mal aufsprühte, dachte ich: wow, toll! Ein derart üppig würziges, groß dimensioniertes und vielschichtiges Werk mit Bei-, oder in diesem Falle Hauptnamen ‚Pour Homme’ hatte ich lange nicht unter der Nase. Nach einer Weile kamen mir einige Aspekte allerdings bekannt vor, und als ich mir überlegte woher, war mir recht schnell klar: es war ‚Patou pour Homme’!
Nicht, dass beide Düfte identisch dufteten, nein, ganz und gar nicht, aber sie verbindet eine Wesensverwandtheit, eine Art familiärer DNA, die sich tatsächlich auch an einer Vielzahl von Noten festmachen lässt, die beide charakterisieren: allen voran Piment, im Englischen ‚allspice’ genannt, seines breiten Geschmacks-(und Duft)Spektrums wegen, das zwischen Gewürznelken und Pfeffer changiert. Daneben tragen Salbei, Basilikum und Lavendel ihr Scherflein zu einer ähnlichen Würze bei, ebenso wie sich hier wie dort grüne Aspekte von Fichte und Vetiver finden, von feinen Rauchschlieren durchzogen und von blumig-frischen Geranium-Spitzen erhellt. Zedern- und Sandelholz, sowie Patschuli, bestimmen beider Fond, gemeinsam mit der herben Süße der Tonka-Bohne und der Vanille. Zu guter Letzt geben die üblichen Verdächtigen Eichenmoos und Labdanum dem Fundament der jeweiligen Notengerüste gleichermaßen Halt und Stabilität.
Hier nun trennen sich die Wege letztlich doch, wenn auch nur um eine Nuance: während der Patou-Klassiker mit ledrigen Facetten, im Tandem mit etwas Biebergeil- und/oder Zibet in Richtung Leder-Chypre marschiert, verharrt ‚Pour Homme’ von MGO im Bereich des orientalischen Chypres, vergleichbar z.B. mit ‚J.H.L’ von Aramis, das kurz nach ‚Patou pour Homme’ zu Beginn der 80er Jahre lanciert wurde.
Ledrige Animalik entdecke ich im MGO-Duft jedenfalls nicht wirklich – womöglich agiert sie aber subkutan – während sie im ‚Patou pour Homme’ ziemlich offensiv zu Tage tritt.
Ich weiß nicht, ob Hans Georg Staudt die Absicht hatte einen Duft im Geiste von ‚Patou pour Homme’ zu kreieren, aber es ist ihm geglückt. Mit seinem ‚Pour Homme’ wiederlegt er jedenfalls überzeugend die Aussage von Thomas Fontaine (in Zusammenarbeit mit Jean Kerléo), dass eine Neuauflage des Patou-Klassikers aus genannten Gründen nicht möglich gewesen sei. Sie wäre doch möglich gewesen.
Die vor nicht allzu langer Zeit leider verstorbene Schweizer Parfümeurin Vero Kern hat mit ihrem Duft ‚Onda’ vor Jahren einen ähnlichen Coup gelandet: ‚Onda’ erinnerte viele nämlich an den alten Guerlain-Haudegen ‚Djedi’, das, so hörte man es aus dem Hause Guerlain, leider, leider nicht mehr reformulierbar sei – die Problematik war angeblich ähnlich gelagert wie bei ‚Patou pour Homme’.
Dass Vero Kern die Verantwortlichen von Guerlain eines Besseren belehrte, war aber offenbar eher dem Zufall zu verdanken: die Schweizerin kannte ‚Djedi’ gar nicht, und berichtete in Interviews immer wieder, wie stolz es sie mache ein Werk geschaffen zu haben, dass so viele an den mythischen Guerlain-Duft erinnere.
Aber wie im Falle ‚Onda’/‚Djedi’ muss ich auch im Falle ‚Patou pour Homme’/‚Pour Homme’ von MGO noch einmal klarstellen: beide Nachschöpfungen sind keine Kopien! Es sind eigenständige Duft-Charaktere, zwar mit enger verwandtschaftlicher Beziehung zu ihren berühmten Vorgängern, aber verschieden genug, um als selbstständige Individuen wahrnehmbar zu bleiben.
Wem jetzt der Vergleich mit dem alten Patou-Duft nichts sagt, da dessen letzte Tröpfchen so langsam zur Neige gehen: ‚Pour Homme’ von Hans Georg Staudt ist der Duftsprache der frühen 80er Jahre verpflichtet. Volumen und Reichtum kennzeichnete diese, häufig auch eine heute als unzumutbar empfundene Animalik. In Sachen Duftspektrum waren sie in aller Regel so weit ausgreifend, dass eine klassische Kategorisierung meist nicht mehr möglich war. Diese Düfte hatten ALLES: Fougère-Anteile, ebenso wie Chypre-Tendenzen, meist mit tief-orientalischem Sound unterlegt, und gerne von erotischem Schmuddel durchdampft.
Dieser wollüstigen Duftsprache bedient sich auch MGOs ‚Pour Homme’, allerdings in etwas abgespecktem Hedonismus, was ihn etwas zeitgemäßer und auch verträglicher macht.
Ich sehe ihn in diesen Tagen dennoch eher an reiferen Männern (oder auch Damen), weniger an Ambroxan-seligen Jungspunten. Aber auch ‚Jules’, ‚Derby’, ‚Bel Ami’ & Co., um die Genealogie noch einmal zu erweitern, waren ja nicht für den bartflaumigen Nachwuchs gedacht.
Die Attitüde jedenfalls, mit der ‚Pour Homme’ daherkommt, vermittelt mir eher Standfestigkeit, bei aufrechter Statur, und eine gewisse Ernsthaftigkeit, mit einem Anflug von gepflegtem Konservativismus.
An bestimmten Tagen – nicht an allen! – wird er mir damit sicher ein guter Begleiter sein.
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