28.06.2011 - 17:01 Uhr
Profumo
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Profumo
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Blühender Sinnesrausch!
Vor einigen Jahren gab man mir eine Probe von diesem Duft mit, als ich mir meinen ersten ‚Frédéric Malle’ geleistet habe: ‚Noir Epices’. Kaum hatte ich das Geschäft verlassen, sprühte ich etwas von dieser Probe auf und war augenblicklich schockiert wie begeistert – was für eine Tuberose! Unvorbereitete Geruchsrezeptoren trifft sie wie ein Faustschlag und man beginnt unweigerlich nach Atem zu ringen.
Etwas perplex schlenderte ich weiter, wohl wissend was für eine florale Streubombe ich da am Handgelenk trug. Dieses blieb dann auch so weit es irgend ging von meiner Nase entfernt, doch wie das so ist mit unvorhergesehenen Konfrontationen dieses Ausmaßes – nach einer Weile lugt man zwischen den Fingern hindurch ob sie noch da sind, und wenig später überwindet die Neugierde langsam den Schreck. Flüchtig wanderte mein olfaktorisch verheertes Handgelenk wie versehentlich an meiner Nase vorbei – und, oh Wunder!, so schlimm war es doch gar nicht.
Doch zu mehr als einer scheuen Annäherung reichte es zunächst nicht und die Probe verschwand im Giftschrank für faszinierende, aber untragbare Düfte.
Dort blieb sie, geriet aber keinesfalls in Vergessenheit, ganz im Gegenteil. Seit dieser überraschenden Begegnung bin ich vielmehr auf der Suche nach einem Tuberosen-Duft für mich – als Mann. Allerdings gestaltete sich diese Suche als recht hindernisreich, da der Duft der Tuberose wie kaum eine anderer für kurvenreiche, ja divenhafte Weiblichkeit steht – also eher Mae West als Audrey Hepburn.
Dennoch, das laute und üppige Organ dieser Blüte hatte es mir angetan, und ich testete Duft um Duft in der Hoffnung ihn noch finden zu können: meinen Tuberosen-Duft.
Mit ‚XPEC-Original’ dachte ich ihn gefunden zu haben, doch so wunderbar der Duft ist – ein originärer Tuberosen-Duft wie ich ihn zu finden gehofft habe ist er nicht. Ähnliches galt für ‚Vierges et Toreros’ von ‚Etat libre d´Orange’, und als ‚Histoires de Parfums’ ein Tuberosen-Trio herausbrachte, dachte ich erneut, die dritte im Bunde (genannt ‚L´Animale’) könnte es sein. Doch so schön auch dieser Duft war, mit all seinen Tabak- und Immortellen-Nuancen, so süß und klebrig war er auch – zu süß und klebrig.
Wieder nichts.
Irgendwie hatte ich es schon aufgegeben, bzw. dachte: na ja, irgendwann wird schon mal ein Parfumeur auf die Idee kommen einen richtig bombastischen Herren-Tuberosen-Duft zu kreieren – denn so wünschte ich ihn mir: Eine fanfarenartig auftrumpfende Tuberose inmitten, getragen von grünen, holzigen und ledrigen Noten, etwas Tabak vielleicht, aber von allem nicht zuviel, nur gerade soviel, dass das maskuline Potential des gewaltigen Blütenakkordes unterstützt wird.
Nun, meine Damen und Herren Parfumeure – ich warte!
Neulich aber kramte ich mal wieder in meinem Giftschränkchen (das in Wahrheit eine Kiste ist ...) und probierte das eine oder andere, einfach um zu schauen, ob sich meine Einstellung zu diesem oder jenem vielleicht geändert haben mag. Da hatte ich dann auch erneut ‚Carnal Flower’ in der Hand, sprühte mir etwas auf den Arm, und wissend was mich erwartete war da kein Schock mehr, sondern nur noch Begeisterung: Holy Moly, was für ein Duft!
Warum diese jahrelange Suche nach einem Tuberosen-Duft für mich, wenn ich ihn doch schon längst gefunden hatte?
Restzweifel blieben: Kann ich ihn wirklich tragen, als Mann? Nicht als Mae West-Transe, sondern einfach nur als Mann – geht das?
Ja, es geht.
