18.11.2022 - 15:44 Uhr
UntermWert
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UntermWert
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37
ein Pullover erzählt...
Der alte, raue Wollpullover erzählt Geschichten von den Zeiten damals im Herbstwald. Vom Blick durch die kargen Baumkronen nach oben zum wolkenverhangenen Mond. Wie wir dort am Feuer gesessen haben. Wie wir die Kastanien geröstet und den schwarzen Kaffeesud aus blechernen Tassen getrunken haben. Feuerholz in der Dämmerung gesammelt, die Hütte winterfest gemacht.
Im Außen wurde es kalt, feucht und unbehaglich, dabei gleichzeitig langsamer und ruhiger. Gewärmt von innen, umhüllt von groben, aber weichen Fasern.
_________________________________________
Sweater Stories wirkt auf mich definitiv fordernd: der Duft beginnt kurz dissonant. Mit schwarz gebrannten Kaffeekastanien, Brandglut und "Gather-Animalik" im Kontrast zu einem initial kühlen Lufthauch, feuchten Blättern und mulchiger Herbstwald-Erde deutet sich zunächst die ungemütliche Seite der anthrazit-grau-braunen Jahreszeit an. Dann, im Verlauf und durch die Haut des Trägers erwärmt, steigt der Duft dunkel-pelzig, malzig-ambriert und weicherdig aus dem Kragen empor, um zunehmend heimeliger zu werden. Nun wirkt er beschützend und ruhig.
Besonders spannend finde ich, dass die mulchig-erdige Note anscheinend ohne Patchouli auskommt. Sie ist weich und wird auf der Haut auch warm. In Ananda's Gedicht erscheinen auch diffuse Bilder aus Kindheitserinnerungen und der Charakter des Duftes findet sich in der Verschlissenheit des Pullovers wieder... irgendwo unter dem Arm ein Loch. Ein ständiger Begleiter, der sich abnutzt und dabei immer schöner wird.
Ich habe eine alte Strickjacke, die so ist. Man könnte sie als häßlich bezeichnen, aber genau wegen der Erinnerungen, der Bildfragmente, die ich mit ihr assoziiere, ist sie eines der kostbarsten Kleidungsstücke, die ich besitze. Ein wahrhaftiges Stück Lebensgeschichte, immer da, besonnen und warm, wenn es drauf ankommt. Auf Sweater Stories muss man sich einlassen - dann wird er nach einigen Malen des Tragens immer weniger schroff, sondern vertraut und auf seine ganz eigene stille Art und Weise präsent.
Ich bin hier auf Parfumo wahrlich keine Expertin für Naturdüfte - immer wieder mal komme ich in den Genuss, welche testen zu dürfen, aber kein anderes (Indie-)Label hat mich bisher so berührt wie die Kreationen von Ananda Wilson.
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The incense of October
crocheted
into my old wool sweater I refuse
to give up. It's hooded and
so warm despite the whole hole
at the armpit seam I don't
know how to mend.
It's not grey
or brown,
or black, but just the color of wet bark on a
furrowed locust.
Its hug, a lap of stories.
--
(Auszug aus: sweater stories, ananda wilson. '22)
Im Außen wurde es kalt, feucht und unbehaglich, dabei gleichzeitig langsamer und ruhiger. Gewärmt von innen, umhüllt von groben, aber weichen Fasern.
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Sweater Stories wirkt auf mich definitiv fordernd: der Duft beginnt kurz dissonant. Mit schwarz gebrannten Kaffeekastanien, Brandglut und "Gather-Animalik" im Kontrast zu einem initial kühlen Lufthauch, feuchten Blättern und mulchiger Herbstwald-Erde deutet sich zunächst die ungemütliche Seite der anthrazit-grau-braunen Jahreszeit an. Dann, im Verlauf und durch die Haut des Trägers erwärmt, steigt der Duft dunkel-pelzig, malzig-ambriert und weicherdig aus dem Kragen empor, um zunehmend heimeliger zu werden. Nun wirkt er beschützend und ruhig.
Besonders spannend finde ich, dass die mulchig-erdige Note anscheinend ohne Patchouli auskommt. Sie ist weich und wird auf der Haut auch warm. In Ananda's Gedicht erscheinen auch diffuse Bilder aus Kindheitserinnerungen und der Charakter des Duftes findet sich in der Verschlissenheit des Pullovers wieder... irgendwo unter dem Arm ein Loch. Ein ständiger Begleiter, der sich abnutzt und dabei immer schöner wird.
Ich habe eine alte Strickjacke, die so ist. Man könnte sie als häßlich bezeichnen, aber genau wegen der Erinnerungen, der Bildfragmente, die ich mit ihr assoziiere, ist sie eines der kostbarsten Kleidungsstücke, die ich besitze. Ein wahrhaftiges Stück Lebensgeschichte, immer da, besonnen und warm, wenn es drauf ankommt. Auf Sweater Stories muss man sich einlassen - dann wird er nach einigen Malen des Tragens immer weniger schroff, sondern vertraut und auf seine ganz eigene stille Art und Weise präsent.
Ich bin hier auf Parfumo wahrlich keine Expertin für Naturdüfte - immer wieder mal komme ich in den Genuss, welche testen zu dürfen, aber kein anderes (Indie-)Label hat mich bisher so berührt wie die Kreationen von Ananda Wilson.
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The incense of October
crocheted
into my old wool sweater I refuse
to give up. It's hooded and
so warm despite the whole hole
at the armpit seam I don't
know how to mend.
It's not grey
or brown,
or black, but just the color of wet bark on a
furrowed locust.
Its hug, a lap of stories.
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(Auszug aus: sweater stories, ananda wilson. '22)
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