16.12.2016 - 17:36 Uhr
Yatagan
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Yatagan
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Über einen alten Freund im Spiegel
Unkommentierte Düfte No. 89
L'Aventurier, der Abenteurer, heißt der neueste Herrenduft von Fragonard, einer der letzten verbliebenen Traditionsmarken aus Grasse (gegr. 1926), der alten Hauptstadt der Düfte in Südfrankreich. Fragonard, diese Marke, die sich immer mehr in die Gefilde wenig besetzter Regionen zwischen Mainstream-Ausverkauf und Drogerieware bewegt, bleibt ein Sorgenkind: welcher Duft neben Confidentiel, der auch keine Wunder bewirkt, wäre von dieser Marke schon erwähnenswert? Fragonard, die noch nie einen großen Wurf im Portfolio hatten, anders etwas als der Nachbar Molinard (gegr. 1849), dessen legendärste Düfte wenigstens zu Hochzeiten von Grasse die Fahne der südfranzösischen Parfümerie hochhielten; Fragonard, die im Gegensatz zu Galimard (gegr. 1747), die wenigstens noch stellenweise um Qualität bemüht sind, blasse Düfte ohne Wiedererkennungswert ausstoßen; gerade diese Marke setzt nun mit ihrem neuesten Duft, der Assoziationen von Abenteuer und Kühnheit beschwört, auf einen soliden, fast konservativen Herrenduft, der sich abseits der Muster der Mainstream- und Drogeriemarken bewegt, damit irgendwie schon wieder originell ist und im Rahmen der Preiskalkulation, die so etwas wie natürliche Inhaltsstoffe, Manufakturware und individuelle Komposition von vornherein ausschließen dürfte, fast alles bescheiden richtig macht.
Da ist nichts Großes entstanden und schon gar nichts Neues, aber etwas, das man wie einen lieben alten Freund im Spiegel begrüßt, wenn man seiner gewahr wird. Der sieht zwar aus wie Du selbst, kommt dir schrecklich bekannt vor, schließlich siehst Du ihn jeden Morgen beim Rasieren, aber irgendwie ist etwas anders: ist es die kleine Narbe am Kinn (Du hast dich doch gar nicht geschnitten!?), ist es der verwegene Blick des Draufgängers (so mutig warst Du doch nie!?) oder ist es die Sehnsucht, den Tag mal mit einem unkomplizierten Duft beginnen zu dürfen, bei dem Du nicht nachdenken musst, ob er dein Ich so unterstreicht, wie wir Parfumos es von uns selbst und unseren Düften öfters erwarten. L'Aventurier ist kein echter Abenteurer, sondern eher der Durschnittstyp, der dich ins Abenteuer Alltag begleitet, in das er eine leichte Fougère-Note einstreut (synthetisch, aber charmant, könnte man sagen) wie eine Ahnung von etwas Besserem, dessen Aura mithin tatsächlich dezent grün ist, wie das Etikett auf der berühmten Aluflasche, die die Marke stets für ihre Herrendüfte verwendet, und der eigentlich ziemlich anders riecht als die Inhaltsstoffe, die da oben angegeben sind. Konkret, meine Lieben: Er riecht nicht nach Patch, nicht nach Vetiver, nicht nach Leder, eigentlich auch nicht nach Zitrone. Wie auch! Der ganze Duft dürfte (pfui, pfui) aus dem Chemielabor stammen, das sich inzwischen (wie fast alle) auch und erst recht die preiswerten Hersteller aus Grasse leisten und riecht daher zunächst auch mal so, wie alle Fragonard-Herrengemische der letzten Jahre: irgendwie nach Mainstream-Mist. Aber dann ist da eben der oben erwähnte grüne, nadelige (koniferige) Twist, der dem Duft diese traditionelle Aura verleiht. Leider ist die Basisnote wieder nur verschwurbelt süß, so dass Du bald nachsprühen musst, wenn Du das Nadel-Feeling noch mal haben willst. Aber das macht ja nichts, denn der Duft ist billig, die Aluflasche ist leicht und passt notfalls mit ihrer schlanken Form in die Innentasche jedes deiner Sakkos und vielleicht unterscheidest Du dich mit diesem Durchschnittsabenteurer sogar positiv von deinen Kollegen am Konferenztisch, die wahrscheinlich keine Rojas, keine Amouages und auch keine teuer ersteigerten Vintage-Klassiker tragen, sondern das Zeug von Boss, Jil Sander, Davidoff oder Paco Rabanne (und damit meine ich die Ausgeburten der letzten Jahre, nicht das klassische Zeug aus den 80ern oder 90ern) und das alles ist allemal unsäglicher als der Kompromiss zwischen Mainstream-Plörre und Drogerie-Sumpf, den L'Aventurier verkörpert. Damit ist dieser Neuling immer noch kein Duft für den anspruchsvollen Parfumo-User, hat aber für seine Solidität und seinen vagen Mut zu grünem Fougère-Stil wenigstens eine durchschnittliche Bewertung verdient (sagen wir 7.5, was aber auch schon recht großzügig ist) - und noch einen halben Punkt dafür drauf, dass der Duft trotzt der Versandkosten aus Fronkreisch immer noch billiger zu uns Möchtegern-Abenteurern (i.e. Männern) kommt als vieles, was schlechter riecht, aber in schöneren Flakons steckt. Da ist man in Grasse wenigstens ehrlich: Mehr muss der Spaß nicht kosten (gilt auch für die Düfte von Galimard). Darum ist er jetzt erst mal in meiner Sammlung, auch wenn ich nicht sonderlich stolz darauf bin.
Auf ins Abenteuer Leben. Auf ins Abenteuer Alltag.
