Armani Privé - Nacre 2012

Alan
16.05.2015 - 12:16 Uhr
15
Top Rezension
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft

Staub und Regen

Nischenmarken schlagen bei der Beschreibung ihrer Düfte oft etwas über die Stränge. Die absonderlichsten Duftnoten sollen da manchmal enthalten sein, von Schießpulver bis zu Tennisbällen, und doch riechen diese Düfte oft überraschend - nun, normal. Nicht unbedingt schlecht, nein, doch in nichts von dem Douglassortiment abweichend, von dem sie sich abheben wollen. Und dann findet man manchmal ein Parfum, das verspricht einem eine edle, regelrecht klassische Komposition, und hält nichts davon, um einen stattdessen auf unbekannte Pfade zu führen. "Nacre" ist ein solches Parfum.

Ich hatte Iris erwartet, entweder cremig oder aber pudrig, mit einem Hauch von Süße. Stattdessen fand ich Staub und trockenes, vergrautes Holz, wie die Balken eines alten Dachbodens, und den Geruch alter Bücher, vergilbtes Papier und zerfallende Stoffeinbände. Kein Moder, kein Schimmel hat sich hier eingenistet, es ist trocken, und die dünne Staubschicht und der Geruch von Ungenutztheit sind die einzigen Anzeichen dafür, dass dieser Dachboden sich selbst überlassen wurde.

Und doch riecht "Nacre" feucht, als hätte jemand das Fenster aufgestoßen und den Geruch von Regen auf noch sonnenwarmen, verstaubten Strassen hereingelassen, der Geruch einer Stadt unter einem Schauer, der Abkühlung nach einem heißen Sommertag bringt. Nicht nasse Erde, nicht feuchtes Grün, sondern staubiger Asphalt, auf den die Regentropfen die ersten dunklen Flecken malen. Das ist "Nacre", Regen auf staubigen Straßen, der erste kühle Windhauch in warmer Luft.

Es ist eigentlich kein schöner Duft, um ehrlich zu sein. Da ist keine Süße, keine Cremigkeit, und die versprochenen Blumen entpuppen sich als Staub. Aber das spielt keine Rolle, denn ist der Duft einer Erinnerung; an späte Sommernachmittage, im offenen Fenster sitzend, ein Bein baumeln lassend und dabei ein Buch im Schoß, während die ersten Regentropfen auf das alte Schieferdach trommeln, ein trockener Unterschlupf, aus dem ich den niedergehenden Regen beobachte. Es ist ein grauer Duft, "austere" würde ich ihn nennen, wenn ich ihn mit einem einzigen Wort beschreiben sollte, aber ich verbinde damit auch ein Gefühl von Behaglichkeit. Sicherlich ist es ein eigenartiger Duft, eine Kreation, die ich eher Comme des Garçons zugetraut hätte, als sie in die Reihe von Armani Privé zu stellen. Da ist keine Opulenz, kein komplexer Aufbau, kein facettenreicher Verlauf. Nur ein eingefangener Moment, beginnender Regen.
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