11.12.2023 - 13:53 Uhr
Axiomatic
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Axiomatic
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39
Der edle Kämpfer
Nach all den lauen Neuzugängen 2023 (mit ein paar Ausnahmen) überraschte mich eine ungewöhnlich potente Schöpfung von Julien Rasquinet.
Der vorliegende Duft erscheint bei der Marke Electimuss, welche altrömische Bilder evoziert.
Mich erstaunt auch die sehr männliche Ausrichtung dieser Komposition.
Electimuss wurde von Michael Boadi gegründet, wie auch schon zuvor Boadicea the Victorious.
Bisher stachen die Düfte beider Marken eher durch einen äußerst femininen Charakter hervor, ganz nach zeitgenössischem Geschmack auch nicht völlig auf Synthetik verzichtend. Hochpreisig allemal.
Doch sollte Julien Rasquinet dieses Mal einen überfälligen Kontrapunkt setzen. Und seine einfühlsamen Augen verraten mir, dass er seine Aufgabe meistern wird.
Ich habe mir erlaubt, während des Schreibens dieser Zeilen den passenden Komponisten im Hintergrund laufen zu lassen.
Ottorino Respighi hat mit seinen Feste Romane den Ton getroffen.
Gladiator Oud nun.
Zisch!
Endlich!
Da ist sie wieder, die lang verdrängte Männlichkeit!
Kreuzkümmel und Safran spornen regelrecht den athletischen Körper an.
So riecht er, der Sportler.
Er ist bereit für den Wettkampf, weiß um seinen Kontrahenten.
Dieser anfängliche Akkord besticht durch eine sehr körperliche Note. Doch wäre Schweiß unvollständig als Umschreibung. Es ist vielmehr der Geruch der mühsamen sportlichen Übungen, der Beherrschung des eigenen Körpers, der zahlreichen biochemischen Vorgängen in den Muskeln, Adern und Drüsen.
Kein Angstschweiß, welcher säuerlich ausfallen kann, nein, ein warmer und würziger Schweiß.
Das Adlerholz lässt nicht lange auf sich warten, es wird auch den gesamten Duftverlauf über prägend bleiben.
Hochwertig, keine Frage.
Doch hier geht es nicht um die sonst so vorherrschenden Oud-Ansagen. Dieses markante Holz wird eine äußerst ungewöhnliche Richtung nehmen.
Sonnendurchflutet hell und fast schon mediterran staubig breitet sich nun das Marsfeld aus.
Jene karge, von der rauen Natur so gebeutelte Immortelle ist mit der Zeit widerstandsfähig geworden. Sie trotzt der Dürre, den kargen Böden, den heißen Steinen, behält sich aber ihren Mikrokosmos an Dufteindrücken.
Hier gleicht sie jener Sorte auf sandigem Boden, die Meeresbrise weht ihre Würze über weite Strecken.
Wer schonmal das Glück hatte, diese Strohblume zwischen den Fingern zerrieben zu haben, weiß, welche Vielfalt an Aromen in ihr stecken.
Der Gladiator bewegt sich also auf einer Arena umgeben von Immortelle-Sträuchern.
Doch nun begleitet eine frische und staubige Heunote.
Und genau die ist es, welche den Duft so einzigartig macht.
Dass gerade Heu ein so mächtiges Adlerholz mit all den weiteren Schwergewichten der Basis derart heben kann, verdient Applaus!
Sicher, man kann sich die Kampfarena nun mit ausgelegtem Heu vorstellen.
Genau so gut kann gerade diese Leichtigkeit des getrockneten Grases auch für die meisterlichen Körperbewegungen stehen.
Die starken Beine koordinieren den nötigen Halt, während der drehende Torso den Angriffen des Gegner ausweicht, gefolgt von den gezielten Gegenangriffen der Arme.
Alles muss stimmen und sieht für den Zuschauer, welcher nicht um die Anspannung und Konzentration des Sportlers weiß, im Endergebnis leicht und choreographisch aus.
Und das führt mich zu den weiteren Komponenten der Herznote, Honig und Rosengeranie.
Auf dem Handrücken riechen diese floralsüßen Gegenspieler kaum, in der Nähe der Drüsen am Hals und den Achselhöhlen dagegen stärker.
Geraniol wird gerne als Verstärker der Rose verwendet, weil es ähnlich riecht. Doch hat die Rosengeranie andere Aspekte als ihre edlere Schwester im Geiste. Grün und krautig kommt sie daher, sogar leicht abwehrend.
Und genau das macht ihren Einsatz so spannend hier. Weg von der sonst so generisch vorhandenen Rose zum Oud, hin zu einer kämpferischen Blüte.
Der Honig rundet edel ab, ohne süß und klebrig zu wirken. Einen ähnlichen Einsatz erfuhr die goldene Kostbarkeit in Kouros oder Boss Nr.1.
