1697 2011 Absolu de Parfum

Profumo
04.04.2011 - 09:37 Uhr
27
Top Rezension
7.5
Haltbarkeit
8
Duft

Überbordend, aber nicht feist

Ich habe ein kleines Problem mit Herrn Duchaufour: er ist mir etwas zu aktiv. Oder anders gesagt: kaum fange ich an mich mit einem neuen Duft von ihm zu beschäftigen, da ist auch schon der nächste da. Diese rastlose Aktivität, die beinahe im Monatsrhythmus neue Werke gebiert, scheint sich mir allerdings weniger in voneinander trennbare Phasen der Beschäftigung mit diesem oder jenem gliedern zu lassen, sondern ist vielmehr Ausdruck gründlichen, und daher etwas langwierigen Auslotens eines recht eng gefassten Motivkomplexes. Die dabei in so kurzen Abständen lancierten Düfte präsentieren sich mir daher auch nicht als in sich ruhende, abschließendes Resultate, sondern eher als Studien zu einer Idee, als Variationen auf einen Grundgedanken, als ‚work in progress’.

Betrand Duchaufour ist aber auch sehr gefragt – jeder will ihn haben und scheint ihn zu bekommen: Artisan, Penhaligon´s, Amouage, Eau d´Italie und neuerdings The Different Company. Vermutlich ist er der begehrteste und umworbenste Parfumeur unserer Tage, und so verwundert es kaum, dass er komponiert was das Zeug hält, und dabei Werke abliefert, denen man – einem guten Wein gleich – gerne eine Phase des Reifens gegönnt hätte.
Aber nicht nur seinen verblüffend schnell entstehenden Werken, auch ihm selbst möchte man eine schöpferische Pause gönnen, ein Innehalten beim Feuerwerk-artigen Abbrennen seines kreativen Potentials, das freilich Staunen macht. Doch wer sein Publikum im Stakkato mit immer ähnlicher werdenden Leuchtraketen zu unterhalten gedenkt, der riskiert nicht nur das ermüdete Abwenden desselben, sondern auch den eigenen künstlerischen ‚burn out’.
Und nicht nur das Auge braucht Phasen der Erholung, auch die Nase. Man hangle sich aber mal von ‚Baume du Doge’ über ‚Havana Vanille’, ‚Amaranthine’, ‚Nuit de Tuberose’, ‚Traversée du Bosphore’ bis hin zu ‚Frapin 1697’, um nur eine Teil der in den letzten zwei, drei Jahren lancierten Duchaufour-Kreationen zu nennen – ich glaube, selbst hartgesottene Pafumistas werden sagen: ufff, es reicht!

Das Problem ist vorallem: die Düfte überraschen nicht mehr. Gewissermaßen werden sie sogar vorhersehbar, und so ertappt man sich während des ersten Schnupperns bei dem Gedanken: aha, hab ich´s mir doch gedacht.
Sie gut sie auch sein mögen, aber die mitunter frappierenden Ähnlichkeiten, zusammen mit der engen Taktung ihres Erscheinens, lässt Mühe aufkommen die wenigen charakteristischen Merkmale den jeweiligen Düften im Nachhinein zuzuordnen.

‚Fapin 1697’ ist nun wieder so ein Duft, der noch aus dem Pool der motivisch ineinander verwobenen letzten Projekte entsprungen ist – große Anteile von ‚Baume du Doge’ sind in ihm zu finden, aber auch viel ‚Havana Vanille’ und einiges von ‚Traversé du Bosphore’. Und da das Motto für diesen Duft Reichhaltigkeit und Üppigkeit als olfaktorische Entsprechung zur verschwenderischen Genusssucht am Hofe des französischen Königs anno 1697 ist, hat der Parfumeur folgerichtig auch hemmungslos in seinem Pool gefischt. Hervorgezaubert wurden tatsächlich eine ungeheure Menge feinster, gaumenkitzelnder Freuden – erlesene Gewürze, süße Früchte, bitter-herbe Schokolade, dunkler Rum und schwerer Wein. All das serviert in einem mit verspielten Rokoko-Draperien und schönsten Blütenbouquets geschmückten Raum, in dessen Mitte man sich auf einer mit edelstem Leder bezogenen Récamière niederlässt, um sich solcherart, gewissermaßen halb liegende wie die alten Römer, hemmungslos den kulinarischen Genüssen hingeben zu können.
Doch bei aller Völlerei trieft hier kein Fett von den Fingern, wie sich ebenso wenig ein ermüdendes Völlegefühl einstellen will, denn die Saucen sind sorgsam entfettet, die Zwischengänge belebend, und auch der dazu gereichte Wein ist von anregender Qualität.
Für sich genommen ist das alles wunderbar, wenn ich nicht ständig all die vorangegangenen Düfte quasi parallel mitriechen würde: die Tabak-geschwängerte kubanische Vanille‚ die satten Aromen venezianischer Gewürzkontore und die von schwerer Süße getrockneter Früchte gesättigte Luft osmanischer Bazare.

Doch vielleicht ist es nur mein Unvermögen diesen Duft alleine für sich, ganz isoliert und ohne Bezug zu vorangegangenen Werken sehen zu können.
Hin und wieder aber gelingt es mir dennoch, und was ich dann zu riechen bekomme, das ist mehr als allerhand, das ist eine Wucht! Dann erinnert mich der Duft an den Geschmack einer exquisiten, mit dunkler Schokolade bestäubten Cognac-Praline, da rieche ich das feinste Leder seit ‚Tabac Blond’, da lässt es sich wunderbar schwelgen in warmen holzigen und sinnlich ambrierten Noten, da genieße ich die überquellende Üppigkeit, die nirgends erdrückt – da muss ich gestehen: ein großartiger Duft!

Vielleicht waren ja all die anderen Düfte vor ihm nur Versuchsballons für dieses eine, nunmehr durchkomponierte und vollendete Opus – wer weiß.
Ich hoffe es, denn bitte Herr Duchaufour, nicht noch einen frisch-fruchtigen, würzigen Gourmand-Orientalen!
Ein verdientes Päuschen, und anschließend überraschen sie uns alle mit etwas völlig neuem – das wär’ doch was, oder?!
10 Antworten