Denn was ich vorher nie entdeckt hatte, da ich mich nicht eindringlich genug mit dem Duft beschäftigt hatte, bzw. ihn als zu feminin verwarf, war, dass er Akzente und Facetten aufwies, die ihn durchaus für einen Mann tragbar machten: grüne und indolische Nuancen um genauer zu sein. Denn eines ist ‚Carnal Flower’ bei aller blumigen Opulenz, ja Gewalt nicht: über die Maßen süß. Der Duft hat zwar Süße, allerdings nur die der Blüte innewohnende, natürliche Süße. Kein Honig, Vanille oder Amber stützen und intensivieren diese Süße, wie das bei den meisten Tuberosen-Düften der Fall ist. Nein, alles scheint der Blüte zu entspringen. Ebenso wie die in der Pyramide angegebene Kokosnuss, oder die Melone – man erkennt sie nicht, zumindest nicht als isolierte, dem Duft der Tuberose beigegebene Note. Stattdessen scheinen auch sie dem natürlichen Duftspektrum der Tuberose anzugehören.
Angeblich hat Dominique Ropion 18 Monaten gebraucht um dieses Spektrum aufzufächern, einzelne Facetten herauszuarbeiten, zu stützen und wieder zu einem Duft zusammenzufügen. So entwickelte er einen Duft, der ganz und gar Tuberose ist, und dennoch voller Nuancen.
Verschwiegen sei allerdings nicht, dass er auch die weniger wohlriechenden Anteile durchaus nicht unterschlug (mit etwas Jasmin und Orangenblüte sogar noch unterstrich!).
Und so gibt es während des Duftverlaufes Phasen, die einen wirklich toleranten Träger bedürfen. Phasen, die ziemlich indolisch, oder anders gesagt: pissig, ja vergammelnd daherkommen. Das klingt ziemlich unschön – ist es auch. Aber es gehört dazu und macht gewissermaßen den unerhörten erotischen Reiz dieses Duftes aus. Hier, nach strahlend erblühendem Beginn, ist er wirklich ‚carnal’, also laut allseits bekanntem Dictionary: fleischlich, geschlechtlich, körperlich, sexuell, sinnlich. Und das nicht zu knapp! Man kann es aber auch dreckig, pissig und ungewaschen nennen – je nach Lust und Laune (gehört es doch häufig ohnehin zusammen ...).
So ist ‚Carnal Flower’, nach furiosem Start, zu einer veritablen Zumutung geworden, einer, an der die meisten potentiellen Träger und Trägerinnen vermutlich scheitern werden. Aber genau deswegen finde ich den Duft so grandios: Er ist absolut kompromisslos, laut und verstörend, dreckig und unverschämt sinnlich. Viele Nasen mögen nun in olfaktorischer Ohnmacht danieder sinken – ich kann gar nicht genug davon bekommen.
Später, gegen Ende des unglaublich lang anhaltenden Duftverlaufes, wird diese die Sinne in jeder Hinsicht herausfordernde Seite des Duftes dann auch noch von einem ordentlichen Schuss ungezähmtem Moschus bis in die entlegenen Winkel des Fonds weiter getragen, sodass auch hier – zu guter Letzt – keine Entwarnung gegeben werden kann.
Ja, ‚Carnal Flower’ ist anstrengend – und wie! Kein Duft zum Relaxen und träumerischen Dahindümpeln. Nein, ein Duft, der wache Sinne verlangt und einen durchgedrückten Rücken.
Aufrichtig und mit Stolz sollte man ihn tragen, zu Anlässen, die gut einen charaktervollen Begleiter vertragen.
Bei aller Schwärmerei ist mir aber durchaus bewusst, dass ‚Carnal Flower’ nicht allein an den Träger außerordentliche Anforderungen stellt, sondern auch an dessen Umwelt. Etwas zuviel aufgetragen, und die Mitmenschen werden sich naserümpfend abwenden und zum Fenster eilen. Eine kleine Dosis jedoch, zwei knappe Sprühstöße auf die Halspartie unterhalb der Ohren, und man wird es immer wieder erleben, wie Freunde, Kollegen oder Angehörige einem näher kommen um schnuppern zu wollen. Ein Spritz zuviel, und genau das Gegenteil tritt ein – faszinierend!
Bedenkt man, dass ‚Carnal-Flower’ einen 25%igen Parfumöl-Anteil aufweist, wird einem klar, dass es sich im Grunde um ein reguläres Parfum handelt, das dementsprechend auch dosiert werden sollte – sprich: eigentlich getupft. Da es sich aber um ein Spray handelt, sollte man den Sprühkopf also besser nicht vollends durchdrücken, sondern nur leicht antippen, denn wie gesagt: ‚Carnal Flower’ ist alles andere als ein schüchterner Zeitgenosse, der, wenn man nicht aufpasst, leicht zu exaltiertem Geschrei neigt.
In Zaum und Zügel gehalten aber vollbringt er wahre Duft-Wunder.
Möglich, dass ich eines Tages noch meinen maskulinen Tuberosen-Duft finden werde. Bis dahin aber wird ‚Carnal Flower’ nicht nur ein würdiger Ersatz sein – sondern wird neben welchem Tubersoen-Duft auch immer glorreich bestehen können.
