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Von Generation zu Generation
Von Generation zu Generation
Der Hersteller einer Schweizer Nobel-Uhrenmarke wirbt mit folgendem Slogan für seine Produkte: "Eine Patek Philippe gehört einem nie ganz alleine. Man erfreut sich ein Leben lang an ihr, aber eigentlich bewahrt man sie schon für die nächste Generation."
Dieser Gedanke scheint wohl auch Jean-Paul Guerlain durch den Kopf gegangen zu sein, als er 1992 die Düfte Héritage EdT und Héritage EdP kreierte. Hier geht es also um eine olfaktorische Erbschaft oder -nach den eigenen Angaben von Guerlain auf der Internet-Seite- um die Weitergabe von Werten von einer Generation zur anderen.
Aufsehenerregend ist bei oberflächlicher Betrachtung bereits, dass auch wir Männer neben einem EdT auch mit einem EdP beschenkt wurden. Und das bereits im Jahre 1992. Ebenso außergewöhnlich ist das gleichzeitige Erscheinungsjahr. So folgte erst im Jahr 2003 das "Habit Rouge EdP" dem Meisterwerk "Habit Rouge EdT" aus dem Jahre 1965.
Um es vorweg zu sagen: Das EdT ist seit vielen Jahren einer meiner Lieblings-Düfte aus dem immer größer werdenden Fundus ausgezeichneter Parfums. Doch der Reihe nach: Das 1986 erschienene "Zino" von Davidoff war mein erster Duft. Mir schlug jedes Mal das Herz bis zum Hals, wenn ich die kleine und sehr persönlich gehaltene Parfümerie um die Ecke betrat, um dieses traumhafte Elixier nachzukaufen. Und -so muss ich gestehen: Das war verdammt oft der Fall ! Nicht, dass die Haltbarkeit dieses Meisterwerkes zu bemängeln gewesen wäre. Nein, ganz und gar nicht ! Aber: Hey, es waren die 80er-Jahre und wir Männer -die wir uns schon für solche hielten und in Wirklichkeit jedoch noch Jungs waren- dieselten uns mit unseren pastell-farbenen Sweatshirts, unseren Karotten-Jeans und unseren Strähnchen-Frisuren mehrmals täglich "bis zum Anschlag" zu, so dass ein Nachkauf dieses Stoffes eben in sehr kurzen Abständen zu erfolgen hatte. So nach dem Motto "viel hilft viel" versuchten wir das weibliche Geschlecht -auch auf olfaktorischer Ebene- für uns zu gewinnen. Und das, in einer Duft-Wolke eingehüllt, die nach heutigen Maßstäben eher Katastrophen-Arlarm auslösen würde. Die dezent-zurückhaltende Silage eines "Pour Monsieur" von Chanel war uns Halbstarken damals fremd. Nein, in unserem einst noch sehr beschränkten Duft-Kosmos musste es schon ein olfaktorischer Burner sein. Nicht nur der eine oder andere amoureuse Fehlschlag ließ mich jedoch reifen und es folgten die 90er-Jahre. Und nicht nur die, sondern auch Héritage von Guerlain (um wieder zum eigentlichen Thema unserer Geschichte zu kommen). Und da dieser neue Duft die selbe Grundausrichtung versprach, begann ich alter "Zino-Freund", auch das eine oder andere Auge nicht nur auf die Angehörigen des weiblichen Geschlechts, sondern auch -sozusagen als "Mittel zum Zweck"- auf Guerlain's Héritage zu werfen.
Als Blindkauf zog sogleich das EdP in das Badezimmer meiner Studentenbude ein. Und mit ihm Jean-Paul Guerlain. Natürlich nicht der große Meister persönlich, denn dafür war diese soeben erwähnte Studenten-Bude dann doch etwas zu klein. Dafür aber sein Werk Héritage, seine olfaktorischen Gedanken und nicht zuletzt seine Duft-Visionen, die mich wohl mein Leben lang nicht mehr loslassen werden. Zino, vergib mir !