Ich verkneife mir die Ausrufezeichen.
L'Aventurier, der Abenteurer, heißt der neueste Herrenduft von Fragonard, einer der letzten verbliebenen Traditionsmarken aus Grasse (gegr. 1926), der alten Hauptstadt der Düfte in Südfrankreich. Fragonard, diese Marke, die sich immer mehr in die Gefilde wenig besetzter Regionen zwischen Mainstream-Ausverkauf und Drogerieware bewegt, bleibt ein Sorgenkind: welcher Duft neben Confidentiel, der auch keine Wunder bewirkt, wäre von dieser Marke schon erwähnenswert? Fragonard, die noch nie einen großen Wurf im Portfolio hatten, anders etwas als der Nachbar Molinard (gegr. 1849), dessen legendärste Düfte wenigstens zu Hochzeiten von Grasse die Fahne der südfranzösischen Parfümerie hochhielten; Fragonard, die im Gegensatz zu Galimard (gegr. 1747), die wenigstens noch stellenweise um Qualität bemüht sind, blasse Düfte ohne Wiedererkennungswert ausstoßen; gerade diese Marke setzt nun mit ihrem neuesten Duft, der Assoziationen von Abenteuer und Kühnheit beschwört, auf einen soliden, fast konservativen Herrenduft, der sich abseits der Muster der Mainstream- und Drogeriemarken bewegt, damit irgendwie schon wieder originell ist und im Rahmen der Preiskalkulation, die so etwas wie natürliche Inhaltsstoffe, Manufakturware und individuelle Komposition von vornherein ausschließen dürfte, fast alles bescheiden richtig macht.
Da ist nichts Großes entstanden und schon gar nichts Neues, aber etwas, das man wie einen lieben alten Freund im Spiegel begrüßt, wenn man seiner gewahr wird. Der sieht zwar aus wie Du selbst, kommt dir schrecklich bekannt vor, schließlich siehst Du ihn jeden Morgen beim Rasieren, aber irgendwie ist etwas anders: ist es die kleine Narbe am Kinn (Du hast dich doch gar nicht geschnitten!?), ist es der verwegene Blick des Draufgängers (so mutig warst Du doch nie!?) oder ist es die Sehnsucht, den Tag mal mit einem unkomplizierten Duft beginnen zu dürfen, bei dem Du nicht nachdenken musst, ob er dein Ich so unterstreicht, wie wir Parfumos es von uns selbst und unseren Düften öfters erwarten. L'Aventurier ist kein echter Abenteurer, sondern eher der Durschnittstyp, der dich ins Abenteuer Alltag begleitet, in das er eine leichte Fougère-Note einstreut (synthetisch, aber charmant, könnte man sagen) wie eine Ahnung von etwas Besserem, dessen Aura mithin tatsächlich dezent grün ist, wie das Etikett auf der berühmten Aluflasche, die die Marke stets für ihre Herrendüfte verwendet, und der eigentlich ziemlich anders riecht als die Inhaltsstoffe, die da oben angegeben sind. Konkret, meine Lieben: Er riecht nicht nach Patch, nicht nach Vetiver, nicht nach Leder, eigentlich auch nicht nach Zitrone. Wie auch! Der ganze Duft dürfte (pfui, pfui) aus dem Chemielabor stammen, das sich inzwischen (wie fast alle) auch und erst recht die preiswerten Hersteller aus Grasse leisten und riecht daher zunächst auch mal so, wie alle Fragonard-Herrengemische der letzten Jahre: irgendwie nach Mainstream-Mist. Aber dann ist da eben der oben erwähnte grüne, nadelige (koniferige) Twist, der dem Duft diese traditionelle Aura verleiht. Leider ist die Basisnote wieder nur verschwurbelt süß, so dass Du bald nachsprühen musst, wenn Du das Nadel-Feeling noch mal haben willst. Aber das macht ja nichts, denn der Duft ist billig, die Aluflasche ist leicht und passt notfalls mit ihrer schlanken Form in die Innentasche jedes deiner Sakkos und vielleicht unterscheidest Du dich mit diesem Durchschnittsabenteurer sogar positiv von deinen Kollegen am Konferenztisch, die wahrscheinlich keine Rojas, keine Amouages und auch keine teuer ersteigerten Vintage-Klassiker tragen, sondern das Zeug von Boss, Jil Sander, Davidoff oder Paco Rabanne (und damit meine ich die Ausgeburten der letzten Jahre, nicht das klassische Zeug aus den 80ern oder 90ern) und das alles ist allemal unsäglicher als der Kompromiss zwischen Mainstream-Plörre und Drogerie-Sumpf, den L'Aventurier verkörpert. Damit ist dieser Neuling immer noch kein Duft für den anspruchsvollen Parfumo-User, hat aber für seine Solidität und seinen vagen Mut zu grünem Fougère-Stil wenigstens eine durchschnittliche Bewertung verdient (sagen wir 7.5, was aber auch schon recht großzügig ist) - und noch einen halben Punkt dafür drauf, dass der Duft trotzt der Versandkosten aus Fronkreisch immer noch billiger zu uns Möchtegern-Abenteurern (i.e. Männern) kommt als vieles, was schlechter riecht, aber in schöneren Flakons steckt. Da ist man in Grasse wenigstens ehrlich: Mehr muss der Spaß nicht kosten (gilt auch für die Düfte von Galimard). Darum ist er jetzt erst mal in meiner Sammlung, auch wenn ich nicht sonderlich stolz darauf bin.
Auf ins Abenteuer Leben. Auf ins Abenteuer Alltag.
Ich verkneife mir die Ausrufezeichen.
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