13.12.2016 - 14:01 Uhr
loewenherz
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Souviens-toi
Im Westen des Bois de Boulogne, dem berühmten Stadtwald von Paris, liegt ein kleines Schloss mit Namen Bagatelle. 'Bagatelle' - das heißt auf deutsch etwa: 'Nichtigkeit' - charmant, nicht wahr? Und rund um dieses Schloss liegen berühmte Blumengärten - heute Teil der Botanischen Gärten von Paris - die sogenannten 'Jardins de Bagatelle' - berühmt genug, als dass das Pariser Haus Guerlain ihnen einst eigens dieses Parfum gewidmet hat.
Der Bois de Boulogne - administrativ zum 16. Arrondissement und somit noch zur Stadt Paris gehörend, obwohl er jenseits des 'Boulevard périphérique' genannten Autobahnringes liegt - hatte seit jeher nicht den besten Ruf - wie viele große Parks in den Metropolen der Welt. (Wer geht nachts in den Central Park?) Doch gehören die ihn umgebenden Quartiere in Passy, Boulogne-Billancourt und in Neuilly-sur-Seine zu den elegantesten von Paris.
Dort in den Jardins de Bagatelle sitzt eine Frau - nein, eine Dame - gepflegt und konservativ mit Perlen und biskuitfarbenem Kaschmirtwinset zu marineblauem Rock und graublondem Pagenkopf - auf einer Parkbank aus Eisen, ein abgegriffenes kleines Büchlein auf dem Schoß. Ihre Hände sind schlank und sorgfältig manikürt - man kann erkennen, dass das Schwerste, was diese Hände je getan haben, die Etüden von Chopin gewesen sind.
Und sie erinnert sich. An jenen magischen Sommer, als sie ein Mädchen war, und ER um sie geworben hat. Er war der unpassendste Junge, den man sich vorstellen konnte - die Familie ohne Stellung und beklagenswert seine Manieren - aber sie waren jung und verliebt. Am Ende des Sommers hat er sie gefragt, ob sie ihn heiraten will, und seine traurigen, braunen Augen haben dabei schon gewusst, dass sie Nein zu ihm sagen würde.
Sie hat ein paar Jahre danach einen passenden Mann geheiratet und mit ihm passende Kinder bekommen, die dann auf passenden Schulen und Universitäten passende Dinge gelernt haben. Sie ist nicht unglücklich in ihrer großen Stadtwohnung in Passy, den Bois de Boulogne zu Füßen des Balkons. Sie hat sich arrangiert mit diesem lauwarmen Leben in Perlenkette und Kaschmirtwinset. Und doch ist sie manchmal noch traurig.
Guerlains Jardins de Bagatelle weiß Geschichten wie diese zu erzählen - wenn man ihm zuhört, sich einlässt auf ihn. Er ist ein Duft für eine Dame, der konservativer scheint als er ist - ruhig und arriviert, doch jenseits dessen tiefgründig und voll verlorener Mädchenhaftigkeit und einer kleinen stillen Traurigkeit. Es liegt nichts Liebliches in seinen Blüten - Gardenie und Maiglöckchen sind am wahrnehmbarsten, doch sie dominieren nicht - die wie welkende Seerosen auf einem blass sepiabraunen Firn aus Aldehyden und einer likörfarbenen Seidigkeit dahintreiben, die seltsam vergangen und entrückt anmuten. Jardins de Bagatelles ist ein ernster, unaufgeregter Tagesduft für eine Frau in der Blüte ihrer Jahre oder darüber hinaus - einer, der es nie in Guerlains allererste Reihe geschafft hat, und dorthin wohl auch nicht mehr gelangen wird - was bedauert werden kann oder auch nicht. Um eine Stunde alleine auf einer Bank im Park zu sitzen und sich zu erinnern, ist er wunderbar.