Wie ein Monolith thronte also das EdT auf der Ablage, fast schon in inniger Umarmung mit dem weißen Zahnputz-Becher. Erst Jahre später gesellte sich auch das EdP dazu. Ein völlig neues Duft-Erlebnis:
Das EdT startet erfrischend-zitrisch mit Bergamotte und Zitrone. Klassisch klar und erfrischend. Es ist eine reife, ja bereits zu diesem frühen Zeitpunkt der Duftentwicklung eine "cremige", eine sanfte Frucht. Da ist nichts Spitzes, nichts Saures. Nein, nur cremige, reife und anschmiegsame Zitrusfrüchte begrüßen meine Nase auf das Angenehmste. Liebevoll unterlegt mit würzigem Lavendel, der sich in (s)einer süd-französischen Art und Weise in diesen kunstvollen Auftakt einfügt und zärtlich meine Nase umschmeichelt.
Den selben Auftakt finden wir bei dem EdP. Jedoch nur für kürzere Zeit. Zwar sind beim EdP ebenfalls Bergamotte, Zitrone und Lavendel in der Kopfnote wahrzunehmen. Nur erscheinen mir diese bereits zum Auftakt reifer, ja fast schon dunkler und geheimnisvoller.
Das EdT wird dann sogleich würziger: Ich nehme eine pfeffrige Note wahr: Jedoch bleibt diese cremige Grundausrichtung deutlich erhalten. Der Pfeffer brennt nicht. Er ist nicht scharf, sondern dient offensichtlich nach dem Willen des Schöpfers dieses Meisterwerkes dazu, dem "zitrisch-lavendeligen Südfrankreich-Auftakt" Würze zu verleihen. Dies umso mehr, als sich bereits nach kürzester Zeit eine weitere Note hinzugesellt: Koriander, den wir aus vielen so schmackhaften Gerichten Thailands kennen. Aber, er bringt uns keine asiatische Komponente. Er gibt dieser nach wie vor bestehenden cremig-südfranzösischen Grundausrichtung des EdT eine weitere Komponente. Man verzeihe mir das plumpe Wortspiel: Offensichtlich ein "Süd-Koriander"...
Doch dann betritt beim EdT ein cremig-weiches Patchouli die Bühne. Nicht das nervtötende "Räucherstäbchen-Patchouli" wie wir es von Weihnachtsmärkten oder Hippie-Läden kennen. Es ist vielmehr ein die Nase sanft umschmeichelndes Patchouli, das an edelste Zartbitter-Schokolade erinnert. Ein Patchouli, das dann -Jahre später- (unter anderem) den Reiz der Guerlain'schen Meisterwerke L'Instant de Guerlain Pour Homme (2004) und dessen Bruder "Eau Extrème" ein Jahr später ausmachen sollte. Doch -davon gehe ich aus- träumte der gute Jean-Paul zum damaligen Zeitpunkt noch nicht einmal.
Diese edle Zartbitter-Schokolade des EdT ist jedoch nicht rau und kratzig. Es ist nicht diejenige von Lindt mit einem Kakao-Anteil von 99 %, sondern eher dieses dunkel-herbe, jedoch nach wie vor cremige, Exemplar mit einem Kakao-Anteil von 85 %: Leicht bitter, jedoch nach wie vor vollmundig den erfreuten Gaumen sanft umschmeichelnd.
