Made to Measure 2013 Eau de Toilette

Chnokfir
04.09.2013 - 09:29 Uhr
11
Hilfreiche Rezension
7.5
Flakon
2.5
Sillage
2.5
Haltbarkeit
2
Duft

Falsche Konfektionsgrösse

Soll ich von der guten alten Zeit anfangen, als ich olfaktorisch geprägt wurde und noch blind zu einem beliebigen neuen Gucci-Duft greifen konnte und mir sicher sein konnte, dass mir dieser Duft gefallen wird, mir dieser Duft stehen wird und dieser Duft auch zu einem gewissen Mass einen Trend setzen und wiedererkennbar sein wird? Nein, besser nicht ...

Dann erzähle ich lieber von meinen beiden Paar Schuhen, die ich mir vor knapp zehn Jahren von einem alten Schumacher habe anfertigen lassen, kurz bevor er leider verstarb und seine Laden samt Werkstatt verkauft wurde. Es war allein schon ein Erlebnis sich die Füsse vermessen zu lassen. Nicht so standardisiert wie bei der Einkleidung bei der Bundeswehr, sondern sehr individuell mit Erklärungen, wie sich meine Füsse in gewissen Massen unterscheiden. Dann die Wahl der Sohle, des Leders, der Farbe, der Schnürsenkel, der Nähte, der Budapester Lochung. Und dann waren die Schuhe nur unwesentlich teurer als sehr gute Standard-Schuhe aus dem Geschäft. Als ich dann nach wochenlangem Warten endlich meine Schuhe abholen konnte, war es einfach nur schön. Sie waren nicht nur ganz genau so wie ich sie mir vorgestellt und er es mir beschrieben hatte, sie passten auch wirklich wie angegossen. Es gab kein Drücken oder Scheuern, keine Blasen beim Einlaufen und das Leder gab seit damals kein bisserl nach. Mir wurde gezeigt, wie und womit ich die Schuhe am besten pflege und sie sehen bis auf minimale Gebrauchsspuren tatsächlich noch aus wie am ersten Tag. Auch laufen sich die Ledersohlen und die Absätze nur minimal ab – kein Vergleich zur billigen Massenware. Ich bin seit 10 Jahren sehr glücklich und zufrieden.

Und einen solchen „Duft nach Mass“ bietet nun Gucci für den Herren an. Wow, das ist doch mal eine Ansage! Wollen wir doch mal sehen, wie und ob sich dieses Nobel-Label an dieser Aussage messen lassen kann.

Die erste äussere Erscheinung ist schon einmal edel. Ein schöner Karton in Graubraun und Gold mit einem zurückhaltenden Muster, welches mich an das Innenfutter einer Gucci-Handtasche erinnert. Dazu der bekannte und dezente Firmenname mit sehr zurückgenommenem Duft-Namen. Erkenne ich da etwa ein erstes Understatement? Den Flakon erkenne ich wieder von „Gucci by Gucci Sport pour Homme“, allerdings diesmal mit silbergrauer Flüssigkeit und goldenem Stopsel, bzw. Piercing-Ring, der leider nur sehr hakelig auf den Flakon passt. Wirkt optisch sehr edel, ist schön schwer mit seinem soliden Glasfuss, nur der klappernde Stöpsel aus dünnem Blech passt für mir kaum ins Gesamtbild. Insgesamt OK, doch hat dieses Design-Recycling für mich bedauerlicherweise nur wenig mit Massanfertigung eines Nobel-Hauses zu tun.

Der Duft eröffnet leider so, wie ich es erwartet hatte und wie ich es eigentlich nicht riechen wollte: Süss und synthetisch. Es fällt mir sehr schwer über einzelne Noten zu sprechen, weil ich leider kaum welche erkennen kann. Süsse Noten wehen einem in die Nase, eine wenig frische Bergamotte und eine süsse, künstliche Frucht, sicher Pflaume, vielleicht Wacholder. Dazu blumige Akzente, die ich leider nicht benennen kann. Wasserlilie? Orangenblume? Keine Ahnung! Ich erkenne noch nicht mal mein heissgeliebtes Lavendel! Stattdessen kitzelt etwas Würziges meine Nase. Ich hätte auf Pfeffer getippt. Auf Zimt und Muskat wäre ich nicht gekommen. Anis mag ich nicht immer, aber ich finde ihn hier auch nicht wieder. In der Basis schnuppere ich viele samtig-weiche und süssliche Noten und obwohl ich auf Leder gefixt bin, ich rieche es leider ebenso wenig heraus wie Patchouli.

Insgesamt stecken alle Komponenten in einem süssen, für mich synthetischen riechenden Nebel. Will man sich ihnen nähern und nehme ich einen sehr tiefen Zug ganz dicht von der Haut, dann hatte ich manchmal eine Chance, neben der Süsse noch ein paar andere Moleküle zu erheischen und benennen zu können. Eigentlich war es mehr ein erahnen, welches sich beim Nachlesen allerdings nicht oft bewahrheitete.

„Made to Measure“ ist zwar ein süsser, aber dennoch ein ruhiger Duft. Die Projektion ist nicht sonderlich ausgeprägt, eher körperumspielend als raumgreifend. Das ist an sich OK, doch leider zieht sich der Duft bei mir schnell wieder zurück. Die Haltbarkeit an mir war mit knappen sechs Stunden nicht bürotauglich. Eher ein Duft für einen gepflegten Abend im Theater oder unter Freunden. Da möchte man mit seinem Duft auch nicht unbedingt starke Signale ausstrahlen. Ich würde den Duft als gepflegt männlich bezeichnen, ruhig, gesetzt, wohldosiert. Da ist nichts Wildes, da sind kein Hormone, aber eben auch keine Aussage, kein Statement. Somit eher ein Duft für den gereiften Herren, der nicht weiter auffallen möchte. Für einen Herren, der seine Persönlichkeit mit seiner Uhr, mit seinem Anzug, seinen Manschettenknöpfen, seinem massgeschneiderten Hemd und seinen handgemachten Schuhen zeigen möchte. Muss man dafür zu „Made to Measure“ greifen? Nicht wirklich, gibt es aktuell doch mehr als genügend Düfte die dem hier fast zum Verwechseln ähnlich riechen.

Mir passt „Made to Measure“ nicht, wurde er mir auch nicht auf den Leib geschneidert. Vielleicht steht er ja jemand anderem. So wie den meisten Leuten Konfektion ja auch hervorragend passt. Statt dessen bin ich, dass ich noch ein paar alte Gucci-Düfte besitze, die mir wie handgefertigt passen ...
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