20.04.2021 - 07:00 Uhr
FvSpee
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FvSpee
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Neukölln 29 - Guerlain Goes Le Labo
Für dieses "Kölnischwasser der 68" war das Namensvorbild nicht die 68-er Generation, aber um Programmmusik im doppelten Sinne handelt es sich doch: Zum einen soll der Name an die Guerlain-Boutique mit der Adresse "68, Avenue des Champs-Elysées" erinnern, zum anderen sind in diesem Cologne rekordverdächtige 68 Zutaten verbraut.
Nichts Neues unter der Sonne: Die Idee, Parfumnamen nach Hausnummern von Geschäften zu benennen, darf schon als ausgelutscht bezeichnet werden (ich nenne mal keine Beispiele aus der Haute Parfumerie, sondern bloß 4711, eine Kölner Hausnummer, und 378, eine Hausnummer in Groß-Meseritsch in Böhmen, siehe das gleichnamige Rasierwasser). Und die Marotte, die Anzahl der Duftnoten zum Namensbestandteil zu machen, ist eigentlich die Spezialität von Le Labo.
Der Duft ist nicht zu verwechseln mit 'Le Parfum du 68', ebenfalls von Guerlain, aber fast 10 Jahre später erschienen und nicht von Sophie Labbé kreiert, sondern von Thierry Wasser. Es handelt sich auch nicht um zwei Konzentrationen desselben Duftes. Zum 'Parfum du 68' werden nur wenige Duftnoten angegeben, und auf der deutschen Guerlain-Interentseite findet sich zu einer etwaigen Duftverwandtschaft der maximal präzise Satz "In diesem Eau de Parfum ist eine gewisse Harmonik des Cologne du 68, das der legendären Adresse bereits Tribut gezollt hat, wiederzufinden". Soso, "eine gewisse Harmonik wiederzufinden". Alles klar.
Das Cologne wird bei Parfumo unter "wird noch produziert" geführt, daran hege ich allerdings gewisse Zweifel, da ich das Cologne im Internet nur noch auf dem Sekundärmarkt finde, ich hab allerdings auch nicht stundenlang gesucht.
Trauer würde ich angesichts des Untergangs dieses Duftes nicht unbedingt tragen.
Beim Testen war mein erstes Stichwort: "Prickelnde Holzwürzigkeit". Das Cologne ist durchweg, in allen Duftphasen, als solches zu erkennen. Die zitrische Spur ist so dick gezeichnet, dass man kein Pfandfinder sein muss, um sie bis zum Ende nicht zu verlieren. Das ist auch kein Wunder, weil 12 der 68 Duftnoten zitrische sind. Für das von mir wahrgenommene Prickeln fällt der Verdacht auf Freesie, Ambrette und zweierlei Pfeffer, und mindestens drei Sorten Holz sind auch dabei.
Im weiteren Verlauf mache ich, in dieser Reihenfolge (nicht chronologisch, sondern in abnehmender Reihenfolge nach Stärke sortiert) fruchtige, blumige, grüne und süß-gourmandige Aromenteppiche aus, würde mich aber - schon wegen des Pizza-mit-alles-Konzepts des Duftes - nie mit denjenigen streiten wollen, deren Wahrnehmung anders priorisiert.
Insgesamt für mich ein zwar markant zitrisch-frischer, aber durch ein breites Aromenspektrum eingebundener, mit der Zeit zunehmend cremig-weich und dicht gewebt anmutender Duft; durchaus harmonisch, trotz der zahllosen und disparaten Duftnoten nicht dissonant, ruhelos und nervös, durchaus ein Ganzes bildend, aber mir gleichwohl zu richtungslos. Damit wie der gestern rezensierte 4711-er, der nicht bei der Anzahl, sondern bei der Art der Inhaltsstoffe an die Grenzen des Cologne-Genres ging, ein nettes und keineswegs insgesamt misslungenes Experiment, aber eben eher ein Experiment als ein Duft zum Lieben und Tragen.
Zu Ergänzen:
Bei einer eher generösen Preisgestaltung (auf 100 ml: über 2 Euro pro Zutat) wird bei der Performanz eine vornehme Zurückhaltung geübt, die einem türkischen Supermarkt-Kolonya alle Ehre macht.
Auch hier eine relativ große Übereinstimmung bei den allesamt lesenswerten Vor-Rezensionen, vielleicht lohnt sich hier auch mal das Zurückscrollen in die Anfangszeit von Parfumo (Kommentare von Apicius und Ergoproxy).
Die Parfumeurin Sophie Labbé ist (olfaktorisch gesehen) äußerst fruchtbar, sie zeichnet hier für 253 Düfte der verschiedensten Marken verantwortlich, ich kenne allerdings keinen einzigen eigennäsig, und höchstens ein halbes Dutzend dem Namen nach. 2017 schuf sie den mininalistischen Duft "The Moon and I" von Floraiku mit den drei Duftnoten Mate, Matcha-Tee und Zeder und zeigte damit, dass sie außer 'viel' auch 'wenig' können möchte.