Patchouli begegnet uns dem Grunde nach auch beim EdP: Nur ganz ganz anders. Im Rahmen der anfänglichen "Süd-Frankreich-Idylle" setzt es viel früher ein. Es lässt uns sozusagen gar nicht erst Zeit, uns im Liegestuhl zurückzulehnen, um die mediterrane Sonne zu genießen. Diese hatte sozusagen ihre ureigenste Aufgabe schon darin erfüllt, das anfängliche Bergamöttchen und das Zitrönchen aus der Kopfnote am Baum (natürlich nicht am selben !) länger reifen zu lassen. Wie gesagt: Das herbe Patchouli ist sehr schnell präsent. Und wie ! Wie ein Paukenschlag ertönt urplötzlich ein dunkler "Patchouli-Donner". Ein dunkles und geheimnisvolles Patchouli. Kompromisslos. Schon eher in Richtung der 99 %igen Variante von Lindt gehend. Voluminös und raumgreifend. Und: Mit animalischen Anklängen. Im Gegensatz zum EdT hat das Patchouli beim EdP keine Lust, mit unserem südfranzösischen -leicht pfeffrigen- Anfangs-Dreiklang zu spielen. Nein, geradezu harsch werden unsere mediterran-erfrischenden Freunde aus der Kopfnote verscheucht. Die in ihm enthaltene "animalische Note" faucht geradezu diese Zutaten an und verweist sie an den Rand des Sandkastens. Doch woher kommt diese -auch dieses Wortspiel sei mir erlaubt- tierische "animalische Note" im EdP ? Das ist geradezu Aufsehen erregend: Ich vernehme kein Moschus. Anders als etwa in dem -etliche Jahre später- unter der Regie von Frédéric Malle (in seiner "Autoren-Serie") erschienenen "Musc Ravageur" muss dieser animalische Touch im Guerlain'schen Héritage EdP von der Art des verwendeten Patchouli herrühren. Anders kann ich es mir jedenfalls nicht erklären.
Zudem fehlen -zumindest nach meiner Auffassung- sowohl im EdT als auch im EdP jedwede floralen Noten, die doch -auch im Rahmen von Düften für uns starkes Geschlecht- jedenfalls nicht untypisch für Guerlain's Duft-Kosmos sind: So zum Beispiel Jasmin ("Habit Rouge EdP" und "L'Instant de Guerlain Pour Homme"), Veilchen ("Arsène Lupin") oder Nelke ("Derby"). Nein, heute am Muttertag sind die einzigen Blümchen diejenigen auf dem Esstisch. Nicht jedoch in Héritage EdT und EdP (ähnlich dem "Habit Rouge EdT").
Dieses Zartbitter-Lindt-Schoko-Vergnügen hält dann noch lange an. Beim EdT in der sonnig-südfranzösischen helleren Version mit einem 85 %igen Kakao-Anteil. Beim EdP in einer animalisch-dunkleren Variante mit einem 99%igen Kakao-Anteil. Entgegen den Angaben in der Duft-Pyramide bilde ich mir jedoch ein, in beiden Werken noch etwas Zigarre zu vernehmen. Jedoch nur sehr zurückhaltend, ja fast sogar schüchtern. Wie ein Raucher in einem deutlich ausgewiesenen Nichtraucher-Bereich. Im EdT vielleicht ein schneller Zigarillo von "Montechristo", im EdP doch eher die "Siglo I" von Cohiba.
Fazit:
Beide Héritage-Brüder sind Meisterwerke. Obgleich im selben Jahr geboren sind es indes keine Zwillinge (trotz identischer DNA). Beileibe nicht ! Das EdT ist ein hellerer Patchouli-Schmeichler, der gerade aus seinem Südfrankreich-Urlaub zurückkommt und auf dem Heimweg über die Schweiz fährt (Lindt lässt grüßen !). Das EdP ist der dunkel-voluminös-animalische Zartbitter-Donner, der -wenn überhaupt- Südfrankreich nur von einem kurzen Bericht auf ARTE kennt.
Nochmals: Beides sind große Meisterwerke. Und ich verhehle nicht, dass Jammern auf einem derart hohen Niveau geradezu Spaß macht. Aber: Ich persönlich ziehe das EdT vor. Es ist einfach klarer und heller. Außerdem finde ich den Gegensatz zwischen dem "Zitronen-Bergamotten-Lavendel-Beginn" und der folgenden leicht rauchigen Zartbitter-Schokolade einfach spannender. Ich werde aber beide Exemplare -ihrem Namen entsprechend- an meine nächste Generation weiterreichen. Doch, bis es soweit ist, freue ich mich darauf, beide Düfte noch so oft wie möglich zu tragen.
Der Hersteller einer Schweizer Nobel-Uhrenmarke wirbt mit folgendem Slogan für seine Produkte: "Eine Patek Philippe gehört einem nie ganz alleine. Man erfreut sich ein Leben lang an ihr, aber eigentlich bewahrt man sie schon für die nächste Generation."
