Essenze - Mediterranean Neroli 2015 Eau de Toilette

Unterholz
30.07.2020 - 10:20 Uhr
7
Flakon
5
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft

Colonia mediterranea

In einem St. Galler Warenhaus in der Grabbelkiste fand ich diesen Mediterranean Neroli und da musste ich nicht lange überlegen. Schon vorher hatte ich ihn mal flüchtig probiert; einer der besseren der Essenze-Reihe. Ein Tester war auch noch vorhanden und damit überzeugte er mich restlos. Mittlerweile finde ich ihn richtig gut, auf der Haut allein ist er allerdings ein wenig dünn. Auf Haut UND Textil aufgetragen wirkt er viel dichter. Das kann manchmal den Unterschied ausmachen.

Einige von Zegna‘s Essenze(n) wirken in der Basis etwas künstlich, weshalb ich bei denen nicht gerade in Freudenstürme ausbreche. Ein Trend, der aber auch in der (preislich) gehobenen Parfümerie nicht mehr umkehrbar ist. Bedingt ist das durch die neuen IFRA-Richtlinien, aber letztlich muss das nicht immer eine Qualitätseinbusse darstellen. Es gibt ja viele Marken, die bewusst mit Molekülzauber spielen (Escentric Molecules, Pierre Guillaume, Comme des Garçons etc.) und die dennoch überzeugen können. Med. Neroli ist dagegen sehr traditionell und naturalistisch gehalten. Bemerkenswert, wie dem oder der unbekannten Parfumeurin eine solch feine und unaufdringliche Inszenierung mediterraner Landschaft(en) gelungen ist.

Im Zentrum steht klar Neroli, die Blüte des Bitterorangenbaums. Die Bitterorangenblüte ist herber, weniger süss und lieblich als die Blüte der süssen Orange. Man hat den Eindruck, dass noch Petitgrain (Blätter diverser Agrumen) mitschwingt und begrünt. Rosmarin, Lavendel und Minze tragen ebenfalls zum Bild herb-grüner fliessender Pflanzensäfte bei. Von den Agrumen erkenne ich insbesondere Bergamotte, die hier wirklich perfekt ins bitterliche Bild passt. An dieser Stelle realisiere ich: das sind ja alles Zutaten, die ein Eau de Cologne ausmachen. Tatsächlich eröffnet Med. Neroli mit einem wunderbaren Kölnisch-Akkord. Nur, dass Neroli normalerweise bei einem Cologne eher in der Basis (falls man bei einem solch kurzlebigem Vergnügen von einer sprechen kann) anzutreffen ist, hier aber sofort präsent ist. Verstärkt und saftig akzentuiert ev. durch erwähntes Petitgrain.

Für mich ist und bleibt Med. Neroli während seines Verlaufs ein sehr potentes Eau de Cologne, dessen Einzelteile durch feine Ausbalancierung an Schärfentiefe gewinnen. Es ist als ergänzten sich die Duftstoffe hier ideal, sie stehen in Diskurs miteinander. Harmonie – und doch bleiben Einzelteile erkennbar. Was dieses "Cologne" zu einem mediterranen Erlebnis macht, ist die geschickte Integration von Lavendel und Zypresse, wobei letztere ein sanftes Bild einer toskanischen Landschaft mit weichen Hügeln und Zypressen oder Pinienhainen evoziert.

Die in der Pyramide genannte Basis kann ich so nicht nachvollziehen. Einmal mehr. Ambroxan registriere ich nicht, das irritiert mich meist zuverlässig. Moschus klingt allenfalls plausibel, wobei dieser unter Umständen das beschriebene Duftbild potenziert - den Duft grösser erscheinen lässt. In Med. Neroli eine echte Basis erkennen zu wollen, ist aber meines Erachtens müssig. Die Duftentwicklung hört mit der Herzphase auf und das passt für mich, denn die Haltbarkeit ist für so ein leichtes Parfum (EdT) echt gut, auf meiner Haut immerhin bis 7 Stunden.

Insgesamt eine gelungene Neroli-Interpretation, durch seine Schlichtheit modern und gleichzeitig wunderbar vertraut mit seinen Cologne-Bezügen.
10 Antworten