Denn er ist DIE Tuberose schlechthin - durch und durch, und ohne sich um Männlein oder Weiblein zu scheren.
Tuberose um der Tuberose willen – sonst nichts, oder fast nichts.
Und das ist trotzdem verdammt viel!
Etwas perplex schlenderte ich weiter, wohl wissend was für eine florale Streubombe ich da am Handgelenk trug. Dieses blieb dann auch so weit es irgend ging von meiner Nase entfernt, doch wie das so ist mit unvorhergesehenen Konfrontationen dieses Ausmaßes – nach einer Weile lugt man zwischen den Fingern hindurch ob sie noch da sind, und wenig später überwindet die Neugierde langsam den Schreck. Flüchtig wanderte mein olfaktorisch verheertes Handgelenk wie versehentlich an meiner Nase vorbei – und, oh Wunder!, so schlimm war es doch gar nicht.
Doch zu mehr als einer scheuen Annäherung reichte es zunächst nicht und die Probe verschwand im Giftschrank für faszinierende, aber untragbare Düfte.
Dort blieb sie, geriet aber keinesfalls in Vergessenheit, ganz im Gegenteil. Seit dieser überraschenden Begegnung bin ich vielmehr auf der Suche nach einem Tuberosen-Duft für mich – als Mann. Allerdings gestaltete sich diese Suche als recht hindernisreich, da der Duft der Tuberose wie kaum eine anderer für kurvenreiche, ja divenhafte Weiblichkeit steht – also eher Mae West als Audrey Hepburn.
Dennoch, das laute und üppige Organ dieser Blüte hatte es mir angetan, und ich testete Duft um Duft in der Hoffnung ihn noch finden zu können: meinen Tuberosen-Duft.
Mit ‚XPEC-Original’ dachte ich ihn gefunden zu haben, doch so wunderbar der Duft ist – ein originärer Tuberosen-Duft wie ich ihn zu finden gehofft habe ist er nicht. Ähnliches galt für ‚Vierges et Toreros’ von ‚Etat libre d´Orange’, und als ‚Histoires de Parfums’ ein Tuberosen-Trio herausbrachte, dachte ich erneut, die dritte im Bunde (genannt ‚L´Animale’) könnte es sein. Doch so schön auch dieser Duft war, mit all seinen Tabak- und Immortellen-Nuancen, so süß und klebrig war er auch – zu süß und klebrig.
Wieder nichts.
Irgendwie hatte ich es schon aufgegeben, bzw. dachte: na ja, irgendwann wird schon mal ein Parfumeur auf die Idee kommen einen richtig bombastischen Herren-Tuberosen-Duft zu kreieren – denn so wünschte ich ihn mir: Eine fanfarenartig auftrumpfende Tuberose inmitten, getragen von grünen, holzigen und ledrigen Noten, etwas Tabak vielleicht, aber von allem nicht zuviel, nur gerade soviel, dass das maskuline Potential des gewaltigen Blütenakkordes unterstützt wird.
Nun, meine Damen und Herren Parfumeure – ich warte!
Neulich aber kramte ich mal wieder in meinem Giftschränkchen (das in Wahrheit eine Kiste ist ...) und probierte das eine oder andere, einfach um zu schauen, ob sich meine Einstellung zu diesem oder jenem vielleicht geändert haben mag. Da hatte ich dann auch erneut ‚Carnal Flower’ in der Hand, sprühte mir etwas auf den Arm, und wissend was mich erwartete war da kein Schock mehr, sondern nur noch Begeisterung: Holy Moly, was für ein Duft!
Warum diese jahrelange Suche nach einem Tuberosen-Duft für mich, wenn ich ihn doch schon längst gefunden hatte?
Restzweifel blieben: Kann ich ihn wirklich tragen, als Mann? Nicht als Mae West-Transe, sondern einfach nur als Mann – geht das?
Ja, es geht.
Denn was ich vorher nie entdeckt hatte, da ich mich nicht eindringlich genug mit dem Duft beschäftigt hatte, bzw. ihn als zu feminin verwarf, war, dass er Akzente und Facetten aufwies, die ihn durchaus für einen Mann tragbar machten: grüne und indolische Nuancen um genauer zu sein. Denn eines ist ‚Carnal Flower’ bei aller blumigen Opulenz, ja Gewalt nicht: über die Maßen süß. Der Duft hat zwar Süße, allerdings nur die der Blüte innewohnende, natürliche Süße. Kein Honig, Vanille oder Amber stützen und intensivieren diese Süße, wie das bei den meisten Tuberosen-Düften der Fall ist. Nein, alles scheint der Blüte zu entspringen. Ebenso wie die in der Pyramide angegebene Kokosnuss, oder die Melone – man erkennt sie nicht, zumindest nicht als isolierte, dem Duft der Tuberose beigegebene Note. Stattdessen scheinen auch sie dem natürlichen Duftspektrum der Tuberose anzugehören.
