02.07.2013 - 05:29 Uhr
Yatagan
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Yatagan
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28
Im Schatten
Im wörtlichen und im übertragenen Sinne trifft diese Überschrift auf Coriolan zu. Vor wenigen Tagen fand ich eine gut erhaltene Flasche dieses Duftes im Schrank meines jüngeren Sohnes, dem ich sie vor einigen Jahren geschenkt und anschließend vergessen hatte. Neulich aber erbaten sich meine Söhne zwei Herrendüfte von mir, die ich ihnen schließlich - glücklich über diesen Erziehungserfolg - überließ. Im Gegenzug händigte mir mein Jüngerer die alte Flasche Coriolan aus, da er den Duft nie verwendet hatte. Welchen Guerlain-Freund würde das wohl wundern?
Und dennoch war ich überglücklich über dieses unverhoffte Wiedersehen, über diesen für alle Beteiligten zufrieden stellenden Tausch. Jahrelang hatte die kleine, außerordentlich originell geformte Flasche im Schatten eines Schrankes im Zimmer meines Sohnes gewartet, bis sie wieder ans Licht befördert werden sollte. Da sie stets in der hintersten Ecke im Dunkeln aufbewahrt worden war, hat sich der Duft m.E. gut gehalten. Ein Vergleich war nicht nur aus der Erinnerung möglich, sondern auch wegen einer ebenso gut erhaltenen Miniatur, die sich außerdem noch in meinem Besitzt befindet und als Referenz diente. In einigen Tagen werde ich darüber hinaus voraussichtlich eine Abfüllung der kaum reformulierten Neuausgabe L’Ame d’un Héros erhalten, so dass ein abschließender Vergleich möglich sein dürfte.
Auch im übertragenen Sinne trifft das Bild aus der Überschrift zu: Coriolan stand immer im Schatten seiner deutlich erfolgreicheren Geschwisterdüfte Habit Rouge, Vetiver, Héritage, neuerdings L’Instant de Guerlain und Homme. Die Geschichte dieser Düfte wurde von meinen Vorrednern wunderbar beschrieben, so dass keine weiteren Erläuterungen nötig sind.
Sich dem Duft, dem Geruch selbst erneut zu nähern, Coriolan zu beschreiben, hat mich aber durchaus noch einmal gereizt, weil der Duft zu den kompliziertesten Vertretern auf dem Markt gehört, sich kaum oder erst sehr spät erschließt und den Träger deshalb herausfordert, es immer wieder neu mit ihm zu versuchen. Das mag man als Kompliment verstehen, muss es aber nicht, denn für mich gehört zu einem guten Duft auch die Liebe auf den ersten, wenigstens auf den zweiten Blick, so etwas wie eine Anfangsfaszination. Dennoch kann es wohl auch spannend sein, einen Duft dem Schatten zu entreißen, ihn sich individuell immer wieder neu zu erschließen, mit dem Duft also nicht an ein Ende zu kommen. Das mag zwar letztlich für viele Düfte gelten, aber nur für wenige in so hohem Maße wie für Coriolan.
Wie bereits von anderen Kommentatoren beschrieben, ist schon die Kopfnote bei Coriolan entschieden gewöhnungsbedürftig, eigentlich zunächst sogar eine Enttäuschung. Als ich den Duft vor vielen Jahren geschenkt bekam, konnte ich anfangs gerade wegen dieser Kopfnote wenig mit ihm anfangen. Als Freund hesperidischer Düfte bzw. Kopfnoten bin ich auch heute noch unzufrieden mit der Eröffnung, in der so wenig von den vielen zitrischen Komponenten wahrzunehmen ist, die in der Duftpyramide genannt werden: Wo ist die Zitrone, das Neroli, Petigrain, Bergamotte? Wahrnehmbar sind sie wohl, aber so dezent dosiert wie in keinem anderen Duft mit diesen Bestandteilen. Stattdessen treten sofort die krautigen Komponenten in den Vordergrund, vermutlich vor allem der Salbei, der mir bei diesem Duft zusammen mit der Wacholderbeere so etwas wie das Generalthema zu sein scheint, vielleicht spielt auch der Ingwer eine wichtige Rolle, der sich aber gegen die krautigen Akzente nicht so recht durchsetzen kann.