Fazit: als er ging, hat er ihr das kleine Buch geschenkt, das jetzt in ihren Händen liegt - einen Gedichtband von Rimbaud, aus dem er ihr in jenem Sommer vorgelesen hat, während sie mit dem Kopf auf seinem Bauch in den Jardins de Bagatelle auf der Wiese lag - über ihnen nur der Himmel von Paris. Und auf der letzten Seite steht mit blauer Tinte - verblasst, aber noch gut zu lesen: 'Souviens-toi' - 'Erinnere dich'
Der Bois de Boulogne - administrativ zum 16. Arrondissement und somit noch zur Stadt Paris gehörend, obwohl er jenseits des 'Boulevard périphérique' genannten Autobahnringes liegt - hatte seit jeher nicht den besten Ruf - wie viele große Parks in den Metropolen der Welt. (Wer geht nachts in den Central Park?) Doch gehören die ihn umgebenden Quartiere in Passy, Boulogne-Billancourt und in Neuilly-sur-Seine zu den elegantesten von Paris.
Dort in den Jardins de Bagatelle sitzt eine Frau - nein, eine Dame - gepflegt und konservativ mit Perlen und biskuitfarbenem Kaschmirtwinset zu marineblauem Rock und graublondem Pagenkopf - auf einer Parkbank aus Eisen, ein abgegriffenes kleines Büchlein auf dem Schoß. Ihre Hände sind schlank und sorgfältig manikürt - man kann erkennen, dass das Schwerste, was diese Hände je getan haben, die Etüden von Chopin gewesen sind.
Und sie erinnert sich. An jenen magischen Sommer, als sie ein Mädchen war, und ER um sie geworben hat. Er war der unpassendste Junge, den man sich vorstellen konnte - die Familie ohne Stellung und beklagenswert seine Manieren - aber sie waren jung und verliebt. Am Ende des Sommers hat er sie gefragt, ob sie ihn heiraten will, und seine traurigen, braunen Augen haben dabei schon gewusst, dass sie Nein zu ihm sagen würde.
Sie hat ein paar Jahre danach einen passenden Mann geheiratet und mit ihm passende Kinder bekommen, die dann auf passenden Schulen und Universitäten passende Dinge gelernt haben. Sie ist nicht unglücklich in ihrer großen Stadtwohnung in Passy, den Bois de Boulogne zu Füßen des Balkons. Sie hat sich arrangiert mit diesem lauwarmen Leben in Perlenkette und Kaschmirtwinset. Und doch ist sie manchmal noch traurig.
Guerlains Jardins de Bagatelle weiß Geschichten wie diese zu erzählen - wenn man ihm zuhört, sich einlässt auf ihn. Er ist ein Duft für eine Dame, der konservativer scheint als er ist - ruhig und arriviert, doch jenseits dessen tiefgründig und voll verlorener Mädchenhaftigkeit und einer kleinen stillen Traurigkeit. Es liegt nichts Liebliches in seinen Blüten - Gardenie und Maiglöckchen sind am wahrnehmbarsten, doch sie dominieren nicht - die wie welkende Seerosen auf einem blass sepiabraunen Firn aus Aldehyden und einer likörfarbenen Seidigkeit dahintreiben, die seltsam vergangen und entrückt anmuten. Jardins de Bagatelles ist ein ernster, unaufgeregter Tagesduft für eine Frau in der Blüte ihrer Jahre oder darüber hinaus - einer, der es nie in Guerlains allererste Reihe geschafft hat, und dorthin wohl auch nicht mehr gelangen wird - was bedauert werden kann oder auch nicht. Um eine Stunde alleine auf einer Bank im Park zu sitzen und sich zu erinnern, ist er wunderbar.
Fazit: als er ging, hat er ihr das kleine Buch geschenkt, das jetzt in ihren Händen liegt - einen Gedichtband von Rimbaud, aus dem er ihr in jenem Sommer vorgelesen hat, während sie mit dem Kopf auf seinem Bauch in den Jardins de Bagatelle auf der Wiese lag - über ihnen nur der Himmel von Paris. Und auf der letzten Seite steht mit blauer Tinte - verblasst, aber noch gut zu lesen: 'Souviens-toi' - 'Erinnere dich'
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