08.01.2014 - 12:51 Uhr
Palonera
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Palonera
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72
gefallener Engel
Es gibt Düfte, deren erste Berührung mit meiner Haut bereits die Klaviatur des Wohlbefindens hinauf und hinunter spielt, die schmeicheln und streicheln, von den Fuß- bis hinein in die Haarspitzen entspannen, meine zerknitterte Seele glattstreichen und frischen Wind durch verstopfte Gehirnwindungen pusten.
Die "Willkommen daheim!" sagen und "Du hast mir gefehlt!", die Freund sind und Mutter, Geliebter und Sandkastengefährte, die sich mit jedem Atemzug mehr in mein Herz stehlen und es nie mehr wieder verlassen wollen.
Es gibt Düfte, die vom allerersten Moment an mein Feind zu sein scheinen, die mich puffen und knuffen, mich schubsen und mir die Zunge herausstrecken, mich an den Haaren ziehen und in den dunklen Keller sperren, die die Dämonen meiner finstersten Träume zum Leben erwecken und mich wünschen lassen, meine Haut wie einen ungeliebten Anzug ausziehen und vor mir selbst davonlaufen zu können.
Und es gibt Düfte, die mir das Gefühl geben, eine multiple Persönlichkeit zu sein – eine mit mindestens zwei Seelen in der Brust, mit Jekyll und Hyde, mit Schneewittchen und der bösen Hexe, Neugeborenes und uralte Greisin.
Die mich anziehen und abstoßen, mich lieben und hassen lassen, die gerümpfte Nase ans Handgelenk geklebt, die mich im Sekundentakt jubeln und jammern hören, hin und her gerissen zwischen "Bleib bei mir, verlass mich nicht!" und "Wo ist denn nur die Kernseife?" – duftgewordene Janusköpfe, deren Faszination ich mich unmöglich entziehen kann.
Düfte wie "Divin' Enfant".
"Divin' Enfant" katapultiert mich mit dem ersten Atemzug durch die Zeiten, wirbelt mich zurück in die Siebziger und läßt mich fallen auf Tante Ernas Schoß.
Ich bin fünf, Tante Erna ist alt, uralt, schon über fünfzig.
Tante Erna ist eigentlich nicht meine Tante – sie wohnt nebenan und kommt manchmal herüber, sitzt kaffeetrinkend in unserer Küche und erzählt alte Geschichten.
Tante Erna raucht, trägt komische geblümte Blusen, die knistern und irgendwie schwitzig riechen, und manchmal trinkt Tante Erna Schnaps.
Das sollte sie nicht tun, denn dann redet sie noch mehr und schimpft und flucht, irgendwann weint sie.
Dann drückt sie mich ganz fest, bis ich fast keine Luft mehr bekomme und den Aschenbecher und die Bluse und Tante Ernas "Parfüüüüm" nicht mehr riechen kann.
Tante Erna ist komisch, aber sie ist nett, ich mag sie gern.
Im nächsten Augenblick bin ich fünfundzwanzig, stehe auf viel zu hohen Absätzen auf einer Tanzfläche, um mich herum schiebende, stoßende, zappelnde Menschen, über unseren Köpfen zuckendes Stroboskop-Licht, wabernder Nebel und eine Luft, die dieses Wort noch nie gehört hat.
Es ist heiß, in den Geruch der Tänzer mischt sich Zigarettenrauch, jedes zweite Mädchen trägt "Gaultier" und davon viel zu viel.
Mir wird ein wenig flau, ich kämpfe mich zwischen den Tanzenden hindurch zur Bar, greife nach einem Hocker.
Der Barkeeper schneidet Orangen, schiebt mir ungefragt ein Glas mit quietschbuntem Inhalt hin.
Irgendwer reicht mir eine angezündete Zigarette...
...und ich liege neben dir, unter uns die zerwühlten Laken, um uns herum die Hitze jener schwülen Sommernacht.
Noch perlt der Schweiß auf unseren Körpern, noch haben sich Atem und Herzschlag nicht beruhigt.
In der Dunkelheit glüht ein roter Punkt, auf deiner Brust ruht der Aschenbecher.
Es gibt nichts zu sagen.
Wir wissen beide, daß es kein nächstes Mal geben wird.
Ein leichter Windhauch bläht die Vorhänge, trägt den Duft der Rosen und der kandierten Früchte vom Tisch zu mir.
Ich drehe mich um.
Es ist mein 38. Geburtstag und das Ende unseres Weges.
Drei Szenen, drei Momentaufnahmen.
Jede einzelne ein Synonym für "Divin' Enfant", diesen Duft der Gegensätze, der scheinbaren Unvereinbarkeiten, der mit Assoziationen und Konditionierungen spielt wie ein Kind mit Legofiguren, der nicht "schön" sein will und doch so wunderschön ist, so eigenartig, eigenwillig, süß und schmutzig, lächelnd und traurig, bitter und düster und doch voll Hoffnung und Zuversicht, warm und sanft und fast schmerzhaft menschlich, verschmierter Lippenstift und zerlaufene Mascara – ein gefallener Engel, doch noch immer ein Engel.
