19.04.2025 - 15:52 Uhr

ElAttarine
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ElAttarine
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41
Süßer Trost
In einem sehr alten neapolitanischen Wiegenlied singt eine Mutter ihren Sohn in den Schlaf, ninna nanna, singt sie wiegend und beruhigend, jetzt ist Zeit zu schlafen, sorge dich nicht, du darfst zur Ruhe kommen. So trostreich und schön ist das, und doch stelle ich mir vor, dass ihr, während sie singt, die Tränen übers Gesicht laufen, weil sie nicht verschweigt, was es bedeutet zu leben: Jetzt ist Zeit zu schlafen, aber es wird auch die Zeit des Abschiednehmens kommen, Zeit, alles verlassen zu müssen, Zeit der Schmerzen, Zeit zu sterben. Das ist herzzerreißend schön, und auch wenn es sich um ein Lied Marias handelt, die Jesus in den Schlaf singt, ist es universell und kulturübergreifend verständlich, wie es sich anfühlt, ein schutzloses Leben, das einem anvertraut ist, ins Leben und damit auch in die Endlichkeit gehen zu sehen.
Was wird am Ende bleiben? Gibt es eine Brücke der Verbundenheit mit dem Ewigen? Ich bin ziemlich sicher, angesichts der Verletzbarkeit und Fragilität des ganzen Lebens ist das einzige, was bleibt, die Liebe und die Freude, die wir in die Welt bringen. „Süßer Trost“ hat man das im Barock genannt, und das beschreibt für mich ganz genau diesen Duft. Ich finde hier das Thema der Fragilität des Lebens, Schmerz, Süße, Trost, alles drin.
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Die süße Erleichterung (das bedeutet Sollievo) startet süßer, als ich es gedacht hatte, mit harzig-pudrig-vanilligem Amber gleich von Beginn an. Überhaupt hat die Duftpyramide für mich hier kaum eine Reihenfolge, weder in normaler noch, wie oft bei Sorcinelli, in umgekehrter Reihenfolge. Der Amber ist sehr weich und warm-umarmend und bleibt die ganze Zeit anwesend, aber ohne allzu plakativ süß zu werden. Dazu kommt dann das hell-zitrische Elemiharz und eine Ahnung von Rosmarin. (Es gibt winzige Momente, wo es mich an die zitrische Guerlain-Vanille erinnert, aber das sind nur kleine Aspekte.) Gardenie und Maiglöckchen kann ich nicht eigens ausmachen, eher wird das vorherrschend Harzige leicht angeblümelt. Die angegebenen „maritimen Noten“ lassen den Duft für mich nicht aquatisch werden – wären sie nicht angegeben, wäre ich vielleicht gar nicht auf die Idee gekommen. Auf jeden Fall schleicht sich nach und nach der Weihrauch stärker mit ein, und das gefällt mir ausnehmend gut. Der Weihrauch ist durchweg erhebend, hell und leicht. Zusammen mit dem bleibend harzigen Amber ergibt das einen süßlich-salzigen Eindruck, den man schon mit Meereswind assoziieren könnte. Oder eben mit salzigen Tränen und süßem Trost.
Zum Glück gibt es an keiner Stelle irgendeinen Tonka-Muff, weder am Anfang noch am Ende. Sorcinellis Superfluo?-Düfte sind als besonders zugängliche Düfte konzipiert, „ein Beitrag für die neuen Generationen“, für neue, jüngere Zielgruppen, denen seine klassischen Weihraucher vielleicht zu sperrig sein könnten, die sich aber doch für Themen interessieren, die das rein Materielle überschreiten. Das scheint mir hier gelungen. Und gleichzeitig lässt sich hier Filippos vertraute Handschrift beim Umgang mit dem Elemi und dem Weihrauch erkennen. Der Duft lässt sich als einfach bloß angenehm und wohltuend, aber auch als wirklich trostspendend, als Seelenduft, wahrnehmen.
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Im Moment, als wir gezeugt wurden, waren wir alle von Liebe erfüllt. Vielleicht nur einen winzigen Moment lang, in dem sie uns fand, ein Lichtstrahl aus der Unendlichkeit. Irgendwann führt sie uns dahin zurück, jenseits von Schmerzen und Tränen, in einen Raum fragloser Heimat. Erleichterung. So könnte jedenfalls der Trost lauten. Und vorher geht es darum, gegenseitig dafür zu sorgen, dass Trost möglich ist.