Diese beiden Noten zeichnen das Herz des Sportlers, edel und tugendhaft, weit entfernt von zerstörerischer Gewalt und verheerendem Kontrollverlust.
Klingt ein wenig nach einem Widerspruch, da es sich vom Namen her doch um einen Gladiator handeln soll.
Fernab jener Bilder bombastischer Filme mit ihrer verzerrenden geschichtlichen Darstellung, waren die Gladiatorenspiele sehr geordnete und mit Regeln ausgeführte Kämpfe. Und ja, man konnte auch sehr häufig lebend die Kampfarena als Unterlegenden verlassen. Was aber an dieser Stelle keine Relativierung der Grausamkeit als Volksbelustigung sein soll.
Mir geht es vielmehr um die Beschreibung des heutigen Gladiators.
Gibt es den heute noch?
Nun, wenn man sich den aktuellen Kampfsport mit all seinen Unterarten anschaut, kann man sagen, dass der Grundgedanke sich hat nie auslöschen lassen, die Bedingungen und Regelwerke sehr wohl.
Ein lieber Freund weiß an dieser Stelle sehr gut, was ich damit meine.
Er verkörpert für mich den heutigen Gladiator.
Beherrscht und voller Disziplin hat er es sehr weit gebracht in der Kunst des Kampfes, welche nun nicht mehr aus Rom, sondern aus Ostasien Einzug gehalten hat.
Er weiß auch, dass das heutige Kräftemessen zwar immer noch die Beherrschung von Geist und Körper bedeutet, nicht aber die Zerstörung des Kontrahenten. Es herrscht ein Gentlemen Agreement.
Und genau diese nun edlere Einstellung verkörpert für mich der Honig-Rosengeranien-Akkord.
Über die restlichen Noten der Basis ließe sich sagen, dass sie perfekt das Adlerholz ausschmücken. Erdig, leicht rauchig, umrahmen sie die holzigen Aspekte.
Je weiter der Duftverlauf, desto stärker und dunkler die Basis.
Zur Ambra bliebe noch zu erwähnen, dass eine gewisse mineralische Note sich mit dem Heu und der Immortelle vermischt, daher meine Assoziation einer Meeresbrise.
Es ist witzig, gegen Ende dieser Zeilen höre ich das beschwingte Pini di Villa Borghese auch von Ottorino Resphigi.
Ein lichtdurchflutetes Allegretto Vivace.
So passend zum Duft, voller männlicher Kraft und dennoch beschwingt leicht. Und vor allem erhaben!
Der Triumphzug des siegreichen Gladiators!
Ave Gladiator, viventes te salutant!
Für U.
Der vorliegende Duft erscheint bei der Marke Electimuss, welche altrömische Bilder evoziert.
Mich erstaunt auch die sehr männliche Ausrichtung dieser Komposition.
Electimuss wurde von Michael Boadi gegründet, wie auch schon zuvor Boadicea the Victorious.
Bisher stachen die Düfte beider Marken eher durch einen äußerst femininen Charakter hervor, ganz nach zeitgenössischem Geschmack auch nicht völlig auf Synthetik verzichtend. Hochpreisig allemal.
Doch sollte Julien Rasquinet dieses Mal einen überfälligen Kontrapunkt setzen. Und seine einfühlsamen Augen verraten mir, dass er seine Aufgabe meistern wird.
Ich habe mir erlaubt, während des Schreibens dieser Zeilen den passenden Komponisten im Hintergrund laufen zu lassen.
Ottorino Respighi hat mit seinen Feste Romane den Ton getroffen.
Gladiator Oud nun.
Zisch!
Endlich!
Da ist sie wieder, die lang verdrängte Männlichkeit!
Kreuzkümmel und Safran spornen regelrecht den athletischen Körper an.
So riecht er, der Sportler.
Er ist bereit für den Wettkampf, weiß um seinen Kontrahenten.
Dieser anfängliche Akkord besticht durch eine sehr körperliche Note. Doch wäre Schweiß unvollständig als Umschreibung. Es ist vielmehr der Geruch der mühsamen sportlichen Übungen, der Beherrschung des eigenen Körpers, der zahlreichen biochemischen Vorgängen in den Muskeln, Adern und Drüsen.
Kein Angstschweiß, welcher säuerlich ausfallen kann, nein, ein warmer und würziger Schweiß.
Das Adlerholz lässt nicht lange auf sich warten, es wird auch den gesamten Duftverlauf über prägend bleiben.
Hochwertig, keine Frage.
Doch hier geht es nicht um die sonst so vorherrschenden Oud-Ansagen. Dieses markante Holz wird eine äußerst ungewöhnliche Richtung nehmen.
Sonnendurchflutet hell und fast schon mediterran staubig breitet sich nun das Marsfeld aus.
Jene karge, von der rauen Natur so gebeutelte Immortelle ist mit der Zeit widerstandsfähig geworden. Sie trotzt der Dürre, den kargen Böden, den heißen Steinen, behält sich aber ihren Mikrokosmos an Dufteindrücken.
