Profumo
09.06.2010 - 06:12 Uhr
23
Top Rezension
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

Gar nicht 'noir': ein strahlend gut gelaunter Einzelgänger!

Der Name dieses Parfums: ‚Noir Epices’, ist etwas irreführend, zumindest solange man sich unter einem Duft, der den Zusatz ‚Noir’ trägt, ein dunkles Gebräu vorstellt, dass alle möglichen Bilder und Spielarten von Dunkelheit oder gar Schwärze hervorrufen könnte: dunkle Nacht, schwarzer Samt etc. Nein, die Gewürze, die das Herz dieses Duftes ausmachen, sind zwar schwarz, bzw. dunkel: Nelken, Pfeffer, Muskat und Zimt, aber deren Duft ist bei aller Würzigkeit hell und strahlend. Überhaupt hat dieser Duft etwas extrem helles, wie gleißendes Sonnenlicht über einem mediterranen Markt: hier ein Stand mit zitrischen Früchten, vor allem Orangen, die in der Hitze ihre ätherischen Öle aus den Schalen schwitzen, daneben ein Stand mit frischen Blumen, und dort der Stand mit den ‚Noir Epices’, den dunklen Gewürzen, deren Aromen sich wunderbar mit den zitrischen und blumigen von nebenan vermischen.

Was den Duft so besonders macht, ist allerdings weniger das was er beinhaltet – und das ist allerhand! – sondern das was ihm fehlt. Die Blumen und die Zitrusfrüchte in der Kopfnote, die Gewürze in der Herz- und die Hölzer in der Basisnote sind von größtmöglicher Qualität – das riecht man – und wunderbar miteinander verwoben, eine perfekt ausbalancierte Komposition! Aber, möchte man diesen Duft irgendwie einordnen und bemüht dafür die klassischen Kategorien, so kann man leicht feststellen: für ein wirklich großes orientalisches Parfum fehlt ein gutes Quantum Vanille und für ein typisches Chypre das obligatorische Eichen- oder Baummoos. Dieser Duft gibt vor wahlweise ein orientalischer oder ein Chypre-Duft zu sein, und ist es doch nicht. Und dennoch hat man so gar nicht das Gefühl, dass etwas fehlt. Ganz im Gegenteil: die für orientalische Parfums typische Vanille gäbe diesem Duft womöglich etwas mehr Wärme und Tiefe, raubte ihm andererseits aber auch einiges an Leichtigkeit und würde den Gewürzen ihre Frische nehmen, sie vermutlich sogar zuckrig verkleben, da mit der Vanille meist süßlich-harziger Amber daherkommt. Zöge man ‚Noir Epices’ aber einen Chypre-Unterboden mithilfe bitterer Eichen- bzw. Baummoosbeigaben und Labdanum ein, so erhielte der Duft vielleicht eine gewaltige Tiefe und Mitsouko-ähnliche Mehrdimensionalität, aber der Duft bekäme wiederum eine Schwere, die ihm wahrscheinlich nicht gut täte. Abgesehen davon, brächte ihn eine solche Umarbeitung sicher augenblicklich in Konflikt mit den Wächtern der IFRA...

Michel Roudnitska, der Sohn von Edmond Roudnitska, hat das schon sehr geschickt gemacht: er hat einen fröhlich strahlenden, fast sprühenden, würzig-holzigen Duft von großer Substanz geschaffen, der ein großer Orientale oder ein großes Chypre hätte werden können - hätte! Stattdessen hat er einen eigenwilligen, wunderschönen Duft geschaffen, der sich beinahe trotzig der Verortung und Kategorisierung entzieht. Einen Duft-Nomaden sozusagen, einen großen Individualisten, der sich dennoch betont klassisch gibt, seine Wurzeln kennt und auch gar nicht verleugnet. Manchmal muss man aber auch nicht immer alles anders machen und neu erfinden um aufzufallen – es genügt, wenn man einer überkommenen Erwartung nicht in Gänze entspricht und das ein- oder andere Attribut einfach weglässt – Coco Chanel war darin eine Meisterin! – und schon entsteht etwas vermeintlich vollkommen Neues, das so neu im Grunde gar nicht ist. Et voilà: Noir Epices!

Der Duft soll übrigens zu den Lieblingsdüften von Catherine Deneuve zählen – ich könnte mir keine wunderbarere Trägerin vorstellen!
Mit über 16% Parfumöl-Anteil ist dieser Duft schon fast kein Eau de Parfum mehr und auf dem besten Wege zu einem echten Parfum. Die Haltbarkeit ist daher auch enorm und die Abstrahlung sehr gut, allerdings eher dezent - dafür aber sehr lang anhaltend.

Meiner Ansicht nach einer der besten Düfte der Editions de Parfums!
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