Chamade 1969 Eau de Parfum

Titania
24.12.2014 - 03:58 Uhr

To know that all I need is everything

Diese Frau ist kein Mädchen mehr. Und dieser Frühling ist ein Sommer, der den kommenden Herbst schon ahnt, obgleich der letzte Winter ihm noch in den Knochen steckt. In diesem Wirbel wird spürbar, dass das Leben nicht nur eine Richtung kennt und wir - während das Rad sich dreht und dreht - gut daran tun, in einer Mitte so etwas wie Ruhe und Ordnung zu finden. Ein Herz, das schlägt. Struktur und Rhythmus. Die Entschiedenheit, etwas zu tun oder zu lassen - auch: hindurch zu lassen. Zu geben, zu nehmen, zu strömen, zu dämmen.

Chamade ist langsam. Bereits das Glas Champagner, das man uns zum Auftakt reicht, hat nichts vom Bersten der Knospen, vom Grellen des ersten Grüns, von einem ausgelassenen Fest. Der erste Schluck perlt fein, doch so dicht, dass ein weiterer Schluck durchaus drin zu sein scheint und der nächste Atemzug erst einmal warten muss. Den Atem anhalten - nicht weil er stockte oder das Herz vor lauter Frühling beschlossen hätte, dass es keine Luft mehr bräuchte, nur noch Liebe. Es ist im Gegenteil eine Art Akt der Vernunft, ein Abwarten, Abwägen, Prüfen, Lauschen, auf etwas Nahes, aber Fremdes: Wer bist du? Was wird aus dir werden? Und: Warum bist du hier?

Eine Aufforderung zum Tanz. Bevor die Musik einsetzt. Eine Musik, die man noch nie zuvor gehört hat und zu der man erst lernen wird, sich zu bewegen.

Diese Musik wird zum Immergrün, erkennbar geheimnisvoll, ein Gefühlsdickicht und zugleich ein Weg hindurch. Der Duft führt taktvoll, gibt sich ernsthaft, zeigt sich bergend. Nur langsam, nach und nach entspannt sich sein fragender erster Blick in ein Lächeln, wird weicher, weiter, seiner selbst sicherer, wissend, dass das Leben ist, wie es ist und man jeden Tanz lernen kann, wenn man es muss. Vertrauen und Vertrautheit wachsen und vertiefen sich, das Lächeln liegt noch am nächsten Morgen da wie auf dem Gesicht einer schlafenden Schönheit, die aus einem Traum ins wahre Leben erwacht, immer wieder, weil sie es möchte.

Chamade lässt uns die Wahl zu träumen oder zu erwachen, verlangt jedoch, dass wir uns bekennen - zu ihm. Und ist dabei auf verblüffend nachsichtige Weise absolut. Der Duft ist nicht laut, aber stark; er widersetzt sich einer sachlichen Analyse ebenso wie einer Übersetzung seiner Poesie in flankierende Formen mit Midnight oder Miss davor. Vieles davon, von all dem, was Chamade auszulösen und nicht aufzulösen vermag, finde ich auch in einem der verwirrend schönen Gedichte E. E. Cummings' wieder:

somewhere i have never travelled,gladly beyond
any experience,your eyes have their silence:
in your most frail gesture are things which enclose me,
or which i cannot touch because they are too near

your slightest look easily will unclose me
though i have closed myself as fingers,
you open always petal by petal myself as Spring opens
(touching skilfully,mysteriously)her first rose

or if your wish be to close me,i and
my life will shut very beautifully,suddenly,
as when the heart of this flower imagines
the snow carefully everywhere descending;

nothing which we are to perceive in this world equals
the power of your intense fragility:whose texture
compels me with the colour of its countries,
rendering death and forever with each breathing

(i do not know what it is about you that closes
and opens;only something in me understands
the voice of your eyes is deeper than all roses)
nobody,not even the rain,has such small hands
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