FvSpee
06.04.2021 - 10:23 Uhr
40
Top Rezension
4
Preis
8
Flakon
4
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft

Neukölln 26 - Und wo bleiben die Kotzbrocken?

Die Marke ELDO hat extrem hartnäckig daran gearbeitet, ihr schlechtes Image bei mir zu verlieren, und jetzt hat sie es fast geschafft.

Es fängt an mit dem Namen der Marke. Ich mag keine Firmen, die aus 3 1/2 Worten bestehen, ich finde das unhöflich gegenüber dem Kunden, die zu zwingen, sich entweder den Mund fusselig zu reden ("Kennst du schon den neuen Etat Libre d'Orange?" - wer redet denn so?) oder zu beknackten Abkürzungen wie ELDO zu greifen (Erinnert mich irgendwie an BRD, El Dorado und aus unerfindlichen Gründen auch an Dagobert Duck). Außerdem muss ich beim Oranje Vrijstaat immer an Apartheid denken.

Das Problem setzt sich bei den Namen der einzelnen Düfte fort, die mir oft zu hip ('Encens et Bubblegum') zu lang ('Fils de Dieu du Riz et des Agrumes', aka FDDDREDA), zu gewollt gewagt ('Putain des Palaces', d.h. Palastnutte) oder schlicht zu bescheuert ('Hermann a mes cotes me paraissait une ombre') sind.

Und schließlich kann ich mit dem Verprechen nichts anfangen, ekelerregende Schockerdüfte vorzulegen, da ich Spießer genug bin, um gut riechen zu wollen - mindestens aus Erzählungen kennt ja fast jeder das irgendwie nach Sperma, Blut, Eiter und Hirnmasse riechen sollende 'Secretions Magnifiques'.

Ich muss allerdings zugeben, dass mir alle drei bisher von mir getesteten ELDOs (Vierges et Toreros, Fat Electrician und den bereits erwähnten Gottessohn des Reises und der Zitrusfrüchte) richtig gut gefallen haben. Ich fand sie auch alle eher knuffig als skandalös. Ein bisschen raffiniert, ja schon, aber im Großen und Ganzen mainstreamkompatibel und überhaupt nicht dissonant.

Und nun also legen die Oranier ein Cologne vor (im Kleingedruckten dann ebenfalls als 'Eau de Parfum' deklariert, also ein Cologne-EdP wie das von mir vor vier Tagen rezensierte Gunpowder Cologne von Urban Scents), das mich wirklich überzeugt und mir die (wenn auch ganz knappe) 9 entlockt.

Obwohl von dem typischen Kölnischwasser-Fünfklang aus Zitrone, Bergamotte, Neroli, Lavendel und Rosmarin hier nur die Zitrone übrig bleibt (jedenfalls bei den offiziell deklarierten Zutaten), begegnet dieses Cologne als astreines Mitglied der Familie Farina. Die Verwandtschaft zu Klassikern wie 4711 ist absolut unverkennbar. Dieses Bild wird durch lauter kleine Akzentverschiebungen (Mandarine statt Bergamotte, Minze statt Rosmarin, Orangenblüte statt Neroli, schwere Blumen statt Lavendel, und eine fette, schmatzende Basis druntergezogen) neu interpretiert.

Das wirkt saftig, kraftvoll und satt leuchtend, da schimmern spannende fruchtig-herbsüße und sogar, woher auch immer, salzige Noten durch. Hatte ich mich bei den Mugler-Colognes, die wohl in etwa in dieselbe Richtung gehören, noch abfällig über den Trend geäußert, Colognes vor allem durch Moschusbeimischungen "moderner und sinnlicher" zu machen (wozu braucht ein Cologne modern zu sein, und wieso in aller Welt sinnlich, wenn ich's sinnlich haben will, greife ich doch nicht zum Cologne!) - hier ist diese Modernisierung tatsächlich gelungen. Vielleicht, da anders als bei Mugler der Moschus das Bild nicht trübt und verschmiert, sondern wirklich nur voller und allenfalls minimal weicher werden lässt.

Nachzutragen bleibt:

Der 'Listenpreis' dieses Dufts ist 100 Euro für 100 ml. Das ist trotz der guten Qualität viel. Denn 'Cologne' hält zwar deutlich länger als ein traditionelles Kölnischwasser, aber nur bei sehr großzügiger Dosierung und auch dann nur sehr hautnah. Eine halbwegs ordentliche Frischeabstrahlung kann man, fast wie bei einem 4711 oder ähnlichen Klassikern, nur für ein paar Minuten genießen.

Den Duft fand ich so überraschend gut, dass ich mir auch die Parfumeurin Alexandra Kosinski etwas näher angeschaut habe. Sie ist ziemlich produktiv und offenbar nirgendwo fest unter Vertrag, sondern freischaffend. Sie hat Düfte für Playboy und Kylie Minogue ebenso komponiert wie (zwei sogar) für Parfums de Marly. Bekannt ist mir allerdings bisher kein anderer Duft von ihr.
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