Ein wenig erinnert mich Coriolan zu diesem Zeitpunkt an Lem von Galimard, sicherlich kein guter Vergleich, weil dieser Duft wenig bekannt sein dürfte und die klare Zitronatkopfnote bei Lem überdies für einen deutlich harmonischeren Auftakt sorgt. Eigentlich sollte dieses Resümee für Coriolan sprechen: ein origineller, einzigartiger Duft? Einerseits ja: Coriolan hatte keine Vorgänger und kaum Nachfolger. Andererseits spricht diese Erkenntnis natürlich gegen den Duft, denn Coriolan bleibt ängstlich, scheu und blass, das hat fast etwas Rührendes, ihm fehlt der selbstbewusste Auftritt der anderen o.g. Guerlain-Düfte, etwas das hängen bleibt und sich im Geruchsgedächtnis festsetzt.
Bereits mehrfach angesprochen wurde die säuerlich-bittere Tönung des Duftes, die sich von der Kopfnote über die Herznote, eigentlich sogar bis in die Basisnote bemerkbar macht. Auch dafür scheint mir die eigenwillige Kombination aus Salbei und Wacholder einerseits und den dezent zitrischen Tönen andererseits verantwortlich zu sein.
In der Basis kommt dann noch einmal eine Verwandtschaft zu o.g. Lem zum Vorschein, da aus meiner Sicht vor allem das Moos wahrnehmbar ist, sicherlich auch Vetiver (dies aber nicht erst in der Basisnote, sondern schon viel früher: auch ein Verursacher bitterer und saurer Töne zugleich), weniger das Leder, so scheint mir. Das mag aber damit zu tun haben, dass ich bei einer Lederbasisnote schnell an wuchtige Düfte aus den 80ern oder auch an den Uraltklassiker Knize Ten denke und mich verwundert frage, wo die Ledernote in Coriolan wohl bleiben mag. Vorhanden ist sie aber sicherlich, wenn auch nur dezent.
Dezent: Das ist vermutlich die kürzeste Formel zur Beschreibung von Coriolan, das Bild vom Schatten eine andere. Der Duft ist flüchtig, hat kein markantes Auftreten, ist nur das Schattenbild an der Wand, so wie in Platons Höhlengleichnis der Schein der wahren Welt. Dass aber auch der Schatten seinen Reiz hat, weil man ihn nicht fassen kann, er sich immer wieder entzieht und manchmal interessanter ist als all die Dinge, die selbstbewusst im Licht stehen, steht auf einem ganz anderen Blatt, kann aber als Erklärung dafür dienen, warum mich dieser Duft nach so vielen Jahren immer noch fasziniert.
Nachtrag: Die Abfüllung von L'Ame d'un Héros ist eingetroffen. Herzlichen Dank an Nérée! Ich kann mich nur dem Urteil anderer, kundiger Kommentatoren anschließen. Der Unterschied zwischen den Düften ist allenfalls marginal - und beide sind schön.
Und dennoch war ich überglücklich über dieses unverhoffte Wiedersehen, über diesen für alle Beteiligten zufrieden stellenden Tausch. Jahrelang hatte die kleine, außerordentlich originell geformte Flasche im Schatten eines Schrankes im Zimmer meines Sohnes gewartet, bis sie wieder ans Licht befördert werden sollte. Da sie stets in der hintersten Ecke im Dunkeln aufbewahrt worden war, hat sich der Duft m.E. gut gehalten. Ein Vergleich war nicht nur aus der Erinnerung möglich, sondern auch wegen einer ebenso gut erhaltenen Miniatur, die sich außerdem noch in meinem Besitzt befindet und als Referenz diente. In einigen Tagen werde ich darüber hinaus voraussichtlich eine Abfüllung der kaum reformulierten Neuausgabe L’Ame d’un Héros erhalten, so dass ein abschließender Vergleich möglich sein dürfte.
Auch im übertragenen Sinne trifft das Bild aus der Überschrift zu: Coriolan stand immer im Schatten seiner deutlich erfolgreicheren Geschwisterdüfte Habit Rouge, Vetiver, Héritage, neuerdings L’Instant de Guerlain und Homme. Die Geschichte dieser Düfte wurde von meinen Vorrednern wunderbar beschrieben, so dass keine weiteren Erläuterungen nötig sind.
Sich dem Duft, dem Geruch selbst erneut zu nähern, Coriolan zu beschreiben, hat mich aber durchaus noch einmal gereizt, weil der Duft zu den kompliziertesten Vertretern auf dem Markt gehört, sich kaum oder erst sehr spät erschließt und den Träger deshalb herausfordert, es immer wieder neu mit ihm zu versuchen. Das mag man als Kompliment verstehen, muss es aber nicht, denn für mich gehört zu einem guten Duft auch die Liebe auf den ersten, wenigstens auf den zweiten Blick, so etwas wie eine Anfangsfaszination. Dennoch kann es wohl auch spannend sein, einen Duft dem Schatten zu entreißen, ihn sich individuell immer wieder neu zu erschließen, mit dem Duft also nicht an ein Ende zu kommen. Das mag zwar letztlich für viele Düfte gelten, aber nur für wenige in so hohem Maße wie für Coriolan.
