Botrytis 2008

Antoine
20.12.2010 - 17:35 Uhr
5
Haltbarkeit
7
Duft

Traubenmost mit Pilzaroma

Ich habe mal in einer Stadt gewohnt, die mitten in einem Weinbaugebiet liegt. Jeden Herbst wurden im Innenhof der dortigen Residenz lastwagenweise frisch gelesene Trauben abgeladen und gleich gekeltert. Durch den Innenhof (der auch als Zugang zu Hörsälen der Uni diente) waberte dann wochenlang ein süß-herber Duft, gehaltvoll und facettenreich: fruchtig, süß und aromatisch von den Trauben her, aber zugleich durchsetzt mit den pilzigen, manchmal durchaus schimmlig anmutenden Aromen der Hefepilze, die zur Weinherstellung zugegeben wurden. Federweißer (Bremser, Sauser, Neuer Süßer - das Zeug heißt ja in jeder Region anders) riecht auch so ähnlich, ist aber eine Art Light-Version dieses Traubenkelter-Geruchs.

Dabei ist Botrytis aber keine Eins-zu-Eins-Nachbildung (à la Demeter Library of Fragrance "Federweißer"), sondern eine eigenständige Interpretation auf Parfüm-Ebene.

Botrytis eröffnet fruchtig, die Quitte ist gut wahrnehmbar, eingebunden in feine Fruchtaromen. Ich bin kein Fan fruchtiger Düfte, weil die meisten übel und künstlich riechen, aber das hier gefällt mir gut. Danach kommt diese mostig-süße Anmutung mit einer Spur Hefepilz heraus, allerdings ist es ein sehr süßer Traubenmost oder Federweißer, der hier Pate stand. Oder einer, bei dem kräftig mit Honig nachgesüßt wurde.

Eine erkennbare Basis habe ich nicht gefunden, die fruchtig-angenehme Süße verschwand einfach nach und nach ...

Wäre Botrytis weniger süß, könnte ich mich dafür begeistern. So gefällt er mir zwar (die Süße ist immerhin kein bisschen stechend und nicht aufdringlich). Aber öfters tragen würde ich ihn nicht wollen.

Haltbarkeit und Sillage kamen mir eher mäßig vor, nach wenigen Stunden war der Mostzauber vorbei. Und für Männer eignet sich Botrytis - obwohl nicht betont feminin - nur, wenn eine ausgeprägte Vorliebe für süße Düfte besteht.
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