Le Pavillon d'Or 2019

Julieta
06.03.2022 - 15:48 Uhr
10
Sehr hilfreiche Rezension
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft

Idyll im Halbschatten

Selten habe ich bei einem Duft so einen krassen Bruch zwischen Kopf- und Herznote erlebt wie bei Pavillon d’Or, und damit verbunden eine ebenfalls krasse Kehrtwende von „geht überhaupt gar nicht“ zu „doch irgendwie sehr schön“. Das, was ich während der ersten halben Stunde nach dem Aufsprühen rieche, evoziert einen schattigen, grünen Park. Verantwortlich dafür zeichnet wohl die Minze, eventuell auch in Verbindung mit dem Thymian. Die Minze jedenfalls kann ich aber nicht als solche wahrnehmen. Mich erinnert der Duft dagegen ein bisschen an Efeu, das an Stellen wächst, wo die Sonne selten hinkommt und es immer ein bisschen moderfeucht ist. Was durchaus nicht negativ gemeint ist. Es riecht auf eine heimische, gänzlich un-exotische Art frisch und grün und feucht.

Leider ist der Duft für mich persönlich in dieser Phase unangenehm stechend. Das geht mir mit dem Duft von echtem Efeu übrigens auch so, mag also auf eine ganz individuelle Abneigung meinerseits zurückzuführen sein. Beim ersten Testsprühen hatte ich Pavillon d’Or jedenfalls schon abgeschrieben, weil das stechend Grüne hart an der Kopfschmerzgrenze kratzt.

Dann passiert aber etwas äußerst Interessantes. Relativ übergangslos macht der grüne Auftakt Platz für einen wunderschönen Blütenduft. Auf Geißblatt wäre ich von allein nicht gekommen; ist aber absolut plausibel, denn ich vermeine, eine leichte Honigsüße zu vernehmen, wie sie für Geißblatt typisch ist.
Boronia musste ich nachschlagen, da mir das gar nicht gesagt hat. Im Volksmund „Duftsternchen“ genannt, konnte ich nachlesen, dass die Pflanze in Australien und Tasmanien heimisch ist, ihr Extrakt ausgesprochen teuer ist und einen angenehm blumig-krautigen Duft verströmt. Wenngleich mit der Boronia gewissermaßen eine Exotin integriert wurde, bleibt der Dufteindruck für mich ganz und gar mitteleuropäisch. Es riecht dezent, aber würzig nach Wiesenblumen, vermischt mit dem Honigton des Geißblatts. Keine Schwüle, keine lauten Tropenblüten, sondern Sommerwiese.

Ist der Duft in der Anfangsphase kühl bis nasskalt, hat er sich in der Herznote um 180 Grad gedreht und ist nun würzig-warm und leicht pudrig, den Heliotrop macht hier wahrnehmbar sein Ding und zeichnet den anfangs für mich so stechenden Duft angenehm weich. Das florale Herz bleibt mir ca. 4 Stunden erhalten, in denen es zunehmend hautnah wird. Erst gegen Schluss nehme ich eine leichte Holzigkeit wahr. Sandelholz könnte ich hier nicht identifizieren, aber vielleicht trägt es dazu bei, dass der Duft gegen Ende zunehmend cremiger wird.
Die Haltbarkeit ist bei mir im Mittelfeld (ca. 6-7 Stunden), die Sillage wahrnehmbar, aber nicht laut.
Insgesamt hält sich für mich die erste Assoziation eines vielleicht etwas verwilderten Parks, mit schattigen Ecken und ein paar sonnigen Flecken, wo die Blumen wachsen. Ruhig und idyllisch und ganz und gar auf diesem Kontinent situiert.

Pavillon d’Or ist ein ungewöhnlicher Duft; ich wüsste nicht, wo ich schon mal etwas Ähnliches gerochen hätte. Tragen würde ich ihn wohl nicht, weil die Duftsprache nicht so recht zu mir passt. Ich finde ihn aber in seiner Wandelbarkeit und aufgrund des Alleinstellungsmerkmals ausgesprochen bemerkenswert und würde das Testen schon allein deshalb auf jeden Fall empfehlen.

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