Wie bereits von anderen Kommentatoren beschrieben, ist schon die Kopfnote bei Coriolan entschieden gewöhnungsbedürftig, eigentlich zunächst sogar eine Enttäuschung. Als ich den Duft vor vielen Jahren geschenkt bekam, konnte ich anfangs gerade wegen dieser Kopfnote wenig mit ihm anfangen. Als Freund hesperidischer Düfte bzw. Kopfnoten bin ich auch heute noch unzufrieden mit der Eröffnung, in der so wenig von den vielen zitrischen Komponenten wahrzunehmen ist, die in der Duftpyramide genannt werden: Wo ist die Zitrone, das Neroli, Petigrain, Bergamotte? Wahrnehmbar sind sie wohl, aber so dezent dosiert wie in keinem anderen Duft mit diesen Bestandteilen. Stattdessen treten sofort die krautigen Komponenten in den Vordergrund, vermutlich vor allem der Salbei, der mir bei diesem Duft zusammen mit der Wacholderbeere so etwas wie das Generalthema zu sein scheint, vielleicht spielt auch der Ingwer eine wichtige Rolle, der sich aber gegen die krautigen Akzente nicht so recht durchsetzen kann.
Ein wenig erinnert mich Coriolan zu diesem Zeitpunkt an Lem von Galimard, sicherlich kein guter Vergleich, weil dieser Duft wenig bekannt sein dürfte und die klare Zitronatkopfnote bei Lem überdies für einen deutlich harmonischeren Auftakt sorgt. Eigentlich sollte dieses Resümee für Coriolan sprechen: ein origineller, einzigartiger Duft? Einerseits ja: Coriolan hatte keine Vorgänger und kaum Nachfolger. Andererseits spricht diese Erkenntnis natürlich gegen den Duft, denn Coriolan bleibt ängstlich, scheu und blass, das hat fast etwas Rührendes, ihm fehlt der selbstbewusste Auftritt der anderen o.g. Guerlain-Düfte, etwas das hängen bleibt und sich im Geruchsgedächtnis festsetzt.
Bereits mehrfach angesprochen wurde die säuerlich-bittere Tönung des Duftes, die sich von der Kopfnote über die Herznote, eigentlich sogar bis in die Basisnote bemerkbar macht. Auch dafür scheint mir die eigenwillige Kombination aus Salbei und Wacholder einerseits und den dezent zitrischen Tönen andererseits verantwortlich zu sein.
In der Basis kommt dann noch einmal eine Verwandtschaft zu o.g. Lem zum Vorschein, da aus meiner Sicht vor allem das Moos wahrnehmbar ist, sicherlich auch Vetiver (dies aber nicht erst in der Basisnote, sondern schon viel früher: auch ein Verursacher bitterer und saurer Töne zugleich), weniger das Leder, so scheint mir. Das mag aber damit zu tun haben, dass ich bei einer Lederbasisnote schnell an wuchtige Düfte aus den 80ern oder auch an den Uraltklassiker Knize Ten denke und mich verwundert frage, wo die Ledernote in Coriolan wohl bleiben mag. Vorhanden ist sie aber sicherlich, wenn auch nur dezent.
Dezent: Das ist vermutlich die kürzeste Formel zur Beschreibung von Coriolan, das Bild vom Schatten eine andere. Der Duft ist flüchtig, hat kein markantes Auftreten, ist nur das Schattenbild an der Wand, so wie in Platons Höhlengleichnis der Schein der wahren Welt. Dass aber auch der Schatten seinen Reiz hat, weil man ihn nicht fassen kann, er sich immer wieder entzieht und manchmal interessanter ist als all die Dinge, die selbstbewusst im Licht stehen, steht auf einem ganz anderen Blatt, kann aber als Erklärung dafür dienen, warum mich dieser Duft nach so vielen Jahren immer noch fasziniert.
Nachtrag: Die Abfüllung von L'Ame d'un Héros ist eingetroffen. Herzlichen Dank an Nérée! Ich kann mich nur dem Urteil anderer, kundiger Kommentatoren anschließen. Der Unterschied zwischen den Düften ist allenfalls marginal - und beide sind schön.
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