Es ist schön, ein Teil dieser Community zu sein. In Verbundenheit wünsche ich Euch allen frohe und leichte Ostern!
Ninna Nanna - L'Arpeggiata Christina Pluhar:
https://www.youtube.com/watch?v=jYJUxMDwyEQ
Hier singt Philippe Jaroussky das Wiegenlied und zeigt, dass Gefühle kein Geschlecht haben.
Was wird am Ende bleiben? Gibt es eine Brücke der Verbundenheit mit dem Ewigen? Ich bin ziemlich sicher, angesichts der Verletzbarkeit und Fragilität des ganzen Lebens ist das einzige, was bleibt, die Liebe und die Freude, die wir in die Welt bringen. „Süßer Trost“ hat man das im Barock genannt, und das beschreibt für mich ganz genau diesen Duft. Ich finde hier das Thema der Fragilität des Lebens, Schmerz, Süße, Trost, alles drin.
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Die süße Erleichterung (das bedeutet Sollievo) startet süßer, als ich es gedacht hatte, mit harzig-pudrig-vanilligem Amber gleich von Beginn an. Überhaupt hat die Duftpyramide für mich hier kaum eine Reihenfolge, weder in normaler noch, wie oft bei Sorcinelli, in umgekehrter Reihenfolge. Der Amber ist sehr weich und warm-umarmend und bleibt die ganze Zeit anwesend, aber ohne allzu plakativ süß zu werden. Dazu kommt dann das hell-zitrische Elemiharz und eine Ahnung von Rosmarin. (Es gibt winzige Momente, wo es mich an die zitrische Guerlain-Vanille erinnert, aber das sind nur kleine Aspekte.) Gardenie und Maiglöckchen kann ich nicht eigens ausmachen, eher wird das vorherrschend Harzige leicht angeblümelt. Die angegebenen „maritimen Noten“ lassen den Duft für mich nicht aquatisch werden – wären sie nicht angegeben, wäre ich vielleicht gar nicht auf die Idee gekommen. Auf jeden Fall schleicht sich nach und nach der Weihrauch stärker mit ein, und das gefällt mir ausnehmend gut. Der Weihrauch ist durchweg erhebend, hell und leicht. Zusammen mit dem bleibend harzigen Amber ergibt das einen süßlich-salzigen Eindruck, den man schon mit Meereswind assoziieren könnte. Oder eben mit salzigen Tränen und süßem Trost.
Zum Glück gibt es an keiner Stelle irgendeinen Tonka-Muff, weder am Anfang noch am Ende. Sorcinellis Superfluo?-Düfte sind als besonders zugängliche Düfte konzipiert, „ein Beitrag für die neuen Generationen“, für neue, jüngere Zielgruppen, denen seine klassischen Weihraucher vielleicht zu sperrig sein könnten, die sich aber doch für Themen interessieren, die das rein Materielle überschreiten. Das scheint mir hier gelungen. Und gleichzeitig lässt sich hier Filippos vertraute Handschrift beim Umgang mit dem Elemi und dem Weihrauch erkennen. Der Duft lässt sich als einfach bloß angenehm und wohltuend, aber auch als wirklich trostspendend, als Seelenduft, wahrnehmen.
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Im Moment, als wir gezeugt wurden, waren wir alle von Liebe erfüllt. Vielleicht nur einen winzigen Moment lang, in dem sie uns fand, ein Lichtstrahl aus der Unendlichkeit. Irgendwann führt sie uns dahin zurück, jenseits von Schmerzen und Tränen, in einen Raum fragloser Heimat. Erleichterung. So könnte jedenfalls der Trost lauten. Und vorher geht es darum, gegenseitig dafür zu sorgen, dass Trost möglich ist.
Es ist schön, ein Teil dieser Community zu sein. In Verbundenheit wünsche ich Euch allen frohe und leichte Ostern!
Ninna Nanna - L'Arpeggiata Christina Pluhar:
https://www.youtube.com/watch?v=jYJUxMDwyEQ
Hier singt Philippe Jaroussky das Wiegenlied und zeigt, dass Gefühle kein Geschlecht haben.
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