Hier gleicht sie jener Sorte auf sandigem Boden, die Meeresbrise weht ihre Würze über weite Strecken.
Wer schonmal das Glück hatte, diese Strohblume zwischen den Fingern zerrieben zu haben, weiß, welche Vielfalt an Aromen in ihr stecken.
Der Gladiator bewegt sich also auf einer Arena umgeben von Immortelle-Sträuchern.
Doch nun begleitet eine frische und staubige Heunote.
Und genau die ist es, welche den Duft so einzigartig macht.
Dass gerade Heu ein so mächtiges Adlerholz mit all den weiteren Schwergewichten der Basis derart heben kann, verdient Applaus!
Sicher, man kann sich die Kampfarena nun mit ausgelegtem Heu vorstellen.
Genau so gut kann gerade diese Leichtigkeit des getrockneten Grases auch für die meisterlichen Körperbewegungen stehen.
Die starken Beine koordinieren den nötigen Halt, während der drehende Torso den Angriffen des Gegner ausweicht, gefolgt von den gezielten Gegenangriffen der Arme.
Alles muss stimmen und sieht für den Zuschauer, welcher nicht um die Anspannung und Konzentration des Sportlers weiß, im Endergebnis leicht und choreographisch aus.
Und das führt mich zu den weiteren Komponenten der Herznote, Honig und Rosengeranie.
Auf dem Handrücken riechen diese floralsüßen Gegenspieler kaum, in der Nähe der Drüsen am Hals und den Achselhöhlen dagegen stärker.
Geraniol wird gerne als Verstärker der Rose verwendet, weil es ähnlich riecht. Doch hat die Rosengeranie andere Aspekte als ihre edlere Schwester im Geiste. Grün und krautig kommt sie daher, sogar leicht abwehrend.
Und genau das macht ihren Einsatz so spannend hier. Weg von der sonst so generisch vorhandenen Rose zum Oud, hin zu einer kämpferischen Blüte.
Der Honig rundet edel ab, ohne süß und klebrig zu wirken. Einen ähnlichen Einsatz erfuhr die goldene Kostbarkeit in Kouros oder Boss Nr.1.
Diese beiden Noten zeichnen das Herz des Sportlers, edel und tugendhaft, weit entfernt von zerstörerischer Gewalt und verheerendem Kontrollverlust.
Klingt ein wenig nach einem Widerspruch, da es sich vom Namen her doch um einen Gladiator handeln soll.
Fernab jener Bilder bombastischer Filme mit ihrer verzerrenden geschichtlichen Darstellung, waren die Gladiatorenspiele sehr geordnete und mit Regeln ausgeführte Kämpfe. Und ja, man konnte auch sehr häufig lebend die Kampfarena als Unterlegenden verlassen. Was aber an dieser Stelle keine Relativierung der Grausamkeit als Volksbelustigung sein soll.
Mir geht es vielmehr um die Beschreibung des heutigen Gladiators.
Gibt es den heute noch?
Nun, wenn man sich den aktuellen Kampfsport mit all seinen Unterarten anschaut, kann man sagen, dass der Grundgedanke sich hat nie auslöschen lassen, die Bedingungen und Regelwerke sehr wohl.
Ein lieber Freund weiß an dieser Stelle sehr gut, was ich damit meine.
Er verkörpert für mich den heutigen Gladiator.
Beherrscht und voller Disziplin hat er es sehr weit gebracht in der Kunst des Kampfes, welche nun nicht mehr aus Rom, sondern aus Ostasien Einzug gehalten hat.
Er weiß auch, dass das heutige Kräftemessen zwar immer noch die Beherrschung von Geist und Körper bedeutet, nicht aber die Zerstörung des Kontrahenten. Es herrscht ein Gentlemen Agreement.
Und genau diese nun edlere Einstellung verkörpert für mich der Honig-Rosengeranien-Akkord.
Über die restlichen Noten der Basis ließe sich sagen, dass sie perfekt das Adlerholz ausschmücken. Erdig, leicht rauchig, umrahmen sie die holzigen Aspekte.
Je weiter der Duftverlauf, desto stärker und dunkler die Basis.
Zur Ambra bliebe noch zu erwähnen, dass eine gewisse mineralische Note sich mit dem Heu und der Immortelle vermischt, daher meine Assoziation einer Meeresbrise.
Es ist witzig, gegen Ende dieser Zeilen höre ich das beschwingte Pini di Villa Borghese auch von Ottorino Resphigi.
Ein lichtdurchflutetes Allegretto Vivace.
So passend zum Duft, voller männlicher Kraft und dennoch beschwingt leicht. Und vor allem erhaben!
Der Triumphzug des siegreichen Gladiators!
Ave Gladiator, viventes te salutant!
Für U.
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