Dieser Gedanke scheint wohl auch Jean-Paul Guerlain durch den Kopf gegangen zu sein, als er 1992 die Düfte Héritage EdT und Héritage EdP kreierte. Hier geht es also um eine olfaktorische Erbschaft oder -nach den eigenen Angaben von Guerlain auf der Internet-Seite- um die Weitergabe von Werten von einer Generation zur anderen.
Aufsehenerregend ist bei oberflächlicher Betrachtung bereits, dass auch wir Männer neben einem EdT auch mit einem EdP beschenkt wurden. Und das bereits im Jahre 1992. Ebenso außergewöhnlich ist das gleichzeitige Erscheinungsjahr. So folgte erst im Jahr 2003 das "Habit Rouge EdP" dem Meisterwerk "Habit Rouge EdT" aus dem Jahre 1965.
Um es vorweg zu sagen: Das EdT ist seit vielen Jahren einer meiner Lieblings-Düfte aus dem immer größer werdenden Fundus ausgezeichneter Parfums. Doch der Reihe nach: Das 1986 erschienene "Zino" von Davidoff war mein erster Duft. Mir schlug jedes Mal das Herz bis zum Hals, wenn ich die kleine und sehr persönlich gehaltene Parfümerie um die Ecke betrat, um dieses traumhafte Elixier nachzukaufen. Und -so muss ich gestehen: Das war verdammt oft der Fall ! Nicht, dass die Haltbarkeit dieses Meisterwerkes zu bemängeln gewesen wäre. Nein, ganz und gar nicht ! Aber: Hey, es waren die 80er-Jahre und wir Männer -die wir uns schon für solche hielten und in Wirklichkeit jedoch noch Jungs waren- dieselten uns mit unseren pastell-farbenen Sweatshirts, unseren Karotten-Jeans und unseren Strähnchen-Frisuren mehrmals täglich "bis zum Anschlag" zu, so dass ein Nachkauf dieses Stoffes eben in sehr kurzen Abständen zu erfolgen hatte. So nach dem Motto "viel hilft viel" versuchten wir das weibliche Geschlecht -auch auf olfaktorischer Ebene- für uns zu gewinnen. Und das, in einer Duft-Wolke eingehüllt, die nach heutigen Maßstäben eher Katastrophen-Arlarm auslösen würde. Die dezent-zurückhaltende Silage eines "Pour Monsieur" von Chanel war uns Halbstarken damals fremd. Nein, in unserem einst noch sehr beschränkten Duft-Kosmos musste es schon ein olfaktorischer Burner sein. Nicht nur der eine oder andere amoureuse Fehlschlag ließ mich jedoch reifen und es folgten die 90er-Jahre. Und nicht nur die, sondern auch Héritage von Guerlain (um wieder zum eigentlichen Thema unserer Geschichte zu kommen). Und da dieser neue Duft die selbe Grundausrichtung versprach, begann ich alter "Zino-Freund", auch das eine oder andere Auge nicht nur auf die Angehörigen des weiblichen Geschlechts, sondern auch -sozusagen als "Mittel zum Zweck"- auf Guerlain's Héritage zu werfen.
Als Blindkauf zog sogleich das EdP in das Badezimmer meiner Studentenbude ein. Und mit ihm Jean-Paul Guerlain. Natürlich nicht der große Meister persönlich, denn dafür war diese soeben erwähnte Studenten-Bude dann doch etwas zu klein. Dafür aber sein Werk Héritage, seine olfaktorischen Gedanken und nicht zuletzt seine Duft-Visionen, die mich wohl mein Leben lang nicht mehr loslassen werden. Zino, vergib mir !