Angeblich hat Dominique Ropion 18 Monaten gebraucht um dieses Spektrum aufzufächern, einzelne Facetten herauszuarbeiten, zu stützen und wieder zu einem Duft zusammenzufügen. So entwickelte er einen Duft, der ganz und gar Tuberose ist, und dennoch voller Nuancen.
Verschwiegen sei allerdings nicht, dass er auch die weniger wohlriechenden Anteile durchaus nicht unterschlug (mit etwas Jasmin und Orangenblüte sogar noch unterstrich!).
Und so gibt es während des Duftverlaufes Phasen, die einen wirklich toleranten Träger bedürfen. Phasen, die ziemlich indolisch, oder anders gesagt: pissig, ja vergammelnd daherkommen. Das klingt ziemlich unschön – ist es auch. Aber es gehört dazu und macht gewissermaßen den unerhörten erotischen Reiz dieses Duftes aus. Hier, nach strahlend erblühendem Beginn, ist er wirklich ‚carnal’, also laut allseits bekanntem Dictionary: fleischlich, geschlechtlich, körperlich, sexuell, sinnlich. Und das nicht zu knapp! Man kann es aber auch dreckig, pissig und ungewaschen nennen – je nach Lust und Laune (gehört es doch häufig ohnehin zusammen ...).
So ist ‚Carnal Flower’, nach furiosem Start, zu einer veritablen Zumutung geworden, einer, an der die meisten potentiellen Träger und Trägerinnen vermutlich scheitern werden. Aber genau deswegen finde ich den Duft so grandios: Er ist absolut kompromisslos, laut und verstörend, dreckig und unverschämt sinnlich. Viele Nasen mögen nun in olfaktorischer Ohnmacht danieder sinken – ich kann gar nicht genug davon bekommen.
Später, gegen Ende des unglaublich lang anhaltenden Duftverlaufes, wird diese die Sinne in jeder Hinsicht herausfordernde Seite des Duftes dann auch noch von einem ordentlichen Schuss ungezähmtem Moschus bis in die entlegenen Winkel des Fonds weiter getragen, sodass auch hier – zu guter Letzt – keine Entwarnung gegeben werden kann.
Ja, ‚Carnal Flower’ ist anstrengend – und wie! Kein Duft zum Relaxen und träumerischen Dahindümpeln. Nein, ein Duft, der wache Sinne verlangt und einen durchgedrückten Rücken.
Aufrichtig und mit Stolz sollte man ihn tragen, zu Anlässen, die gut einen charaktervollen Begleiter vertragen.
Bei aller Schwärmerei ist mir aber durchaus bewusst, dass ‚Carnal Flower’ nicht allein an den Träger außerordentliche Anforderungen stellt, sondern auch an dessen Umwelt. Etwas zuviel aufgetragen, und die Mitmenschen werden sich naserümpfend abwenden und zum Fenster eilen. Eine kleine Dosis jedoch, zwei knappe Sprühstöße auf die Halspartie unterhalb der Ohren, und man wird es immer wieder erleben, wie Freunde, Kollegen oder Angehörige einem näher kommen um schnuppern zu wollen. Ein Spritz zuviel, und genau das Gegenteil tritt ein – faszinierend!
Bedenkt man, dass ‚Carnal-Flower’ einen 25%igen Parfumöl-Anteil aufweist, wird einem klar, dass es sich im Grunde um ein reguläres Parfum handelt, das dementsprechend auch dosiert werden sollte – sprich: eigentlich getupft. Da es sich aber um ein Spray handelt, sollte man den Sprühkopf also besser nicht vollends durchdrücken, sondern nur leicht antippen, denn wie gesagt: ‚Carnal Flower’ ist alles andere als ein schüchterner Zeitgenosse, der, wenn man nicht aufpasst, leicht zu exaltiertem Geschrei neigt.
In Zaum und Zügel gehalten aber vollbringt er wahre Duft-Wunder.
Möglich, dass ich eines Tages noch meinen maskulinen Tuberosen-Duft finden werde. Bis dahin aber wird ‚Carnal Flower’ nicht nur ein würdiger Ersatz sein – sondern wird neben welchem Tubersoen-Duft auch immer glorreich bestehen können.
Denn er ist DIE Tuberose schlechthin - durch und durch, und ohne sich um Männlein oder Weiblein zu scheren.
Tuberose um der Tuberose willen – sonst nichts, oder fast nichts.
Und das ist trotzdem verdammt viel!
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