Die "Willkommen daheim!" sagen und "Du hast mir gefehlt!", die Freund sind und Mutter, Geliebter und Sandkastengefährte, die sich mit jedem Atemzug mehr in mein Herz stehlen und es nie mehr wieder verlassen wollen.
Es gibt Düfte, die vom allerersten Moment an mein Feind zu sein scheinen, die mich puffen und knuffen, mich schubsen und mir die Zunge herausstrecken, mich an den Haaren ziehen und in den dunklen Keller sperren, die die Dämonen meiner finstersten Träume zum Leben erwecken und mich wünschen lassen, meine Haut wie einen ungeliebten Anzug ausziehen und vor mir selbst davonlaufen zu können.
Und es gibt Düfte, die mir das Gefühl geben, eine multiple Persönlichkeit zu sein – eine mit mindestens zwei Seelen in der Brust, mit Jekyll und Hyde, mit Schneewittchen und der bösen Hexe, Neugeborenes und uralte Greisin.
Die mich anziehen und abstoßen, mich lieben und hassen lassen, die gerümpfte Nase ans Handgelenk geklebt, die mich im Sekundentakt jubeln und jammern hören, hin und her gerissen zwischen "Bleib bei mir, verlass mich nicht!" und "Wo ist denn nur die Kernseife?" – duftgewordene Janusköpfe, deren Faszination ich mich unmöglich entziehen kann.
Düfte wie "Divin' Enfant".
"Divin' Enfant" katapultiert mich mit dem ersten Atemzug durch die Zeiten, wirbelt mich zurück in die Siebziger und läßt mich fallen auf Tante Ernas Schoß.
Ich bin fünf, Tante Erna ist alt, uralt, schon über fünfzig.
Tante Erna ist eigentlich nicht meine Tante – sie wohnt nebenan und kommt manchmal herüber, sitzt kaffeetrinkend in unserer Küche und erzählt alte Geschichten.
Tante Erna raucht, trägt komische geblümte Blusen, die knistern und irgendwie schwitzig riechen, und manchmal trinkt Tante Erna Schnaps.
Das sollte sie nicht tun, denn dann redet sie noch mehr und schimpft und flucht, irgendwann weint sie.
Dann drückt sie mich ganz fest, bis ich fast keine Luft mehr bekomme und den Aschenbecher und die Bluse und Tante Ernas "Parfüüüüm" nicht mehr riechen kann.
Tante Erna ist komisch, aber sie ist nett, ich mag sie gern.
Im nächsten Augenblick bin ich fünfundzwanzig, stehe auf viel zu hohen Absätzen auf einer Tanzfläche, um mich herum schiebende, stoßende, zappelnde Menschen, über unseren Köpfen zuckendes Stroboskop-Licht, wabernder Nebel und eine Luft, die dieses Wort noch nie gehört hat.
Es ist heiß, in den Geruch der Tänzer mischt sich Zigarettenrauch, jedes zweite Mädchen trägt "Gaultier" und davon viel zu viel.
Mir wird ein wenig flau, ich kämpfe mich zwischen den Tanzenden hindurch zur Bar, greife nach einem Hocker.
Der Barkeeper schneidet Orangen, schiebt mir ungefragt ein Glas mit quietschbuntem Inhalt hin.
Irgendwer reicht mir eine angezündete Zigarette...
...und ich liege neben dir, unter uns die zerwühlten Laken, um uns herum die Hitze jener schwülen Sommernacht.
Noch perlt der Schweiß auf unseren Körpern, noch haben sich Atem und Herzschlag nicht beruhigt.
In der Dunkelheit glüht ein roter Punkt, auf deiner Brust ruht der Aschenbecher.
Es gibt nichts zu sagen.
Wir wissen beide, daß es kein nächstes Mal geben wird.
Ein leichter Windhauch bläht die Vorhänge, trägt den Duft der Rosen und der kandierten Früchte vom Tisch zu mir.
Ich drehe mich um.
Es ist mein 38. Geburtstag und das Ende unseres Weges.
Drei Szenen, drei Momentaufnahmen.
Jede einzelne ein Synonym für "Divin' Enfant", diesen Duft der Gegensätze, der scheinbaren Unvereinbarkeiten, der mit Assoziationen und Konditionierungen spielt wie ein Kind mit Legofiguren, der nicht "schön" sein will und doch so wunderschön ist, so eigenartig, eigenwillig, süß und schmutzig, lächelnd und traurig, bitter und düster und doch voll Hoffnung und Zuversicht, warm und sanft und fast schmerzhaft menschlich, verschmierter Lippenstift und zerlaufene Mascara – ein gefallener Engel, doch noch immer ein Engel.
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