Wie ein Monolith thronte also das EdT auf der Ablage, fast schon in inniger Umarmung mit dem weißen Zahnputz-Becher. Erst Jahre später gesellte sich auch das EdP dazu. Ein völlig neues Duft-Erlebnis:
Das EdT startet erfrischend-zitrisch mit Bergamotte und Zitrone. Klassisch klar und erfrischend. Es ist eine reife, ja bereits zu diesem frühen Zeitpunkt der Duftentwicklung eine "cremige", eine sanfte Frucht. Da ist nichts Spitzes, nichts Saures. Nein, nur cremige, reife und anschmiegsame Zitrusfrüchte begrüßen meine Nase auf das Angenehmste. Liebevoll unterlegt mit würzigem Lavendel, der sich in (s)einer süd-französischen Art und Weise in diesen kunstvollen Auftakt einfügt und zärtlich meine Nase umschmeichelt.
Den selben Auftakt finden wir bei dem EdP. Jedoch nur für kürzere Zeit. Zwar sind beim EdP ebenfalls Bergamotte, Zitrone und Lavendel in der Kopfnote wahrzunehmen. Nur erscheinen mir diese bereits zum Auftakt reifer, ja fast schon dunkler und geheimnisvoller.
Das EdT wird dann sogleich würziger: Ich nehme eine pfeffrige Note wahr: Jedoch bleibt diese cremige Grundausrichtung deutlich erhalten. Der Pfeffer brennt nicht. Er ist nicht scharf, sondern dient offensichtlich nach dem Willen des Schöpfers dieses Meisterwerkes dazu, dem "zitrisch-lavendeligen Südfrankreich-Auftakt" Würze zu verleihen. Dies umso mehr, als sich bereits nach kürzester Zeit eine weitere Note hinzugesellt: Koriander, den wir aus vielen so schmackhaften Gerichten Thailands kennen. Aber, er bringt uns keine asiatische Komponente. Er gibt dieser nach wie vor bestehenden cremig-südfranzösischen Grundausrichtung des EdT eine weitere Komponente. Man verzeihe mir das plumpe Wortspiel: Offensichtlich ein "Süd-Koriander"...
Doch dann betritt beim EdT ein cremig-weiches Patchouli die Bühne. Nicht das nervtötende "Räucherstäbchen-Patchouli" wie wir es von Weihnachtsmärkten oder Hippie-Läden kennen. Es ist vielmehr ein die Nase sanft umschmeichelndes Patchouli, das an edelste Zartbitter-Schokolade erinnert. Ein Patchouli, das dann -Jahre später- (unter anderem) den Reiz der Guerlain'schen Meisterwerke L'Instant de Guerlain Pour Homme (2004) und dessen Bruder "Eau Extrème" ein Jahr später ausmachen sollte. Doch -davon gehe ich aus- träumte der gute Jean-Paul zum damaligen Zeitpunkt noch nicht einmal.
Diese edle Zartbitter-Schokolade des EdT ist jedoch nicht rau und kratzig. Es ist nicht diejenige von Lindt mit einem Kakao-Anteil von 99 %, sondern eher dieses dunkel-herbe, jedoch nach wie vor cremige, Exemplar mit einem Kakao-Anteil von 85 %: Leicht bitter, jedoch nach wie vor vollmundig den erfreuten Gaumen sanft umschmeichelnd.
Patchouli begegnet uns dem Grunde nach auch beim EdP: Nur ganz ganz anders. Im Rahmen der anfänglichen "Süd-Frankreich-Idylle" setzt es viel früher ein. Es lässt uns sozusagen gar nicht erst Zeit, uns im Liegestuhl zurückzulehnen, um die mediterrane Sonne zu genießen. Diese hatte sozusagen ihre ureigenste Aufgabe schon darin erfüllt, das anfängliche Bergamöttchen und das Zitrönchen aus der Kopfnote am Baum (natürlich nicht am selben !) länger reifen zu lassen. Wie gesagt: Das herbe Patchouli ist sehr schnell präsent. Und wie ! Wie ein Paukenschlag ertönt urplötzlich ein dunkler "Patchouli-Donner". Ein dunkles und geheimnisvolles Patchouli. Kompromisslos. Schon eher in Richtung der 99 %igen Variante von Lindt gehend. Voluminös und raumgreifend. Und: Mit animalischen Anklängen. Im Gegensatz zum EdT hat das Patchouli beim EdP keine Lust, mit unserem südfranzösischen -leicht pfeffrigen- Anfangs-Dreiklang zu spielen. Nein, geradezu harsch werden unsere mediterran-erfrischenden Freunde aus der Kopfnote verscheucht. Die in ihm enthaltene "animalische Note" faucht geradezu diese Zutaten an und verweist sie an den Rand des Sandkastens. Doch woher kommt diese -auch dieses Wortspiel sei mir erlaubt- tierische "animalische Note" im EdP ? Das ist geradezu Aufsehen erregend: Ich vernehme kein Moschus. Anders als etwa in dem -etliche Jahre später- unter der Regie von Frédéric Malle (in seiner "Autoren-Serie") erschienenen "Musc Ravageur" muss dieser animalische Touch im Guerlain'schen Héritage EdP von der Art des verwendeten Patchouli herrühren. Anders kann ich es mir jedenfalls nicht erklären.