Nichts Neues unter der Sonne: Die Idee, Parfumnamen nach Hausnummern von Geschäften zu benennen, darf schon als ausgelutscht bezeichnet werden (ich nenne mal keine Beispiele aus der Haute Parfumerie, sondern bloß 4711, eine Kölner Hausnummer, und 378, eine Hausnummer in Groß-Meseritsch in Böhmen, siehe das gleichnamige Rasierwasser). Und die Marotte, die Anzahl der Duftnoten zum Namensbestandteil zu machen, ist eigentlich die Spezialität von Le Labo.
Der Duft ist nicht zu verwechseln mit 'Le Parfum du 68', ebenfalls von Guerlain, aber fast 10 Jahre später erschienen und nicht von Sophie Labbé kreiert, sondern von Thierry Wasser. Es handelt sich auch nicht um zwei Konzentrationen desselben Duftes. Zum 'Parfum du 68' werden nur wenige Duftnoten angegeben, und auf der deutschen Guerlain-Interentseite findet sich zu einer etwaigen Duftverwandtschaft der maximal präzise Satz "In diesem Eau de Parfum ist eine gewisse Harmonik des Cologne du 68, das der legendären Adresse bereits Tribut gezollt hat, wiederzufinden". Soso, "eine gewisse Harmonik wiederzufinden". Alles klar.
Das Cologne wird bei Parfumo unter "wird noch produziert" geführt, daran hege ich allerdings gewisse Zweifel, da ich das Cologne im Internet nur noch auf dem Sekundärmarkt finde, ich hab allerdings auch nicht stundenlang gesucht.
Trauer würde ich angesichts des Untergangs dieses Duftes nicht unbedingt tragen.
Beim Testen war mein erstes Stichwort: "Prickelnde Holzwürzigkeit". Das Cologne ist durchweg, in allen Duftphasen, als solches zu erkennen. Die zitrische Spur ist so dick gezeichnet, dass man kein Pfandfinder sein muss, um sie bis zum Ende nicht zu verlieren. Das ist auch kein Wunder, weil 12 der 68 Duftnoten zitrische sind. Für das von mir wahrgenommene Prickeln fällt der Verdacht auf Freesie, Ambrette und zweierlei Pfeffer, und mindestens drei Sorten Holz sind auch dabei.
Im weiteren Verlauf mache ich, in dieser Reihenfolge (nicht chronologisch, sondern in abnehmender Reihenfolge nach Stärke sortiert) fruchtige, blumige, grüne und süß-gourmandige Aromenteppiche aus, würde mich aber - schon wegen des Pizza-mit-alles-Konzepts des Duftes - nie mit denjenigen streiten wollen, deren Wahrnehmung anders priorisiert.
Insgesamt für mich ein zwar markant zitrisch-frischer, aber durch ein breites Aromenspektrum eingebundener, mit der Zeit zunehmend cremig-weich und dicht gewebt anmutender Duft; durchaus harmonisch, trotz der zahllosen und disparaten Duftnoten nicht dissonant, ruhelos und nervös, durchaus ein Ganzes bildend, aber mir gleichwohl zu richtungslos. Damit wie der gestern rezensierte 4711-er, der nicht bei der Anzahl, sondern bei der Art der Inhaltsstoffe an die Grenzen des Cologne-Genres ging, ein nettes und keineswegs insgesamt misslungenes Experiment, aber eben eher ein Experiment als ein Duft zum Lieben und Tragen.
Zu Ergänzen:
Bei einer eher generösen Preisgestaltung (auf 100 ml: über 2 Euro pro Zutat) wird bei der Performanz eine vornehme Zurückhaltung geübt, die einem türkischen Supermarkt-Kolonya alle Ehre macht.
Auch hier eine relativ große Übereinstimmung bei den allesamt lesenswerten Vor-Rezensionen, vielleicht lohnt sich hier auch mal das Zurückscrollen in die Anfangszeit von Parfumo (Kommentare von Apicius und Ergoproxy).
Die Parfumeurin Sophie Labbé ist (olfaktorisch gesehen) äußerst fruchtbar, sie zeichnet hier für 253 Düfte der verschiedensten Marken verantwortlich, ich kenne allerdings keinen einzigen eigennäsig, und höchstens ein halbes Dutzend dem Namen nach. 2017 schuf sie den mininalistischen Duft "The Moon and I" von Floraiku mit den drei Duftnoten Mate, Matcha-Tee und Zeder und zeigte damit, dass sie außer 'viel' auch 'wenig' können möchte.
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