Zudem fehlen -zumindest nach meiner Auffassung- sowohl im EdT als auch im EdP jedwede floralen Noten, die doch -auch im Rahmen von Düften für uns starkes Geschlecht- jedenfalls nicht untypisch für Guerlain's Duft-Kosmos sind: So zum Beispiel Jasmin ("Habit Rouge EdP" und "L'Instant de Guerlain Pour Homme"), Veilchen ("Arsène Lupin") oder Nelke ("Derby"). Nein, heute am Muttertag sind die einzigen Blümchen diejenigen auf dem Esstisch. Nicht jedoch in Héritage EdT und EdP (ähnlich dem "Habit Rouge EdT").
Dieses Zartbitter-Lindt-Schoko-Vergnügen hält dann noch lange an. Beim EdT in der sonnig-südfranzösischen helleren Version mit einem 85 %igen Kakao-Anteil. Beim EdP in einer animalisch-dunkleren Variante mit einem 99%igen Kakao-Anteil. Entgegen den Angaben in der Duft-Pyramide bilde ich mir jedoch ein, in beiden Werken noch etwas Zigarre zu vernehmen. Jedoch nur sehr zurückhaltend, ja fast sogar schüchtern. Wie ein Raucher in einem deutlich ausgewiesenen Nichtraucher-Bereich. Im EdT vielleicht ein schneller Zigarillo von "Montechristo", im EdP doch eher die "Siglo I" von Cohiba.
Fazit:
Beide Héritage-Brüder sind Meisterwerke. Obgleich im selben Jahr geboren sind es indes keine Zwillinge (trotz identischer DNA). Beileibe nicht ! Das EdT ist ein hellerer Patchouli-Schmeichler, der gerade aus seinem Südfrankreich-Urlaub zurückkommt und auf dem Heimweg über die Schweiz fährt (Lindt lässt grüßen !). Das EdP ist der dunkel-voluminös-animalische Zartbitter-Donner, der -wenn überhaupt- Südfrankreich nur von einem kurzen Bericht auf ARTE kennt.
Nochmals: Beides sind große Meisterwerke. Und ich verhehle nicht, dass Jammern auf einem derart hohen Niveau geradezu Spaß macht. Aber: Ich persönlich ziehe das EdT vor. Es ist einfach klarer und heller. Außerdem finde ich den Gegensatz zwischen dem "Zitronen-Bergamotten-Lavendel-Beginn" und der folgenden leicht rauchigen Zartbitter-Schokolade einfach spannender. Ich werde aber beide Exemplare -ihrem Namen entsprechend- an meine nächste Generation weiterreichen. Doch, bis es soweit ist, freue ich mich darauf, beide Düfte noch so oft wie möglich zu tragen.
2 Antworten
JoHannes vor 11 Jahren
Das ist ein toller Kommentar zu einem unglaublich schönen Duft. Mir gehts wie Yatagan: das EdT ist mir viel lieber!
Yatagan vor 12 Jahren
Ich kann tatsächlich nur mit dem EdT. Das EdP gefällt mir gar nicht, obgleich die Verwandtschaft nicht zu leugnen ist.

